Eine App für unendlich viel Lesestoff

Jetzt sind auch Zeitschriften nach dem Spotify- oder Netflix-Prinzip à discrétion zu lesen. Doch die Flatrate hat auch ihre Nachteile.

Matthias Schüssler

Das Flatrate-Prinzip erreicht den digitalen Zeitschriftenmarkt. Am Donnerstag startete Readly.ch mit einem Angebot von 2700 Zeitschriftentiteln aus aller Welt, zu fast drei Dutzend Themengebieten (von A wie Auto & Motorrad bis W wie Wissenschaft & Natur) und in knapp zwanzig Sprachen: 800 Titel sind in Deutsch abrufbar. Für den Zugang zu diesem Angebot per Smartphone oder Tablet bezahlt man 14.95 Franken pro Monat.

Wie im Video vorgeführt, ist das Lesen per App simpel und recht komfortabel: Man grenzt die Auswahl nach Sprache, Land und Kategorie ein und durchstöbert das Angebot. Magazine, die einen interessieren, kann man durchblättern, querlesen oder auch intensiv studieren. Es gibt eine Favoritenfunktion und die Möglichkeit, Seiten mit Lesezeichen zu markieren.

Lesen ja, archivieren oder kopieren nein

Für die Nutzung unterwegs existiert eine Offlinefunktion, mit der man die Magazine aufs Gerät herunterlädt. Diese verbleiben aber in der App. Es ist nicht möglich, sie zum Beispiel im PDF-Format zu speichern, zu archivieren oder auszudrucken. Es ist auch nicht vorgesehen, dass man Text markiert und kopiert.

Wegen des Scrollens und Zoomens ist das Lesen am Tablet nicht bei allen Titeln komfortabel.

Wenn man das tun möchte, eröffnet sich eine Möglichkeit bei ikiosk.de: Hier gibt es keine Flatrate, sondern Kaufmöglichkeiten einzelner Zeitschriftenausgaben oder den Abschluss digitaler Abos. Die Preise sind in aller Regel deutlich günstiger als am Kiosk. Und bei vielen Titeln ist der Download als PDF möglich. Diese Dateien kann man in vielen Fällen auch herunterladen und drucken – wobei nicht bei allen Zeitschriften sämtliche Funktionen zur Verfügung stehen.

Auch Apple mischt mit

Der Trend zur Magazin-Flatrate ist nicht neu. Apple hat im März 2018 den Zeitschriftenservice Texture übernommen. Er ist 2010 gestartet und hat sich seitdem zum führenden Anbieter entwickelt. Hierzulande ist Texture bislang nicht verfügbar.

Der Geschäftsführer von Readly, Philipp Graf Montgelas, hält den Moment der digitalen Zeitschrift jetzt für gekommen – das, nachdem die Einführung des iPad 2010 für hochfliegende Erwartungen gesorgt hatte, die bald der Ernüchterung wichen. Symptomatisch für diesen Misserfolg war «The Daily», eine Onlinetageszeitung exklusiv fürs Tablet, die im Februar 2011 startete und im Dezember 2012 wieder eingestellt wurde.

Zeitschriften zu allen möglichen und unmöglichen Themen, in diversen Sprachen und aus vielen Ländern.

Eine erste Enttäuschung sei bei neuen Medien und Geräten nicht unüblich: «Das Gerät ist das eine, die Inhalte, Dienstleistungen und Services aussen herum sind das andere. Diese müssen erst entwickelt und den Bedürfnissen der Leser, aber auch den Ansprüchen der Verlage angepasst werden. Das klappt häufig nicht so schnell, wie man es gern hätte.»

Geht die Rechnung für die Zeitschriftenmacher auf?

Bleibt die Frage, ob die Rechnung für die beteiligten Verlage, Journalisten und Zeitschriftenmacher aufgeht – denn mit Readly lassen sich für den Preis von zwei bis drei Zeitschriften pro Monat Dutzende Titel konsumieren. Graf Montgelas sagt, die Zielgruppe von Readly sei eine gänzlich andere als bei den gedruckten Publikationen: «Wir möchten die Menschen erreichen, die heute hochwertige Inhalte im Netz kostenlos lesen.»

Er traut sich zu, Millionen Leute schrittweise zu überzeugen, für Qualitätsjournalismus zu bezahlen: Studien wie die des Finanzen-Verlags und von «PV Digest» vom Juli 2016 hätten ergeben, dass die Überschneidung von ehemaligen Abonnenten und Readly-Nutzern bei nur 5 Prozent liegt.

Das «Streaming» erschliesst neue Leserkreise

Daraus ergibt sich, dass 95 Prozent der Nutzer neu gewonnene Leser seien: «Streaming-Plattformen ermöglichen insbesondere hochpreisigen Nischenmagazinen, die wir auch in der Schweiz zum Start im Portfolio haben, den Kontakt zu neuen Lesern, die das Heft ansonsten nicht für sich entdecken würden.»

Die Situation ist daher tatsächlich vergleichbar wie bei Spotify und dem Musikstreaming: Die Flatrate-Plattformen sind perfekt für Neuentdeckungen. Doch die neuen Lieblingsalben sollte man trotzdem als Download oder vielleicht sogar als CD erwerben.

Wer Texte kommentieren, markieren und kopieren will, muss zum E-Paper greifen.

Das Altpapierbündeln bleibt einem erspart. Dafür muss man Spass daran haben, am Bildschirm zu lesen.
Video: Matthias Schüssler

Quelle: Newsnetz, Sonntag, 24. Juni 2018

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Thema: Patentrezept
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