Apple Aperture 2.0

Apple dreht wieder an der Blende

Apples Postproduktionsprogramm Aperture hat in der neuen Version 2.0 in vielen Bereichen zugelegt. Die Oberfläche ihrerseits geht den entgegengesetzten Weg und kommt nun schlanker und übersichtlicher daher.

MATTHIAS SCHÜSSLER Es ist das Schicksal fast jedes Computerprogramms, im Alter dick und fett zu werden. Immer mehr Funktionen, Features, Fenster und Fähigkeiten werden den digitalen Werkzeugen aufgepfropft. Diese darf die Marketing-Abteilung dann überschwänglich und mit vielen Superlativen bewerben.

Apple ist weiss Gott kein Waisenknabe, was das lautstarke Rühren der Werbetrommel angeht. Aperture 2.0 wird mit dem Tusch «100+ neue Funktionen!» eingeführt. Abgesehen ist Apples Marketing-Abteilung darum bemüht, die neue Version als schlankes und rankes Werkzeug in Szene zu setzen. Da steckt Absicht dahinter: Das Zielpublikum des Postproduktionsprogramms sind Profi- und Semiprofi-Digitalfotografen. Und die haben ein Auge für schlanke Kurven und die schmale Wespentaille.

Die Oberfläche von Aperture hat kräftig abgespeckt. Gab es in der Vorgängerversion je eine Palette am rechten und am linken Bildschirmrand, gibt es jetzt nur noch eine links. Das ist der «All in one»-Inspektor, der nun die drei Paletten Projekte, Metadaten und Anpassungen in sich vereint. Diese gab es vorher separat. Nun erscheinen sie als Reiter, wobei man über die Taste W zwischen den Reitern wechselt.

Über eine neue Schaltfläche Darstellung oder die Taste V kann man zwischen dem Viewer (das ausgewählte Bild), dem Browser (der Liste aller Bilder im Projekt) und dem Kombi Browser-Bilder hin und her wechseln. Offensichtlich ist bei Apple die Erkenntnis gereift, dass Aperture nicht nur auf 30-Zoll-Cinema-Displays genutzt wird. Mit den Verbesserungen für den Vollbild-Modus passt Aperture nun bestens auch auf kleinere Bildschirme.

Schlanker und flinker

Aperture 2.0 soll schlanker sein als der Vorgänger, und auch flinker. Letzteres bewerkstelligt Apple über die neue Funktion Schnelle Vorschau. Diese lässt sich auch durch einen Druck auf die Taste P ein- oder ausschalten, und sie bewirkt, dass zur Anzeige eine kleinere Variante des Bildes verwendet wird.

Verändern darf man am Bild in der schnellen Vorschau nichts. Wenn die Werkzeuge im Reiter Anpassungen alle deaktiviert sind, muss man daran denken, zur normalen Ansicht zurückzukehren. Das ist vor allem am Anfang verwirrlich. Aperture weist zuoberst in den Anpassungen-Werkzeugen zwar darauf hin, dass die Schnelle Vorschau aktiv ist. Das übersieht man aber leicht.

Sich aus dem Staub machen

Wenn es nun ans Eingemachte geht, nämlich an die Bildbearbeitung, ist uns das neue Retuschieren-Werkzeug aufgefallen. Es entfernt Störungen per Mausklick. Abschattungen durch Staubkörner auf dem Sensor machten sich in zwei Arbeitsschritten aus dem Staub, wenn man so sagen darf: Erster Schritt: Das Werkzeug auswählen – wobei wir uns nicht die Mühe gemacht haben, Einstellungen wie Radius, Weichheit oder Deckkraft zu verändern. Zweiter Schritt: die Störung «überpinseln». Unkomplizierte Störungen, etwa vor dem Himmel, deckt man so perfekt ab. Ist mehr Genauigkeit gefragt, betreibt man das Werkzeug im Klon-Modus und kann dann, wie man das aus Photoshop kennt, Pixel von einer Bildpartie über eine andere kopieren.

Es ist an dieser Stelle daran zu erinnern, dass Aperture die Originaldaten, das so genannte digitale Negativ, nie anrührt, egal, ob man nun die Farbe oder Belichtung anpasst, einen neuen Ausschnitt wählt oder Störungen wegstempelt. Die Modifikationen werden über das Ausgangsbild «gestülpt» und können auch wieder entfernt werden. Das nennt sich «nondestruktive Bildbearbeitung».

Aperture hat zur Korrektur von Farbe und Belichtung einige neue Werkzeuge erhalten. Eines ist die Wiederherstellung: Sie stellt in überbelichteten Bereichen die Zeichnung wieder her, ohne das Bild als Ganzes allzu sehr abzudunkeln. Das funktioniert ganz gut, allerdings ist die Bezeichnung Wiederherstellung (Englisch: Recovery) unseres Erachtens unglücklich. Ein Begriff wie «Lichterzeichnung» wäre einleuchtender.

Regler für Licht und Schatten

Der «böse Zwillingsbruder» ist der neue Schieberegler namens Schwarzpunkt. Er verändert die Zeichnung in den Tiefen. Man kann damit die Details in den dunklen Partien hervorholen oder aber das Schwarz dunkler machen, wodurch das Bild an Kontrast gewinnt, ohne dass die hellen Partien berührt würden. Das Aufhellen der Schatten ist nur in Nuancen möglich. Aber wenn einem das nicht reicht, dann greift man zum Schieberegler Schatten und doppelt nach. Sein Gegenspieler ist der Glanzlichter-Regler, der die Helligkeitsspitzen betont.

Der Regler Lebendigkeit ist ideal zum Aufmotzen eines Bildes. Neudeutsch würde man wohl vom «Pimpen» reden. Er erhöht die Farbsättigung in wenig gesättigten Bereichen und lässt sie in bereits stark gesättigten Bereichen unverändert. Entsprechend kann man «aufdrehen», ohne dass Köpfe die Farbe von frischen Karotten annehmen oder der Himmel ins Kitschblau abdriftet. Dieses Feature dürfte wohl all den Hobbyfotografen gefallen, die ihre Bilder gern auf Flickr platzieren – auf dieser Foto-Plattform haben stark farbgesättigte Bilder Hochkonjunktur. Man kann den Regler Lebendigkeit auch gut fürs Gegenteil benutzen. Indem man ihn zurücknimmt, erhält man ein fast schwarzweisses Bild, indem in den zuvor gut gesättigten Bereichen ein Hauch der ursprünglichen Farbe vorhanden ist. Auch ein schöner Effekt.

Apropos Flickr: Es gibt in Aperture neu den Befehl Ablage > Exportieren > FlickrExport. Dieser funktioniert aber nicht einfach so bzw. tut das nur während eines Monats. Der Flickr-Export wird vom Plug-in eines Drittherstellers geleistet. Für dieses müsste man noch einmal knapp dreissig Franken entrichten. Solche «Teaser»-Features in einem Kaufprogramm sind unseres Erachtens Unsinn: Entweder, die Funktion ist vorhanden, oder sie ist es nicht. Dass Apple auf diese Weise am Produkt eines Drittherstellers mitverdienen will, ist unschön.

Neu auch der Schieberegler Definition. Er verstärkt den lokalen Kontrast und verdeutlicht Kanten und klar abgegrenzte Bereiche. Das wirkt wie eine Schärfung des Bildes und gibt Aufnahmen, die bei Feinstaub, Dunst und im Gegenlicht entstanden, zusätzliche Klarheit.

Grauenhafter Farbsaum

Weitere Neuigkeiten im Bereich der Bildbearbeitung sind die Möglichkeit, «tote» Pixel kenntlich zu machen und die Vignettierung zu korrigieren. Die Funktion Devignette wird über die Schaltfläche mit dem Plus an der oberen Kante der Anpassungen-Palette verwendet. Es erscheint dann ein eigner Abschnitt in der Palette, in dem die Eigenschaften gesteuert werden können. Wir haben bei unserem Test mit dieser Funktion allerdings eine Überraschung erlebt: Bei Bildern, die bereits via Definition und Kanten scharfzeichnen behandelt worden waren, kam es zu hässlichen, surreal wirkenden Farbsäumen. Bei stark behandelten Bildern kommen sich die Algorithmen offensichtlich in die Quere – da hilft dann nur das alte Motto, wonach weniger eben manchmal mehr ist.

Aperture beherrscht im Übrigen auch das Gegenteil und fügt bei Bedarf eine künstliche Vignette hinzu. Das lenkt die Aufmerksamkeit auf das Zentrum des Bildes.

Alles in allem sind die Werkzeuge zur Belichtungskorrektur umfangreicher als in der Vorgängerversion. Mit welchen man seinen Bildern zu Leibe rückt, ist nicht zuletzt eine Frage der Vorliebe. Viele der Belichtungseffekte kann man auch ohne einen separaten Regler durch geschicktes Manipulieren der Gradationskurve erzielen. Dennoch geht es mit dezidierten Werkzeugen mitunter einfach schneller und einfacher. Aperture 2.0 hat hier einen guten Schritt nach vorn gemacht. Dennoch hat hier Lightroom weiterhin die Nase vorn. Adobes Konkurrenzprodukt bietet beispielsweise das Zielkorrekturwerkzeug (siehe Publisher 5-07, Seite 22), das wir nicht mehr missen möchten.

Sehen, wo Bilder herkommen

Einige nette Funktionen gibt es auch im Bereich der Bildverwaltung. Man kann jetzt das Aufnahmedatum und die Uhrzeit in den Exif-Daten korrigieren. Richtig praktisch wäre diese Funktion, wenn man das relativ tun könnte. Dann wäre es möglich, bei allen Bildern eine Stunde dazuzugeben, wenn man vergessen hat, die Uhr der Kamera auf Sommerzeit umzustellen. Falls die Bilder Geotags enthalten, also die Koordinaten des Aufnahmeorts, kann man die Bilder auf Google-Maps verorten. Und praktisch ist schliesslich auch die Funktion, die beim Import von Bildern Dubletten vermeidet.

Einige neue Features gibt es auch im Bereich des Bücher- und Webexports. Schick sind die neuen Bücher-Layouts, die so genannten Buchthemen. Es gibt die drei Buchtypen Gross, Mittel und Klein und hier jeweils die Themen Besonderes Ereignis, Bildarchiv, Bildarchiv (schwarz), Bildband, Förmlich, Kunstsammlung, Proof-Buch und Modern. Damit kommt man schon recht weit.

Die Layouts selbst sind – wie immer in solchen Fällen – Geschmackssache, genügen aber auch professionellen Ansprüchen. Das Layout selbst geht extrem schnell vonstatten, da man bloss das gewünschte Seitenlayout auszuwählen und Bilder abzulegen braucht. Fertige Bücher exportiert man im PDF-Format. Nebst den neuen Bücherthemen gibt es nun die Möglichkeit, Bücher randabfallend selbst zu drucken, Foto- und Textrahmen selbst zu positionieren, Bilder mit Rahmen auszustatten und eigene Seitengrössen anzugeben. Und Aperture 2.0 unterstützt die 16-bit-Druckertreiber von Canon und Epson.

Zweischneidige Integration

Ein zweischneidiges Schwert ist die starke Anbindung an andere Apple-Produkte und Dienste. Eine nützliche Sache ist zweifellos die Integration von Aperture in den Media-Browser des Betriebssystems: Die in Aperture verwaltete Bildersammlung steht auch in iWeb, Pages oder in iMovie zur Verfügung. Geteilter Meinung kann man darüber sein, wie sinnvoll es ist, Aperture so stark an Apples .Mac-Dienst anzubinden.

Für Anwender dieses Dienstes hat es den Vorteil, dass sie ohne weitere Umstände Webgalerien online stellen können. Wer den Dienst nicht nutzt, kann manche Funktionen aber schlicht nicht verwenden. Webgalerien sind ein Beispiel – Aperture käme es nicht in den Sinn, diese für den Upload auf einen eigenen Webserver in Form von HTML-Seiten zu exportieren. Man kommt aber doch um den Kauf eines .Mac-Abos herum, wenn man ein so genanntes Webjournal erstellt.

Hier gibt es die Exportfunktion. Die Webjournale sind brauchbar und die diversen Layouts optisch ansprechend.

Umlaut-Unmut wird laut

Zwei Sachen sind uns aufgefallen: Der Export dauert auch bei wenigen Bildern enorm lange. Die aus den IPTC-Angaben erstellten Beschreibungen enthielten falsche Umlaute. Letzteres dürfte daran liegen, dass wir die Bilder mit Adobe Lightroom unter Windows vertagt haben. Ob daran Adobe oder Apple schuld ist, lassen wir dahingestellt. Dafür verleihen wir an dieser Stelle unserem Unmut darüber Ausdruck, dass es im Jahre 2008 offenbar trotz Unicode immer noch nicht möglich ist, «Codepage»-Probleme zwischen den Systemen zu vermeiden!

Alles in allem ist Aperture 2.0 ein gelungenes Update. Viele der Neuerungen verbessern Dinge, die bei der ersten Version des Produkts noch nicht optimal waren – aber das ist nicht das

Schlechteste, was eine Version 2.0 leisten kann. Die Verschlankung der Oberfläche ist zweckdienlich, die neuen Bildbearbeitungsfeatures nützlich – und das Erstellen von Fotobüchern macht mit Aperture 2.0 richtig Spass. Nachbessern müsste Adobe bei der Performance. Auch wenn man die Schnelle Vorschau eingeschaltet hat, wünscht man sich oft eine etwas zügigere Reaktion von der Software.

Die Vollversion von Aperture 2 kostet 269 Franken. Das Upgrade von Version 1 ist für 139 Franken erhältlich.

Bei diesem Bild haben wir alle Aperture-Register gezogen, das Wetter verbessert, den Feinstaub reduziert und die Farben nach allen Regeln der Kunst aufgemotzt.

Eine Doppelseite in einem per Aperture zusammengestellten Fotobuch: Diese sind schick und werden ohne viel Aufwand per Maus zusammengeklickt.

Farbsaum wie aus dem Albtraum: Bei stark bearbeiteten Bildern kann es zu unerwarteten Effekten kommen. Zur Ehrenrettung von Aperture ist zu sagen, dass der Fehler vor allem in der Schnellen Vorschau zutage tritt.

Quelle: Publisher, Mittwoch, 9. April 2008

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Metadaten
Thema: Aperture 2
Nr: 8209
Ausgabe: 08-2
Anzahl Subthemen: 1

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Tabb: FALSCH