Ultrahochauflösende Inhalte sind ultrarar

Ist der neue, noch schärfere Fernsehstandard ein Rohrkrepierer? Bislang gibt es kaum Inhalte und das Schweizer Fernsehen wird in naher Zukunft nicht in 4K senden. Die Branche zeigt sich jedoch verhalten optimistisch, dass das 2016 besser wird.

Matthias Schüssler

Neun Jahren nach dem Start kann die Einführung des hochauflösenden Fernsehens als abgeschlossen betrachtet werden. Die meisten Zuschauer empfangen HD-Programme. Die SRG wird denn auch die Ausstrahlung via Satellit in Standardauflösung (SD) per Ende ­Februar einstellen.

Das heisst nun aber nicht, dass die technische Entwicklung abgeschlossen wäre. In den Elektronik-Fachgeschäften dominieren längst die 4K-Geräte. Sie bieten die vierfache Auflösung von Full-HD.

Der Standard, der auch «Ultra High Definition» (UHD) genannt wird, zeigt 3840 auf 2160 Bildpunkte anstelle der 1920 mal 1080 Pixel des normal hochauflösenden Signals. Und wie zu Anfang der HD-Einführung hinkt das inhaltliche Angebot den technischen Möglichkeiten hinterher. Das heisst: Es gibt kaum Filme oder Sendungen, die man als Besitzer ­eines neuen 4K-Fernsehgeräts auf dem Gerät wiedergeben könnte.

Das wird sich nur langsam ändern. Daniel Steiner, Mediensprecher bei SRG, sagt, das Schweizer Fernsehen habe bislang keine konkreten Pläne zur Einführung des neuen Standards: «4K/UHD befindet sich noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium, es fehlen zahlreiche Elemente für einen wirtschaftlichen Regelbetrieb.» Investitionen wären mit Risiken verbunden, die sich bei der noch geringen Verbreitung der Geräte nicht rechtfertigen liessen, erklärt Steiner.

Das sollte einen aber nicht von 4K abhalten, wenn man einen neuen Fernseher kaufen will, findet zumindest Albrecht Gasteiner. Der «Digital-Papst» wirft sich für den audiovisuellen Fortschritt in die Bresche, seit er an der Schweizer Fernseh- und Radioausstellung (Fera) 1981 die erste Compact Disc vorgestellt hatte. Er weist darauf hin, dass man seine selbst geschossenen Digitalfotos auf einem 4K-Fernseher in bislang ungesehener Detailgenauigkeit betrachten kann. 4K-fähige Camcorder sind erschwinglich, und diverse aktuelle Smartphones unter anderem von Apple, Sony, Samsung und LG filmen ultrahochauflösend. Ferner lässt sich die superfeine Bilddarstellung auch bei Videospielen geniessen. Das setzt jedoch einen hochgezüchteten Gamer-PC voraus. Die gängigen Spielkonsolen geben bislang nur normales HD aus.

Das Streaming dominiert

Wer Satellitenempfang hat, kann in der Schweiz inzwischen auf neun UHD-Stationen zurückgreifen. «Wenngleich einige davon erst Demonstrationsschleifen senden», relativiert Albrecht Gasteiner dieses Angebot. Der Experte, der auch hinter der neuen Site uhd-forum.ch steht, sieht das Streaming und Down­loads als primären Verbreitungsweg. Netflix, Amazon Prime Instant Video und Vimeo haben sich bereits in Position gebracht. Und auch bei Youtube gibt es seit fast einem Jahr 4K-Clips zu bewundern.

Die Swisscom ihrerseits hat angekündigt, ihre Box fürs Internetfernsehen auf den neuesten Stand der Technik zu bringen. «Swisscom wird zu Beginn den Fokus auf Filme, Serien und Dokumentationen legen. Sobald TV-Kanäle in UHD zur Verfügung stehen, prüfen wir deren Aufschaltung», sagt Armin Schädeli von der Medienstelle des Telecomanbieters. Mit der neuen Box könnten Zuschauer ab der Saison 2016/2017 Spiele der Fussball-Super-League in UHD ansehen. Und vielleicht gibt es sogar einzelne Spiele der Fussball-EM im Juni und Juli in ganz scharf.

Trotz der Dominanz des Streamings schreibt Albrecht Gasteiner die Verbreitung auf Datenträger nicht ab: «Aufgrund ihrer gegenüber HDTV viermal so grossen Informationsdichte benötigen UHD-Programme via Internet bedeutend höhere Datenraten», sagt er. Diese werden längst nicht von jedem Zugang geliefert. Die Streaminganbieter haben zwar Tricks auf Lager, Verbindungsengpässe aufzufangen: «Das sieht immer noch gut aus, ist allerdings von der optimalen Qualität, beispielsweise der einer UHD-Blu-Ray, deutlich entfernt.»

Die UHD-Blu-Ray ist eine Weiterentwicklung der bekannten Blu-Ray-Disc, die bis 100 Gigabyte Daten enthalten und nicht nur Filme in einer Auflösung von 3840 auf 2160 Pixel unterstützt. Nicht vorgesehen sind stereoskopische Filme im UHD-Format. Das darf man durchaus als Eingeständnis werten, dass das 3D-Heimkino gescheitert ist.

Den Sonnenuntergang spüren

Dafür unterstützt die neue Blu-Ray höhere Bildwiederholraten, mit denen sich Bewegungsabläufe flüssiger abbilden lassen. Sie greift auch den grossen Trend der letztjährigen Funkmesse in Berlin auf, der die audiovisuellen Trendsetter 2016 umtreiben wird. Dieser Trend nennt sich HDR. Das Kürzel steht für High Dynamic Range und bezeichnet den vergrösserten Kontrastumfang: Nebst dem dunkleren Schwarz soll vor allem das Weiss heller werden. Fans der neuen Technik schwärmen denn auch, man würde die Wärme eines Sonnenuntergangs auf der Haut spüren und die Lichtreflexionen, die J. J. Abrams im «Star Trek»-Film «Into Darkness» bis zum Exzess einsetzt, würden richtig in den Augen wehtun: «So, wie der Regisseur das wohl beabsichtigt hat», kommentiert das Blog Digitalzimmer.de lakonisch.

«Nicht nur mehr, sondern vor allem schönere Pixel» soll HDR ermöglichen, wie es der Netflix-Technikchef Neil Hunt diesen Trend gegenüber dem Technikportal Heise.de auf den Punkt bringt. Die Gerätehersteller versprechen sich davon einiges: Anders als die höheren Auflösungen soll HDR auf den ersten Blick und von jeder Entfernung her erkennbar sein – und vor allem: dem Zuschauer das Tragen jeglicher Brillen ersparen.

Zur Wiedergabe dieser neuen digitalen Pracht ab Blu-Ray braucht es neue Geräte. Die sind ab 170 Franken erhältlich. Die UHD-Modelle sind rückwärtskompatibel und spielen auch althergebrachte Silberscheiben ab. Selbstverständlich muss auch der Fernseher für HDR gerüstet sein – und das sind bislang nur die Modelle am oberen Ende der Preisskala.

Die grossen Filmstudios beginnen im Frühjahr 2016 mit der Auslieferung erster Titel auf UHD-Blu-Ray. Sony Pictures gräbt für die Premiere im Archiv und lanciert «Spider-Man 2», «Salt», «Hancock» und «Die Schlümpfe 2». Von Warner Bros. sind «Mad Max: Fury Road» und «The Lego Movie» zu erwarten. Beim Winterthurer Versandhändler Cede.ch sind inzwischen 40 Titel bestellbar. Das Interesse der Käufer ist bislang bescheiden, räumt Philippe Stuker von der Geschäftsleitung ein: «Aber wir glauben, dass es nebst Netflix und den illegalen Inhalten, die schnell und günstig verfügbar sind, einen Markt für die richtig gute Qualität gibt. Beispielsweise für Animationsfilme, wo die Unterschiede wirklich augenfällig sind!»

Animierte Lego-Männchen in einer neuen Generation von Geräten, die noch schärfere Bilder bringt. Foto: Warner Bros. (AP, Keystone)

«Bei Animationsfilmen sind die Unterschiede des 4K-Standards augenfällig.»
Philippe Stuker, Cede.ch

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 6. Januar 2016

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