Der grosse Smartwatch-Vergleich

Garmin gegen Apple Watch Batterieleistung, App-Angebot, Bezahlmöglichkeiten, Sport- und Gesundheitscheck: Unsere Digitalredaktoren sezieren Punkt für Punkt die Leistungen ihrer bevorzugten Uhrenmodelle.

Matthias Schüssler und Rafael Zeier

— Wie lange hält der Akku?

Zeier (pro Apple): Die grösste Schwäche der Apple Watch gleich hier zu Beginn. Der Akku hält nur einen Tag (und je nach Nutzung eine Nacht). Man muss die Uhr täglich laden. Entweder über Nacht oder wie ich am Abend vor dem Schlafengehen und am Morgen während des Duschens. Immerhin sind die Ladezyklen so regelmässig, dass man sich schnell daran gewöhnt. Und ja, keine andere Smartwatch hat ein eleganteres Ladedock.

Schüssler Die Ausdauer des Akkus hängt bei Garmin sehr von den Umständen ab. Verwendet man sie fürs Tracking längerer sportlicher Aktivitäten, tut man gut daran, mit einer voll aufgeladenen Uhr zu starten. Im normalen Gebrauch hält meine mehr als drei Jahre alte Fenix 5s locker eine Woche durch. Bei den neueren Modellen gibt es Varianten mit Solarzellen, welche die Ausdauer auf drei Wochen verlängern – und die Fenix 6X soll im Stromsparmodus und mit Solarzellen sogar auf 120 Tage kommen (was sich auf die Schnelle nicht überprüfen liess). Da kann es passieren, dass man das rechtzeitige Aufladen ganz vergisst.

— Was bieten die App-Stores?

Zeier (pro Apple): Nachdem die Apple Watch in Sachen Akku nur verlieren konnte, ist sie dagegen hier nicht zu schlagen. Das App-Angebot ist zwar nicht annähernd so gut wie auf dem iPhone, aber der restlichen Konkurrenz Jahre voraus. Von Google Maps über Outlook und Bring bis Meteo Swiss gibts für alles eine App.

Schüssler: Es gibt auch für die Garmin-Uhren einen Store mit Apps und Display-Designs. Das Angebot ist überschaubar: Es stehen Fitness- und Navigations-Apps von Drittherstellern zur Verfügung, zum Beispiel für die Trainings-Community Strava oder die Touren-Plattformen Wikiloc und Komoot. Selbst ein paar Spiele sind zu finden, zum Beispiel Tetris – aber ganz ehrlich: Sie machen keinen Spass.

— Wie sporttauglich ist die Uhr?

Zeier (pro Apple): Profisportler schwören auf wuchtige Sportuhren und Brustgurte für die Pulsmessung. Für meine Bedürfnisse reicht die Apple Watch völlig. Man muss schon sehr spezifische Bedürfnisse haben, um die Apple-Uhr an ihre Grenzen zu bringen. Richtig spannend wird es, wenn Apples Fitnessabo Fitness+ mit Videokursen in der Schweiz an den Start geht. Ein Datum dafür steht indes noch nicht fest.

Schüssler: So praktisch ein Touch-Display im normalen Alltag ist – beim Sport ist die Bedienung per Knopf deutlich überlegen: Sie funktioniert auch mit Handschuhen, schweissnassen Fingern oder im Regen. Die Gefahr, dass eine Funktion versehentlich ausgelöst wird und die Aufzeichnung einer sportlichen Aktivität vorzeitig gestoppt wird, ist minim. Und einige der neuen Modelle wie die Fenix 6 misst den Puls sogar unter Wasser, beim Schwimmen und Tauchen.

— Wie profitiert die Gesundheit?

Zeier (pro Apple): Hier trumpft die Apple Watch richtig auf. Nebst motivierenden Statistiken zur eigenen Bewegung und einem integrierten Zyklusprotokoll kann die Uhr auch selbstständig die Notfalldienste alarmieren, wenn sie einen Sturz registriert. Zudem kann man bei den neueren Modellen die Herzgesundheit mit einem EKG überwachen und sogar den Sauerstoffgehalt im Blut messen. Und seit dem Update auf watchOS 7 beherrscht die Uhr endlich auch Schlaftracking. Und dies ganz ohne zusätzliche Apps.

Schüssler: Garmin-Uhren überwachen den Körper mit diversen Sensoren. Der Puls wird kontinuierlich gemessen, und neuere Modelle ermitteln auch die Sauerstoffsättigung des Blutes und die Atmung. Die App liefert Gesundheitsdaten zu Bewegung, Schlaf und Stress. Neue Modelle weisen auch den Ladestand der «Body Battery» aus: Das ist ein Wert, der darüber Auskunft geben soll, ob Anstrengung und Erholung im Gleichgewicht sind oder ob man seinem Körper zu viel zumutet. Diese Messwerte ersetzen ein gutes Körperbewusstsein nicht – aber sie können einen in hektischen Zeiten daran erinnern, dass es wichtig ist, sich selbst Sorge zu tragen.

— Wie modetauglich ist die Uhr?

Zeier (pro Apple): Wenn man sich mit der rechteckigen Form anfreunden kann, ist die Apple Watch in Sachen Eleganz und Detailverliebtheit den sonst sehr technisch anmutenden Smartwatches weit voraus. Die verschiedenen Metalle und die unzähligen (und hochwertigen) Armbandoptionen passen zu jedem Geschmack.

Das grosse Highlight sind aber die flexibel konfigurierbaren Zifferblätter. Die Auswahl reicht von Uhrenklassikern über schlichte Designs bis zu modernen Digitalspielereien. Grosses Plus: Dank dem Immer-an-Bildschirm der neusten Modelle sieht man die Zifferblätter immer. Und sie sehen immer gut aus.

Schüssler: Über Geschmack lässt sich nicht streiten, und das gilt für Smartwatches besonders. Die Technik bringt es mit sich, dass sie dick und klobig daherkommen. Am muskulösen Hangelenk eines durchtrainierten Sportlerkörpers stört das nicht sonderlich. Doch bei Leuten mit dünnen Ärmchen und mageren Handgelenken wirken selbst die kleinen Modelle unelegant und überdimensionert. Garmin versucht sich zwar mit modischen Smartwatches, beispielsweise der Vivomove- oder der Vivoactive-Serie. Doch es bleibt dabei: Als Träger einer Garmin-Uhr positioniert man sich als Athlet, nicht als Stilguru.

— Was kostet die Uhr?

Zeier (pro Apple): Der Preis ist immer Ermessenssache. Aber dank der neuen Apple Watch SE und der immer noch erhältlichen Apple Watch Series 3 von 2017 hat Apple schon ab 200 Franken Uhren im Sortiment. Wer mehr bezahlen will, kann bis zu 1500 Franken ausgeben.

Schüssler: Garmin hat ein fast unüberschaubares Sortiment an Uhren: Von der universellen Fenix-Reihe gibt es spezialisierte Uhren für fast jede Sportart. Entsprechend gross ist die preisliche Bandbreite: Einsteigermodelle gibt es ab etwa 150 Franken, mit dem Spitzenmodell der Marq-Kollektion kommt man auf nahezu 3000 Franken.

— Wie kompatibel ist die Uhr?

Zeier (pro Apple): In dieser Kategorie kann Apple nur verlieren. Die Apple Watch braucht zwingend ein iPhone. Sie funktioniert weder mit Android-Handys noch mit iPads und auch nicht komplett unabhängig. Das ist ausgesprochen bedauerlich.

Schüssler: Garmin-Uhren lassen sich mit Android-Telefonen und iPhone verwenden. Die neueren Modelle haben an Autonomie zugelegt und liefern beim Sport zum Beispiel auch ohne Telefon Musik.

— Taugt sie als Handy-Ersatz?

Zeier (pro Apple): Dank einer eingebauten eSIM-Karte können die teureren Modelle (ein Abo vorausgesetzt) selbstständig ins Handynetz und sogar telefonieren. Auch mit den günstigeren Modellen kann man einen Anruf entgegennehmen. Praktisch, wenn das Handy gerade irgendwo im Rucksack oder in der Handtasche ist. Aber Achtung: Sofern man keine Airpods hat, können alle beim Anruf mithören. Und ja, es sieht etwas albern aus, wenn man mit der Uhr telefoniert.

Schüssler: In den USA hat Garmin ein Modell mit Anbindung ans LTE-Netz lanciert. Hierzulande gibt es das nicht. Man kann für den Sport zwar ohne Handy aus dem Haus, doch sobald man telefonieren oder sonst wie kommunizieren möchte, braucht es das Telefon.

— Welche Funktionen sind top?

Zeier (pro Apple): Als die erste Apple Watch auf den Markt kam, war ich ziemlich skeptisch. Am besten gefiel mir die Uhr damals als geräuschloser Wecker. Allein dafür hätte ich sie mir damals schon gekauft. Seither werde ich jeden Tag von einem feinen Klopfen am Handgelenk geweckt. Die Apple Watch ist der beste Wecker, den ich je hatte.

Schüssler: Die Fenix 5s gehört zu jenen Testgeräten, die ich nicht mehr hergeben wollte. Ich habe die Uhr 2017 gekauft und nutze sie seither. Und auch wenn sie nicht allein verantwortlich dafür ist, dass ich heute regelmässig Sport treibe und mich nicht mehr zu den bekennenden Antisportlern zähle, so hat sie doch ihren Teil dazu beigetragen: und zwar mit Charme – und vielleicht mit einer kleinen Schwindelei: Sie beteuert jedenfalls in den Leistungsstatistiken in aller Ernsthaftigkeit, mein «Sport-Alter» würde «bei jugendlichen zwanzig Jahren» liegen.

Der Style ist Geschmackssache: Dunkler Bildschirm und viel Akku bei der Garmin (oben) – heller Bildschirm mit wenig Akku bei der Apple Watch. Foto: Rafael Zeier

Freizeitsportler lieben Smartwatches: Sie messen die Fitness und motivieren dazu, sich genügend zu bewegen. Foto: Keystone

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 23. September 2020

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