Cyberwar Die CIA will Wladimir Putin hacken, als Rache für sein Eingreifen in den US-Wahlkampf.

Scheinheilige Amerikaner

Matthias Schüssler

Die Amerikaner wollen den Russen einmal so richtig zeigen, wo der digitale Hammer hängt. Mit einem Kriegsschlag im Cyberspace. Dort würden zwar «keine Truppen bewegt und kein Schuss abgefeuert», heisst es beim Sender NBC News, der die Story aufgedeckt hat. Stattdessen soll «die Sache persönlich werden». Die CIA will die Führungsriege im Kreml von Wladimir Putin an abwärts blossstellen, beispielsweise indem Offshore-Bankkonten ans Licht kommen: «Es wäre extrem peinlich, wenn das aufgedeckt würde», zitiert NBC einen ehemaligen Nato-Befehlshaber.

Mit hundert Leuten und einem Budget von 100 Millionen soll Russland für die Einmischung in den US-Wahlkampf bestraft werden. Wikileaks hatte im Juli eine grosse Zahl Mails des Democratic National Committee veröffentlicht, ohne die Quelle offenzulegen. Doch schon damals standen russische Geheimdienste im Verdacht.

Diese Racheaktion ist aus drei Gründen eine dumme Idee. Erstens ist es offensichtlich, dass es den Amerikanern nicht an Transparenz, sondern an Vergeltung gelegen ist – das Resultat kann nur Propaganda und keine Aufklärung sein.

Zweitens ist ein Cyberwar zwar kein Krieg im herkömmlichen Sinn. Dennoch ist das Internet für unser tägliches Leben längst viel zu wichtig, als dass man es für solche Kriegsspiele instrumentalisieren sollte. Das Netz ist ja sowohl mit der zivilen wie auch der militärischen Infrastruktur verwoben. Die täglichen Cyberattacken und -scharmützel sorgen schon jetzt für so grossen wirtschaftlichen Schaden, dass die Welt keine weitere Eskalation braucht.

Drittens wäre der amerikanische Gegenschlag eine einzige Scheinheiligkeit – oder hat man bei der CIA die Enthüllungen Edward Snowdens bereits vergessen? Die USA überwachen die ganze Welt, von der UNO über Kanzlerin Angela Merkel bis hin zu ihren eigenen Bürgern. Die CIA hat schon im Vor-Internetzeitalter mit Geld und verdeckten Operationen Wahlen und Abstimmungen in anderen Ländern beeinflusst. Das ist das Geschäft der Geheimdienste; auch der vielen «three letter agencies», die es in den Vereinigten Staaten gibt. Wollen sie sich jetzt wirklich beim Gegner rächen, der dasselbe tut? Man kann nur hoffen, dass Barack Obama es verhindert.

Quelle: Tages-Anzeiger, Dienstag, 18. Oktober 2016

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