Rechnen für einen guten Zweck

Der Heimcomputer auf gemeinnütziger Mission: Anwender können nicht benötigte Rechenleistung der Forschung zur Verfügung stellen.

Von Matthias Schüssler

Forscher benötigen für ihre Projekte enorm viel Computerpower. Beispiel Medizin: Bei der Suche nach neuen Medikamenten besteht Bedarf nach gigantischer Rechenleistung. In Simulationen werden die potenziellen Wirkstoffe auf ihre Eignung getestet. Diese Berechnungen sind aufwändig, und es gilt, Millionen von Kandidaten unter die Lupe zu nehmen.

Gleichzeitig sind viele privat oder geschäftlich genutzte Computer nur zu einem Bruchteil ausgelastet: Die leistungsfähigen PCs in Büros oder Wohnstuben befinden sich die meiste Zeit im Leerlauf. Wenn der Anwender surft oder ein E-Mail schreibt, läuft der Prozessor auf Sparflamme. Nur kurzzeitig – beim Start eines Programms oder beim Öffnen eines Dokuments – dreht der Rechner voll auf. Das World Community Grid ist eine Initiative, die ungenutzte Rechenleistung für die Forschung zur Verfügung stellt. Beim so genannten Grid Computing wird eine Aufgabe per Internet auf Hunderte oder Tausende Computer verteilt. Über ein spezielles Programm erhält jeder beteiligte Computer – man spricht von Clients, also gewissermassen «Aussendienstmitarbeitern» – seine Aufgabe. Der Client löst sie und schickt sein Resultat zurück an den Server, der das Projekt überwacht.

Das World Community Grid ist eine Nonprofit-Organisation, sie wird unter anderem von den Vereinten Nationen und der Weltgesundheitsorganisation getragen. Der Computerkonzern IBM spendet die Hardware, die Software und das technische Knowhow. Forscher aus aller Welt können beim World Community Grid Rechenleistung beantragen. Im Moment arbeiten die Clients des World Community Grid am Projekt «Fight Aids @ home». Mit der gespendeten Rechenleistung werden Moleküle gesucht, die geeignet sind, ein Enzym des HI-Virus zu blockieren: Sie könnten die Replikation des Virus verhindern. Wenn ein Computer im globalen Rechenverband einen Anwärter findet, wird er im Labor synthetisiert und untersucht.

Um Rechenleistung seines eigenen Computers zu spenden, lädt man die Software des World Community Grid herunter. Nach der Installation meldet man sich mit seinem Benutzernamen an und überlässt das Programm sich selbst. Es ist so konzipiert, dass es die normale Arbeit des Computers nicht behindert. Das Programm lässt sich auch an den Bildschirmschoner koppeln, sodass der Computer nur dann karitativ tätig wird, wenn er keine andere Arbeit hat. Von Vorteil ist eine permanente Internetverbindung. Dann kann der Computer seine Resultate nach getaner Arbeit umgehend abliefern.

20 000 Jahre rechnen gegen Malaria

Das erste Projekt des World Community Grids war das Proteinfaltungsprojekt des Institute for Systems Biology, eines Nonprofit-Forschungsinstituts. Das Ziel war es, Proteine des menschlichen Proteom zu identifizieren, um Heilmittel für Krankheiten wie Malaria und Tuberkulose zu finden. Für dieses Projekt hätte ein einzelner Prozessor 20 000 Jahre nonstop rechnen müssen. Damit rangiert der World Community Grid unter den zehn schnellsten Superrechnern weltweit. Laut IBM-Sprecher Jochen Reinhardt würde das System auch hundertmal so viele Clients verkraften. Spenden sind somit jederzeit willkommen.

Download der Software (für Windows und Linux) und Informationen:
www.worldcommunitygrid.org

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PC vs. Virus: «FightAids@home» sucht neue HIV-Medikamente.

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1 Tag dauert eine Analyse eines Moleküls.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 28. November 2005

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