Jugendschutz, ohne zu schnüffeln

Apple muss junge iPhone-Nutzer besser schützen, forderten Investoren. Der Konzern sagt, er habe schon viel getan. Und nützen Kinderschutzfunktionen überhaupt etwas?

Matthias Schüssler

Apple ist in die Kritik geraten: Der Konzern müsse mehr zum Schutz der Kinder tun, die iPhones und iPads verwenden, forderten letzte Woche zwei Grossaktionäre. In einem ausführlichen offenen Brief wird ausgeführt, wie wichtig die Mobilgeräte für die junge Generation sind und wie sehr sie darauf ausgerichtet sind, die Kinder und Jugendlichen in Beschlag zu nehmen. Zitiert wird eine Studie, nach der sich 50 Prozent der Teenager von ihrem Telefon abhängig fühlen.

Gegen die Smartphone-Sucht fordern die Investoren eine Expertenkommission, Forschung und Aufklärung und explizit auch neue technische Möglichkeiten: Die Eltern sollten die Möglichkeit erhalten, die Nutzung der Geräte zeitlich zu beschränken und unerwünschte Inhalte zu blockieren. Apple liess verlauten, man nehme die Vorschläge ernst, habe aber bereits viele technische Massnahmen getroffen.

Viele Funktionen – aber nicht immer so detailliert wie gewünscht

In der Tat bieten die gängigen Betriebssysteme sowohl bei den Smartphones als auch bei PCs und Macs mehr oder weniger weitreichende Kinderschutzfunktionen. Die sind gut versteckt und nicht so detailliert, wie sich das viele Eltern wünschen würden.

Wie unsere Übersicht zeigt, sind zeitliche Beschränkungen nicht bei allen Geräten und Systemen möglich. Einen Ausweg gibt es in solchen Fällen allerdings: Manche Router stellen ebenfalls eine Kinderschutzfunktion zur Verfügung. Die Internetbox-Modelle der Swisscom steuern, wann welche Geräte Internetzugang haben. Das Surfen lässt sich nachts unterbinden, und es ist auch möglich, eine maximale Surfdauer festzulegen. Diese Limits greifen natürlich nur bei Geräten, die nicht aufs Mobilfunknetz ausweichen können.

Recht auf Privatsphäre

Heikel ist die inhaltliche Kontrolle, konkret die Aufsicht darüber, welche Apps die Kinder nutzen, was für Websites sie besuchen und worüber sie chatten. Zu weitreichende Möglichkeiten gefährden unter Umständen die Privatsphäre der Kinder. Microsoft hat eine Debatte darüber entfacht, als der Konzern bei Windows 10 die sogenannten Aktivitätsberichte eingeführt hat. Diese Berichte werden einmal pro Woche versandt und enthalten detaillierte Informationen darüber, wie viel Zeit die Kinder am Windows-10-PC und an der Xbox verbracht haben und welche Apps benutzt wurden. Das Mail listet auch die bei Google und anderen Suchmaschinen verwendeten Suchbegriffe auf und erlaubt die Blockierung von unerwünschten Sites.

«Eltern, ist es okay, im Suchverlauf eurer Kinder herumzuschnüffeln?», fragte «The Guardian» angesichts der weitreichenden Protokolle und verwies auf die UNO-Kinderrechtskonvention. Sie räumt Kindern das Recht auf Information und auf Privatsphäre ein. Die Zeitung zitierte auch die warnende Stimme einer Cyber-Sicherheitsexpertin: Websites präventiv zu blockieren, halte Kinder auch von nützlichen Informationen zur Sexualität und Identitätsfindung fern. Und das Vertrauensverhältnis werde gefährdet, wenn die Kinder merkten, dass sie überwacht würden. «Die Teenager schauen sich die Seiten halt bei einem Freund an. Nur dass sie dort halt niemanden zum Reden haben.»

Der geführte Zugriff erlaubt es Kindern, nur mit einer App zu operieren. Auch ein Zeitlimit ist möglich.

Tanja und Johnny Haeusler, die beiden Autoren des Buchs «Netzgemüse – Aufzucht und Pflege der Generation Internet» halten die technischen Mittel für sinnvoll. Sie greifen gut bei kleineren Kindern. Sie werden leicht durch Werbung und Angebote in Gratisspielen verleitet, teure In-App-Käufe zu tätigen oder Abos abzuschliessen. Bei Jugendlichen stossen die technischen Schutzmassnahmen jedoch schnell an Grenzen, weil manche Teenager sich autodidaktisch so viel Wissen angeeignet haben, dass sie sie aushebeln können.

Netzregeln aushandeln

Wichtiger sind daher die Netzregeln, die zur Vorsicht anregen sollen: Kinder sollten sich nicht mit Leuten treffen, die sie online kennen gelernt haben. Sie dürfen keine persönlichen Informationen über sich veröffentlichen, keine Bilder posten und auch bei Registrierungen nicht mehr als die Mailadresse angeben. Und: Ausserhalb der Medienzeiten werden die Geräte abgeschaltet, und die Eltern haben die Erlaubnis, ab und zu nachzusehen, was Kinder mit iPhone und iPad so machen.

Tanja Haeusler sagt auf Anfrage, das Thema sei seit Erscheinen des Buchs komplexer geworden, und ergänzt, für ihre Familie hätten sich zwei weitere wichtige Punkte ergeben: Der erste ist, die Handys über Nacht ausserhalb der Kinderzimmer an einer zentralen Ladestadion zu lassen. «Und es ist wichtig, dass Eltern aufgeschlossenes Interesse bewahren, um für das Kind ansprechbar zu bleiben, falls doch einmal etwas schiefgeht. Denn das wird passieren!»

50 Prozent der Teenager fühlen sich von ihrem Telefon abhängig. Experten sehen die Hersteller in der Pflicht. Bild: Christof Schuerpf/Keystone

Quelle: Newsnetz, Dienstag, 16. Januar 2018

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