Ein Top-Erscheinungsbild für Gedrucktes

Das Layoutprogramm Scribus bringt Flyer, Broschüren und andere Dokumente in Form und ist gratis zu haben.

Von Matthias Schüssler

Solange der Word-Anwender sich aufs Schreiben konzentriert, leistet Microsofts Textverarbeitung gute Dienste. Macht er sich daran, sein Dokument mit einem ausgefeilten Erscheinungsbild zu versehen, kommt er so schnell nicht zu Potte. Word bietet zwar Gestaltungsfunktionen, doch die bewähren sich nur, solange man es mit einem einzigen, fortlaufenden Text zu tun hat.

Für Publikationen, die mehrere Textbeiträge enthalten und wie eine Zeitung oder ein Magazin aufgemacht sind, braucht man eine Layoutsoftware. Sie erlaubt es, Textbeiträge und Bilder frei auf der Seite zu platzieren und flexibel mit Spalten zu arbeiten. Professionelle Layoutprogramme wie Adobe InDesign oder Quark XPress verfolgen diesen Ansatz, und nun gibt es auch ein kostenloses Programm mit dem gleichen Konzept. Scribus wird von einer Entwicklergemeinschaft zum freien Gebrauch entwickelt. Die Software war bislang Anwendern des alternativen Betriebssystems Linux vorbehalten, doch jetzt gibt es sie auch für Windows und Mac OS X – sogar in Deutsch.

Zentral für die Gestaltung mit Scribus sind die so genannten Rahmen. Sie nehmen Text, Bilder oder Tabellen auf und geben vor, an welcher Stelle ihr Inhalt erscheint und wie viel Platz er einnimmt. Um Text unterzubringen, zieht man als Erstes einen Textrahmen auf und positioniert ihn auf der Seite. Dann doppelklickt man in den Rahmen und tippt seinen Text – oder importiert ein vorhandenes Dokument, beispielsweise eine Word-Datei.

Wie Texte ihren Lauf nehmen

Ein zweites wichtiges Instrument ist das Verkettungswerkzeug. Es verknüpft zwei Textrahmen und definiert, dass Text automatisch im zweiten Rahmen weiterläuft, wenn der erste «voll» ist. Per Verkettung lassen sich mehrspaltige Textblöcke, über mehrere Spalten laufende Überschriften und andere gestalterische Spezialitäten anrichten. Textrahmen müssen nicht rechteckig sein, sondern treten auch als runde, polygone oder frei gezeichnete Formen in Erscheinung.

Merkmale wie die Farbe des Hintergrundes oder der Umrisslinie bestimmt man über das «Eigenschaften»-Fenster. In diesem gibt es auch die wichtige Option «Text umfliesst Rahmen»: Ist sie angekreuzt, «verdrängt» ein Rahmen den Textinhalt eines anderen Rahmens dort, wo sich die beiden Elemente überlappen. Stattet man einen Bildrahmen mit dieser Eigenschaft aus, erreicht man, dass der Text um das Bild herumläuft.

In der Bedienung ist Scribus zwar nicht selbsterklärend. Wer die grundlegenden Konzepte durchschaut oder sich durch die leider nur in Englisch vorhandenen Tutorials kämpft (http://docs.scribus.net), kommt innert nützlicher Frist zum Ziel.

Eingebautes Frühwarnsystem

Fertige Publikationen schickt man auf den Drucker oder wandelt sie in eine PDF-Datei um. Diese Funktion ist exzellent: Sie unterstützt den ISO-Standard PDF/X-3 und stellt sicher, dass eine Datei den Ansprüchen für eine qualitativ einwandfreie Druckausgabe genügt.

Die «Druckvorstufenüberprüfung» weist auf Ungereimtheiten hin und hilft dem Anwender, Probleme frühzeitig zu erkennen. Gelungen sind auch die Automatisierungsmöglichkeiten: Scribus lässt sich über Scripte steuern und erzeugt so beispielsweise im Handumdrehen einen massgeschneiderten Kalender oder eine Schriftenliste.

Scribus ist ein junges Projekt und nicht frei von Kinderkrankheiten: Das Programm arbeitet langsam und stürzt gelegentlich auch ab – daher sollte man seine Satzdatei häufig speichern. Kleineren Projekten ist Scribus aber bestens gewachsen. Ein gutes Einsatzgebiet sind optisch ansprechende Broschüren von einem oder zwei Dutzend Seiten, bildlastige Flug- und Mitteilungsblätter oder ähnliche Publikationen. Für grössere Publikationen ist eines der gängigen kommerziellen Layoutprogramme die bessere Wahl.

Zumindest vorerst noch. Wenn die Entwicklergemeinschaft weiterhin so gute Arbeit leistet, wird Scribus mittelfristig auch professionellen Ansprüchen gerecht.

Scribus ist gratis, läuft auf Windows XP und 2000, Mac OS X und Linux und ist rund 17,6 MB gross:
www.scribus.net

SCREEN TA

Das Zeitungsmachen wird mit Scribus zum Zuckerschlecken.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 21. August 2006

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