Ist das iPad der bessere PC?

Pro und Kontra Apple nennt das iPad den Computer der Zukunft. Nur schon was die Gegenwart des Tablets angeht, sind sich unsere Digital-Redaktoren nicht einig – und das seit Jahren.

Nein

Seit fast genau zehn Jahren versucht Apple, die Frage zu klären, wozu das iPad gut sei. Dabei gibt es ein Problem: Apples Tablet kann nämlich viele Dinge ganz ordentlich. Aber es ist in keiner Disziplin der Champion.

Ja, klar: Man kann surfen und Mails lesen. Aber das geht mit dem Smartphone genauso gut. Das Tablet eignet sich für Videos und Spiele. Doch das gilt auch für smarte Fernseher. Für digitale Bücher wiederum ist ein E-Book-Lesegerät die bessereWahl. Und wer Notizen machen oder zeichnen will, nutzt dafür ein iPad. Oder aber Papier und einen Bleistift.

Seit zehn Jahren fehlt das Alleinstellungsmerkmal. Und Apple hat bislang keines herbeizaubern können, obwohl Steve Jobs das iPad doch als «magisches Gerät» vorgestellt hatte. Microsoft hat es schlauer gemacht: Bei Windows-Geräten ist die Bedienung mit Stift und Finger eine Zusatzfunktion, die man bei Bedarf aktiviert: indem man bei seinem Convertible die Tastatur abdockt oder nach hinten klappt, wenn man sie gerade nicht braucht.

Um aus dem iPad mehr als ein schickes Kaffeetisch-Accessoire zu machen, ist Apple auf die Idee verfallen, sein Tablet als «Zukunft des Computers» zu positionieren. Der Konzern wird nicht müde, zu betonen, dass das iPad Pro so leistungsfähig wie die meisten PC und allen professionellen Ansprüchen gewachsen sei. Um den Anspruch zu untermauern, hat Apple viele Dinge eingeführt, die Steve Jobs ursprünglich der Einfachheit halber weggelassen hatte: Es gibt nun eine Datei-App. Man hat die Möglichkeit, zwei Apps nebeneinander auszuführen. Und es lassen sich externe Speichermedien anschliessen, ebenso externe Monitore.

Das führt zur absurden Situation, dass Apple das Rad neu erfindet – und in Fan-Kreisen Neuerungen bejubelt werden, die es beim Personal Computer seit 30 Jahren gibt.

Und allen Bemühungen zum Trotz sind mein Mac und mein Windows-PC dem iPad haushoch überlegen: Ich bin nicht auf Apps aus dem Store angewiesen, sondern darf Software aus beliebigen Quellen installieren. Meinen Browser erweitere ich mit Drittmodulen, was meine Produktivität ungemein erhöht. Ich setze nach Belieben Systemprogramme ein, die beim iPad aus Sicherheitsgründen unzulässig sind. Ich darf auch mehrere Benutzerkonten einrichten – oder auch ein anderes Betriebssystem wie Linux, wenn mir Windows oder Mac OS nicht mehr gefällt.

Und etwas schätze ich am PC je länger, je mehr: Er ist ein dediziertes Arbeitsgerät. Das heisst: Ich schalte ihn ein, um zu arbeiten – und wenn ich fertig bin, dann fahre ich ihn herunter. Das fördert die Work-Life-Balance ungemein – anders als dieses iPad, das nie ausgeschaltet wird und mit dem man zu jeder Tages- und Nachtzeit arbeiten könnte.

Matthias Schüssler Der Digital-Redaktor arbeitet seit 1989 mit dem PC und bleibt dabei.

Apple betont, dass das iPad allen professionellen Ansprüchen gewachsen sei: Konzernchef Tim Cook bei der Präsentation des iPad Pro im Oktober 2018. Foto: laif

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 6. November 2019

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