Wie einfach ist es, Google auszutricksen?

Suchmaschinen Alle wollen bei den Suchresultaten an die Spitze. Viele probieren es mit Methoden, die alles andere als unbedenklich sind. Mit welchen Tricks die Manipulatoren arbeiten – und wie sich Google verteidigt.

Matthias Schüssler

Wikipedia ist schlecht auf The North Face zu sprechen. Wikimedia, die Stiftung hinter dem Onlinelexikon, hat vor kurzem eine Aktion des US-Herstellers von Outdoorbekleidung öffentlich gemacht. Die Wikipedianer nannten sie einen «unethischen Manipulationsversuch». Dabei ging es aber eigentlich gar nicht um Wikipedia.

Sondern um Google: Die Werbeagentur des Kleiderherstellers hatte einen fragwürdigen – und im Grunde recht cleveren – Trick angewandt, um North-Face-Produkte in die Liste der Suchresultate zu schmuggeln. Und zwar kostenlos, ohne teure Werbung buchen zu müssen.

Dieser Trick macht sich den Umstand zunutze, dass Google in seiner Suchmaschine seit 2012 Informationen aus Wikipedia verwendet. Fotos aus dem Onlinelexikon tauchen in der Bildersuche auf. Texte verwendet Google beim sogenannten Knowledge Graph: Das ist das Kästchen rechts neben den Suchresultaten, in dem die Nutzer zusätzlich zu den Suchresultaten grundlegende Informationen zur Suchanfrage erhalten, ohne dass sie sich erst durch die Resultate klicken müssen.

Die Werbeagentur hat nun in Wikipedia-Artikeln zu diversen Feriendestinationen die Fotos ausgetauscht. Die neutralen Bilder wurden durch Aufnahmen ersetzt, in denen Produkte und Logos des Auftraggebers zu sehen sind. Und tatsächlich: Nach kurzer Zeit tauchten diese Fotos zu den entsprechenden Suchanfragen in Google auf – und zwar prominent platziert, oft am Anfang der Seite. Die Werbeagentur hat die Methode selbst in einem Video publik gemacht: «Wir haben die Resultate gehackt, um den am schwersten zugänglichen Ort überhaupt zu erreichen: die Spitze der weltgrössten Suchmaschine.»

Doch eben: Wikipedia war überhaupt nicht angetan, für eine Guerilla-Marketingaktion missbraucht worden zu sein. Freiwillige haben die Fotos der Werbeagentur entfernt. Und The North Face hat sich gegenüber dem Onlinemagazin Heise.de für die Aktion entschuldigt: Sie sei nicht mit den Richtlinien des Unternehmens vereinbar.

Solche Versuche sind jedoch keine Seltenheit. Immer wieder versuchen Unternehmen, Google zu übertölpeln. Auch die Verbindung zu Wikipedia wird zu Werbezwecken ausgenutzt. Burger King hatte es 2015 geschafft, über einen TV-Werbespot den vernetzten Google-Home-Lautsprecher dazu zu bringen, einen Wikipedia-Artikel zu einem Hamburger zu rezitieren. So haben Tausende solcher Lautsprecher in den USA ihren Besitzern ein Gericht der Fast-Food-Kette schmackhaft gemacht.

Harte Bandagen

Der Kampf um die guten Positionen in den Resultatlisten der Suchmaschinen wird mit harten Bandagen ausgefochten. Das ist nicht neu, sondern eine Erscheinung, die fast so alt ist wie die Suchmaschinen selbst. In den letzten Jahren ist daraus ein Milliardengeschäft geworden. Allein in den USA werde im Jahr 2020 die enorme Summe von 80 Milliarden für gute Positionen investiert, prognostizierte das Wirtschaftsmagazin «Forbes» im letzten Jahr. Dieses Business nennt sich Suchmaschinenoptimierung: Englisch Search Engine Optimization (SEO). Die SEO-Spezialisten sorgen dafür, dass Google die richtigen Informationen zu einer Website erfasst und indiziert. Das ist im Kern ein ehrbares Geschäft: Es gewährleistet, dass uns Google bei Recherchen im Netz alle relevanten Informationen anbieten kann.

Aber natürlich ist das nur der Anfang: Es gibt Suchmaschinen-Optimierer, die mit unfairen Methoden operieren, um sich an die Spitze zu tricksen. Die Manipulatoren versuchen, Eigenheiten im (geheimen) Algorithmus zu finden, mit dem Google die Suchresultate bewertet und gewichtet. Dann nehmen sie gezielt Einfluss auf diese Parameter, um den Rang der eigenen Webangebote nach oben zu treiben.

Viele Tricks sind überholt

Über die Jahre sind diverse Techniken entstanden, die unter schillernden Bezeichnungen wie Cloaking, Keyword Stuffing, Link Farming oder Link Bait and Switch gehandelt werden. Beim Cloaking wird an Google beim Indizieren der Seite ein anderer Inhalt ausgeliefert als an die regulären Surfer. Keyword Stuffing zeichnet sich dadurch aus, dass in einem Text ein einzelnes Stichwort in jedem Satz auftaucht, damit Google auch ja kapiert, wie wichtig das ist. Link Farming nennt sich der Versuch, die Bedeutung einer Website künstlich aufzublähen, indem sehr viele Server im Netz platziert werden, die auf diese Site verweisen. Link Bait and Switch besteht darin, einen qualitativ hochwertigen Beitrag, der viele Leser anzieht, nach der Initiierung durch Google durch eine Werbebotschaft auszutauschen.

Diese Techniken – und es gibt noch viele weitere – haben alle eine Gemeinsamkeit: Google entdeckt sie routinemässig und straft Website-Betreiber, die sie verwenden, gnadenlos ab: Google stuft Websites für eine gewisse Zeit oder dauerhaft so zurück, dass sie in der Resultatliste nur noch weit hinten auftauchen.

Das ist ein Katz- und-Maus-Spiel. Google aktualisiert den Suchalgorithmus häufig, um die Qualität der Suchresultate hoch zu halten und schädliche SEO-Techniken zu bekämpfen. Grössere Anpassungen gibt es ein paarmal pro Jahr. Google nennt sie Broad Core Algorithm Update. Letzte Woche hat der Suchmaschinenkonzern ein solches Update für den Juni angekündigt, aber keine Details verraten.

Manchmal ist Google offener: Dann erfährt man, dass die Updates oft Tiernamen wie Panda, Penguin (Pinguin) oder Hummingbird (Kolibri) tragen und meist bestimmte Bereiche der Suche adressieren. Bei diesen grossen Änderungen geht es zum Beispiel darum, die Methoden zu verbessern, wie qualitativ hochwertige Inhalt identifiziert werden. Google ist an Websites interessiert, die auch ein realer Leser als nützlich erachtet. Darum ist die zentrale SEO-Methode maximal simpel. Sie geht wie folgt: Mach gute Inhalte und präsentiere sie anständig.

Neue Form der Sabotage

Nebst den grossen Updates nimmt Google oft kleine Änderungen am Algorithmus vor. Das kann sogar mehrfach täglich passieren. Und weil Google inzwischen ausgezeichnet darin ist, fragwürdige SEO-Techniken zu erkennen, befördert das eine besonders üble Form der Internetsabotage: Die nennt sich Negative SEO und besteht darin, das Webangebot der Konkurrenz schlechtzumachen. Bei dieser Attacke wird ein schlechtes Umfeld aufgebaut und mit einer unliebsamen Website in Verbindung gebracht: Typischerweise sind das Linkfarmen, die auch mit Spaminhalten wie Erektionshilfe oder Onlinecasinos operieren. Sich gegen solche Angriffe zu wehren, ist nicht ganz einfach. Immerhin bietet Google das Disavow-Tool an: Mit dem erklärt man Links für ungültig, die dem eigenen Ruf schaden.

Eine Methode, um Google auszutricksen, funktioniert übrigens weiterhin – und das ist die Google-Bombe. Bei dem Trick bringt man Google dazu, einen Suchbegriff mit einem Thema in Verbindung zu bringen, das per se nichts damit zu tun hat. Ein Beispiel ist die Bildersuche, die zum Stichwort «Idiot» Bilder des US-Präsidenten anzeigt.

Erst neulich wurde eine neue Google-Bombe gezündet: Nach dem Ende der Kultserie «Game of Thrones» wollten unzufriedene Fans die Suchmaschine dazu bringen, zum Stichwort «Bad Writer» (mieser Drehbuchautor) Bilder der beiden Showverantwortlichen D.B. Weiss und David Benioff anzuzeigen.

Wie stürmt man bei den Google-Suchresultaten ganz nach oben? Ein US-Outdoorkonzern hat ein Schlupfloch gefunden. Foto: LAB

Wer versucht, Google übers Ohr zu hauen, und sich erwischen lässt, der wird gnadenlos abgestraft.

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 12. Juni 2019

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