Jetzt ist es so weit: Die maschinelle Übersetzung ist brauchbar

Ein Kölner Start-up hat einen digitalen Dolmetscher lanciert, der Google und Microsoft weit hinter sich lässt.

Matthias Schüssler

Die Medien sind voll des Lobes und in ihrem Urteil einhellig: DeepL lässt Google und Microsoft weit hinter sich und liefert maschinelle Übersetzungen, die nur mehr bei genauem Hinsehen als das Werk einer Maschine zu erkennen sind. Insbesondere die oft ungeschliffenen Formulierungen, die Computerübertragungen oft verraten, fehlen. Selbst längere Passagen wirken aus einem Guss, wie die folgende Übersetzung einer Passage aus George Orwells «1984»zeigt:

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Zu bemängeln ist, dass «you» erst mit «Sie», dann mit «du» übersetzt wird – in der Buchübersetzung von Michael Walter wird gesiezt. Er übersetzt auch das etwas flapsige «Es ist das hier» mit «Sie (die Antwort) lautet wie folgt». Ansonsten sind es einzelne Sätze, die man eleganter formulieren könnte – «Verfolgungsobjekt ist die Verfolgung» lautet bei Michael Walter «Ziel der Verfolgung ist die Verfolgung» – aber es gibt keine wirklichen Falschübersetzungen, die das Textverständnis verunmöglichen würden. Natürlich kann man auch DeepL in die Irre führen. Doch man muss sich deutlich mehr anstrengen als bei den herkömmlichen Algorithmen.

Ein Supercomputer in Island

Das Geheimnis des Erfolgs ist laut Website von DeepL ein Supercomputer in Island, mit dem die neuronalen Übersetzungsmaschinen «trainiert» werden: «Er erreicht mehr als 5’100’000’000’000’000 Rechenoperationen pro Sekunde. Im Ranking der heutigen Superrechner würde er den 23. Platz belegen.»

Die Übersetzungen erfolgen mit einem neuronalen Netzwerk, das mit digitalen Mitteln versucht, die Funktionsweise des Gehirns nachzubilden. Die Idee ist nicht neu, doch erst jetzt sind die Computer so leistungsfähig und die Datensammlungen so umfangreich, dass sich das Potenzial der Technologie in der Praxis zeigt. Der Durchbruch bei der Übersetzung liegt gemäss Gereon Frahling auch «bei bedeutenden Verbesserungen an der Architektur der neuronalen Netze». Frahling ist Gründer und Geschäftsführer, und er erklärt, sie hätten die Neuronen neu angeordnet und verbunden. «Das ermöglicht uns, natürliche Sprache besser abzubilden als jedes bisherige neuronale Übersetzungsnetz.»

Den Job bei Google geschmissen

Frahling erzählt in der F.A.Z., wie er dem Ruf von Google nach New York gefolgt ist, dort aber Mühe mit dem Dialekt der New Yorker hatte – und in Büchern keine Antwort darauf fand, wie der Kontext des Gesprochenen zu erschliessen wäre. Er hat sich darum entschieden, den Job bei Google nach einem Jahr zu kündigen und sein eigenes System aufzubauen. Das Start-up, das 2009 unter dem Namen Linguee als Suchmaschine für Übersetzungen gestartet ist, nennt sich seit 2017 DeepL, und es hat inzwischen 22 feste und 400 freie Mitarbeiter – und grosse Ambitionen: Nicht nur die Übersetzung will Frahling revolutionieren: «Die neuronalen Netze haben ein unglaubliches Sprachverständnis entwickelt. Das eröffnet uns viele aufregende Möglichkeiten für die Zukunft.»

DeepL unterstützt derzeit 42 Sprachkombinationen zwischen Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Polnisch und Niederländisch. Künftig sollen Sprachen wie Mandarin, Japanisch und Russisch dazustossen. Auch will das Unternehmen seine Übersetzungen über Programmschnittstellen in Apps und anderen Webdiensten zur Verfügung stellen.

Gereon Frahling hat die Übersetzungsmaschine gebaut, die selbst bei literarischen Texten ordentliche Resultate liefert. Bild: DeepL

Quelle: Newsnetz, Dienstag, 5. September 2017

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