Wie man Softwareabstürze aus der Welt schafft

Warum stürzen Programme ab? Dafür gibt es viele Gründe – und manchen kann man vorbeugen.

Von Matthias Schüssler

Menschliche Denkarbeit ist fehlerbehaftet. Kurzschlüsse in den Synapsen, Unkonzentriertheit und ein träger Geist führen immer wieder zu Fehlern.

Ganz anders die Computer. Sie sind unbestechliche Rechenknechte, die mit unbeirrbarer Präzision ihre Arbeit verrichten. Deshalb dürfen sie auch Raketen steuern, AKWs überwachen und an der Börse handeln, ohne dass jemand auf die Idee käme, mit Bleistift und Papierblock die Resultate zu kontrollieren. Unser Vertrauen in Siliziumchips und Programmcodes ist nahezu grenzenlos.

Dabei beweisen Computer tagtäglich, wie ungerechtfertigt dieses Vertrauen ist, indem sie abstürzen, einfrieren und unvermittelt den «Bluescreen of death» präsentieren. Der Anwender ist schnell bereit, das zu entschuldigen: Microsoft halt! Häufig wird auch heute noch Bill Gates persönlich für jegliches Fehlverhalten verantwortlich gemacht, weil er, dem Vernehmen nach, kein brillanter Programmierer gewesen sein soll.

Dem liebsten Buhmann der Computerwelt alle Fehler in die Schuhe zu schieben, ist natürlich ungerecht. Auch wenn Windows tatsächlich schuld an vielen Fehlern ist. Als «gewachsenes» Betriebssystem stecken etliche Altlasten unter der Haube, die Microsoft dort belässt, damit auch Uralt-Programme noch unter Windows laufen.

Microsoft ist zu gutmütig

Vorwerfen kann man Microsoft auch mangelnde Strenge gegenüber den Hardwarepartnern. Dell, HP, Sony, Lenovo, Acer und Co. sind es, die Windows mit ihren Laptops und Desktops verkaufen – jedoch nicht ohne das Betriebssystem vorher mit eigenen Zugaben «anzureichern». Diese Hilfsprogramme sind durchwegs von so bescheidener Qualität und beschränktem Nutzen, dass sie den Beinamen «Crapware» erhalten haben – sprich: Sie sind der letzte Mist. Doch statt diesem Treiben einen Riegel zu schieben, verkauft Microsoft in den eigenen Stores in den USA lieber die sogenannten Signature PCs. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die ganze Crapware fehlt und sie dadurch schneller starten, zuverlässiger arbeiten und ein übersichtlicheres Startmenü zu bieten haben.

Geschlossene Systeme wie iOS, das Betriebssystem von iPhone, iPad und iPod Touch, geben den Programmen deshalb von Haus aus einen stabileren Unterbau als das Jekami à la Microsoft. Das ist auch deshalb der Fall, weil bei iOS jede App in einer geschützten Umgebung, der sogenannten «Sandbox», ausgeführt wird. Anwendungen haben so viel weniger Möglichkeiten, sich gegenseitig in die Quere zu kommen. Auch legitimer Datenaustausch ist nicht so einfach möglich – doch für die Stabilität ist weniger Offenheit ein Gewinn.

Die unentdeckten Fehler

Aber bekanntlich sind auch iOS-Apps nicht vor Abstürzen gefeit. Hänger und Amokläufe gründen in der Softwarewelt in den Fehlern der Programmierer. 15 bis 50 Fehler stecken in Tausend Zeilen Programmcode; was sich bei immer grösser werdenden Programmen summiert. Neue Programmiertechniken wie die parallele Abarbeitung von Codes, die aus Mehrkern-Prozessoren mehr Leistung herausholt, bergen auch neue Gefahren. Beispielsweise den «Deadlock». Er tritt auf, wenn sich zwei parallele Rechenstränge eines Programms gegenseitig blockieren.

Teuer und verunsichernd

Abstürze und Softwarefehler verursachen hohe Kosten. 84,4 Milliarden allein für mittelständische und grosse Unternehmen in Deutschland, schätzte eine Studie im Jahr 2006. Abstürze sind aber auch ein unfreundlicher Akt gegenüber dem Benutzer. Sie führen, gerade bei wenig technikaffinen Usern, zu grosser Verunsicherung – hat man etwas falsch oder gar kaputt gemacht?

Dabei ist man der Maschine nicht komplett ausgeliefert. Oft genug ist ein Absturz die Folge einer Situation, die der Programmierer nicht bedacht hat – und das kann man als Benutzer «flicken», selbst wenn man keinen Einblick in die Vorgänge im Innern des Elektronenhirns hat.

Die wichtigste Massnahme gegen Abstürze ist daher, optimale Rahmenbedingungen zu schaffen. Das heisst: Es gibt genügend freien Arbeits- und Festplattenspeicher, weil nur die wichtigen Programme laufen und nicht X-beliebige Utilities, die vielleicht irgendwann auch noch nützlich sein könnten. Zum Schutz vor bösartigen Saboteuren wird der Computer von einer aktuellen Antivirensoftware geschützt. Die eingangs erwähnte «Crapware» wurde von Hand deinstalliert oder mit einer Software wie The PC Decrapifier entfernt (Pcdecrapifier.com). Und: Alle Programme und das Betriebssystem befinden sich auf dem neuesten Stand. Updates sind dazu da, die Zahl der «Bugs» in einer Software zu verringern und sie stabiler und sicherer zu machen.

Einfach sind die Fehler zu beheben, die eine klare Ursache haben, die obendrein in einer unmissverständlichen Meldung benannt wird. Fehlt eine Systembibliothek, behebt man das durch eine Neuinstallation der Software. Konkrete Fehlercodes lassen sich mittels einer Google-Suche aufschlüsseln und in vielen Fällen beheben oder umgehen.

Relativ leichtes Spiel hat man auch bei reproduzierbaren Fehlern. Wenn ein Absturz immer an der gleichen Stelle auftritt, kann man ihn oftmals durch eine Anpassung seiner Arbeitsweise umgehen.

Doch was tun bei willkürlichen, aus heiterem Himmel auftretenden Abstürzen? Bei ihnen kann mitunter der Zeitpunkt, zu dem sie sich zum ersten Mal ereigneten, einen Hinweis geben. Falls eine Konfigurationsänderung vorgenommen wurde, könnte diese der Auslöser der Misere sein. Man sollte diese daher probehalber rückgängig machen.

Und wenn nicht, bleibt die Reparatur auf gut Glück. Falls die Software einen Start im abgesicherten Modus erlaubt (das ist etwa bei Firefox und dem Internet Explorer, bei Thunderbird, Word, Excel und Outlook möglich), dann hilft er sehr oft weiter, weil (erwünschte und unerwünschte) Erweiterungen von Drittherstellern deaktiviert werden.

Wo die Fehlerursachen stecken

Beim Mac sollte man an dieser Stelle die Konfigurationsdatei aus dem Benutzerordner unter «/Library/Preferences» löschen. Das hilft bei einer fehlerhaften Konfiguration. Auch die Benutzerdateien – die Lesezeichen eines Browsers, die Datenbank eines Bildverwaltungsprogramms oder die Mediathek im Musikplayer – können im Fall einer Beschädigung Abstürze oder Hänger verursachen. Zieht man diese Benutzerdateien probehalber aus dem Verkehr, kann man diese Absturzursache ausschalten.

Auch ein neues Windows- oder Mac-OS-X-Benutzerkonto anzulegen, ist ein wirksames Mittel gegen schadhafte Daten. Damit man nach dieser Massnahme nicht ohne seine Benutzerdaten dasteht, ist eine Datensicherung unverzichtbar. Nur das Backup bringt bei einer Beschädigung der Outlook-Datendatei die Mails, Kontakte und Termine zurück!

Wenn alles nichts hilft, dann ist es auch nicht verkehrt, die Supporthotline zu bemühen. Denn dann könnte es sein, dass Sie die (zweifelhafte) Ehre haben, einen bisher unbekannten «Bug» entdeckt zu haben.

Die Ultima Ratio bei Abstürzen: Die Festplatte formatieren und alles neu installieren. Foto: Getty Images

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 21. Januar 2013

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