Das neue Office drängt es ins Web

Microsoft hat die neue Version seiner Bürosoftware in die Läden gebracht. Man kann sie nun auch via Internet benutzen.

Matthias Schüssler

Office 2010, die neue Version der am weitesten verbreiteten Bürosoftware, ist erschienen. Drei Jahre hat sich Microsoft Zeit gelassen, um nun ein Produkt zu präsentieren, das im Kern kaum neue Funktionen bietet. Office ist, das zeigte sich schon bei der Vorgängerversion, zu Ende entwickelt.

Microsoft steht aber vor der grossen Herausforderung, sein Paradepferd auf eine von Google geprägte Internet-Welt zuzuschneiden. Office 2010 ist ein Spagat zwischen dem altbewährten Geschäftsmodell und dem «Cloud-Computing»-Trend (das englische Wort für Wolke bezeichnet Softwareanwendungen, die via Internet im Browser ausgeführt werden). Einerseits will Microsoft das lukrative Geschäft mit den teuren Softwarelizenzen nicht aufgeben. Die «Business division» des Unternehmens ist nach wie vor wichtigster Gewinnlieferant. Andererseits forciert gerade Google die «Cloud» und bietet mit Text & Tabellen Büroprogramme – nur als Webanwendung, aber kostenlos. Google kann dem klassischen Office bisher zwar nicht das Wasser reichen, aber der Fehdehandschuh ist geworfen. Der Herausforderer ist gewillt, das gute Geschäft mit den teuren Installationsprogrammen zu unterlaufen.

Google etwas entgegensetzen, ohne zu viel preiszugeben – das ist die Herausforderung bei Office 2010. Microsoft hat sie gut gemeistert. Es gibt Microsofts Anwendungen nun auch im Web. Der Funktionsumfang wurde so weit reduziert, dass Geschäftsanwender und anspruchsvolle User auch künftig nicht um die Anschaffung des Office-Pakets herumkommen. Die Webanwendungen sind aber gut genug für die gelegentliche Nutzung. Und sie bilden die Menüs und Befehle der Desktop-Programme originalgetreu nach. Da kann Google nicht mithalten.

Office auch in Facebook

Die Internet-Version von Office lässt sich nicht nur unter office.live.com nutzen. Unternehmen können ihr eigenes Web-Office betreiben (per Sharepoint-Server). Nicht nur das: Unter docs.com gibt es Office für die Facebook-Community. Facebook-Nutzer können Word-, Excel- und Powerpoint-Dokumente erstellen und für andere freigeben. Damit hat Microsoft einen Fuss in der Tür dieser 400-Millionen-Gemeinschaft.

Microsoft Office für die Installation auf dem lokalen Computer gibt es in den drei Varianten Home and Student (219 Fr., als Download 169 Fr.), Home and Business-Edition (549 Fr., 349 Fr. als Download) und Professional (999 Fr., 749 Fr. als Download). Zusätzlich existiert die Office-Starter-Version. Sie gibt es nur vorinstalliert mit neuen PCs. Sie ersetzt Microsoft Works. Das Produkt für Einsteiger wurde im Oktober 2009 eingestellt.

In allen Office-Varianten ist OneNote enthalten. Das ist eine Art digitaler Notizblock mit leistungsfähigen Funktionen für freie Notizen, fürs Recherchieren und für das Sammeln von Ideen.

Augenfällig im neuen Office ist das sogenannte Ribbon Interface, das seine Premiere in Office 2007 hatte. Es ersetzt die Programmmenüs durch die sogenannte Multifunktionsleiste. Diese wiederum gliedert Befehle nach Arbeitsbereichen, den «Menübändern», und stellt die Befehle in Kategorien wie «Layout», «Verweisen» oder «Überprüfen» zur Verfügung. Die Leiste ist jetzt in allen Programmen vorhanden, auch in Outlook, das in der 2007er-Version noch klassische Menüs hatte.

Der nachgebesserte «Ribbon»

Microsoft hat den «Ribbon» überarbeitet: Die vor drei Jahren eingeführte Office-Schaltfläche ist wieder passé. Als Ersatz dient das neue Menüband «Datei». Es enthält Befehle zum Speichern von Dokumenten auf der lokalen Festplatte oder auf «Skydrive», Microsofts Internetdatenspeicher auf live.com. An gleicher Stelle richtet man neue Dokumente ein, gibt Druckaufträge und konfiguriert das Programm.

Die Multifunktionsleiste hilft im Optimalfall, Zeit zu sparen. Befehle sind mit wenigen Klicks zugänglich. Mitunter verkompliziert die Leiste die Arbeit. Nämlich dann, wenn ein wichtiger Befehl ungünstig positioniert ist. Das zwingt zu ständigen Wechseln des Menübandes. Microsofts Antwort auf dieses Problem ist die neue Möglichkeit, Befehle umplatzieren und eigene Menübänder einzurichten. Das geschieht über einen Rechtsklick auf die Multifunktionsleiste und den Befehl «Menüband anpassen».

Zu den wichtigsten Neuerungen in der Textverarbeitung Word gehört eine neue Navigationspalette. Sie verbessert die Orientierung in langen Dokumenten. Sie zeigt die Seiten in kleinen Voransichten, alle Überschriften des Dokuments oder alle Fundstellen eines frei wählbaren Suchbegriffs.

Eine der nützlichsten Verbesserungen betrifft den aus der Zwischenablage eingefügten Text. Ältere Versionen von Word fügen Text immer mit der Originalformatierung ein. Unsinnig, denn für eine einheitliche Gestaltung sind die Formatierungen des Dokuments massgebend. In Word 2010 kann man nun unterschiedliche Vorgaben treffen, wenn der Text aus dem gleichen Dokument kopiert wird, aus einem anderen Word-Dokument stammt oder aus einer Drittanwendung. Man kann weiterhin bei jeder Einfügeaktion bestimmen, ob die Formatierungen übernommen oder verworfen werden.

Outlook 2010 profitiert von der Multifunktionsleiste und wirkt übersichtlicher. Es ist neu erlaubt, mehrere Exchange-Konten einzurichten. Die Nachrichten in Mail-Ordnern können als «Unterhaltung» angezeigt werden. Ist diese Option eingeschaltet, fasst das Programm die zum gleichen Mailaustausch gehörenden Nachrichten zusammen. Bei Apple Mail oder Thunderbird gibt es diese Ansicht längst als Sortierung nach Verlauf oder Thema.

Eine echte Zeitersparnis stellen die neuen Quicksteps dar. Sie setzen häufig gebrauchte Aktionen per Mausklick in Gang. Es gibt einige vorfabrizierte Quicksteps. Mit «An Vorgesetzte(n)» wird eine Nachricht an eine Person weitergeleitet. Es ist auch möglich, eigene Quicksteps einzurichten, wobei eine Reihe von Befehlen zum Verschieben, Weiterleiten oder Markieren wunschgemäss kombiniert werden.

In Excel sind die Neuerungen bescheiden ausgefallen. Die Sparklines zeigen in einer Zelle eine Trendlinie oder ein simples Liniendiagramm. Im Präsentationsprogramm Powerpoint sind die neuen Videofunktionen bemerkenswert: Eingebettete Filmclips lassen sich trimmen, das heisst, am Anfang oder Ende beschneiden. Auch Effekte stehen zur Verfügung. Das beste: Powerpoint exportiert Präsentationen auch als Videos, die sich per DVD-Player abspielen oder auf Youtube hochladen lassen.

So nützlich die einzelnen Neuerungen sein mögen, ein Update drängt sich für die meisten Anwender nicht auf. Die Anwender, die mit Office 2003 oder mit noch älteren Versionen unterwegs sind, können ein Update ins Auge fassen. Die neue Oberfläche bringt im Zusammenspiel mit den Anpassungsmöglichkeiten und den Office-Webanwendungen eine echte Chance auf Zeitersparnis.

Menüs und Dialogboxen sind passé, gedruckt wird neu über das «Datei-Menüband».Powerpoint legt bei Videos zu und exportiert Präsentationen sogar für Youtube.

Quelle: Der Bund, Mittwoch, 16. Juni 2010

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