Skalierprogramme S-Spline Pro und Genuine Fractals 3.0

Wenn Bildermagier Pixel herbeizaubern

Lebensechte Vergrösserung von Fotos verspricht S-Spline Pro, und Genuine Fractals will komplette Unabhängigkeit von Bildauflösungen schaffen. Können diese Skalierprogramme Bilddetails hinzuerfinden, die im kleinformatigen Original fehlen?

MATTHIAS SCHÜSSLER Glücklich der Redaktor oder Gestalter, welcher eine Bildredaktion im Rücken hat, die das gewünschte Motiv in zahlreichen Datenbanken recherchieren kann, jedes Bild in guter Auflösung beibringt und gegebenenfalls einen Fotografen auf die Piste schickt. Wer sich selbst behelfen muss, sieht sich oft mit unzulänglichen Bilddaten konfrontiert. Ist man auf die Dienste nicht professioneller Bildlieferanten angewiesen oder bedient man sich aus dem Internet, brauchts starke Nerven. Die Bilder aus diesen Quellen genügen selten den Anforderungen für den Druck und bieten keine Reserven für die weitere Bearbeitung.

Zwei Produkte versprechen Entspannung für gestresste Bildjäger. Mit geheimnisvollen Techniken sollen diese Pixelmagier in der Lage sein, Bilder hochzurechnen. Aus einem kleinen briefmarkengrossen Bildchen machen sie einen Helgen im Grossformat, der sich problemlos drucken oder quer über die Webseite spannen lässt, so das Versprechen.

Photoshop bietet für die Grössenveränderung drei Methoden: die bilineare und die bikubische Interpolation und die simple Pixelwiederholung. Sie leisten nur innert enger Grenzen nützliche Dienste (s. Kasten rechts). Photoshop macht keine Anstrengungen, Strukturen zu erkennen und sie in vergrösserter Darstellung zu repräsentieren.

S-Spline Pro und Genuine Fractals sollen Bilder auf vierhundert, sechshundert oder gar tausend Prozent vergrössern und danach auch formatfüllend A4 oder grösser drucken, ohne dass bei Kanten die berüchtigten Sägezähne auftreten, JPEG-Artefakte oder Klötzchen zu sehen sind. Die magischen Vergrösserer strecken nicht einfach nur Pixel wie Photoshop, sondern passen sich den Motiven an. Wie die Algorithmen arbeiten, verraten die Hersteller nicht. Der holländische Hersteller Shortcut sagt, sein S-Spline sei selbsteinstellend, bei Genuine Fractals kommt, wie der Name verrät, ein fraktales Rechenmodell zum Einsatz.

Wie sies machen, ist geheim

Gemessen werden die Vergrösserer aber ohnehin an ihren Resultaten. Genuine Fractals ist ein Plugin für Bildbearbeitungsprogramme mit Photoshop-kompatibler Plugin-Architektur. S-Spline Pro existiert als eigenständige Anwendung und als Export-Plug-In für Photoshop. In S-Spline Pro öffnet man das Bild, wählt die Grösse des Endresultats, indem die absolute Pixelzahl oder die Grösse im Druck unter Berücksichtigung der gewünschten DPI-Zahl angegeben wird, und lässt die Software rechnen. Wer will, kann die Parameter anpassen. Aber da es einiges an Erfahrung mit der Software braucht, um beurteilen zu können, was die Optionen bewirken, wird man erst einmal mit den Standardwerten arbeiten.

In Genuine Fractals öffnet der Benutzer das Bild in Photoshop, speichert es als «GF PrintPro»-Format, schliesst es und öffnet die eben entstandene STN-Datei. Dabei erscheint ein Dialog, der die Definition der finalen Bildabmessungen erlaubt. Soll nur ein Ausschnitt hochgerechnet werden, dann kann dies ebenfalls in diesem Fenster eingerichtet werden.

Schon bei ersten Tests wird klar, dass die Software keine Details hinzuerfinden kann, wo keine sind. Gute Resultate bieten sowohl Genuine Fractals als auch S-Spline Pro nur dann, wenn das Ausgangsbild genügend Anhaltspunkte für die Arbeit liefert. Aus einem Webbildchen machen auch die beiden Programme kein hoch auflösendes Bild für den Posterdruck. Die Ausgangsbilder sollten von ordentlicher Qualität sein und es muss genügend Auflösung zur Verfügung stehen – wer Wunder erwartet, wird enttäuscht werden, selbst wenn der Hersteller von S-Spline schreibt: «Wir erwarten, dass Sie hohe Erwartungen in die Resultate haben, die Ihnen diese Software liefert.»

Nicht jedes Bild ist geeignet

Die Ausgangsbilder sollten sowohl in Höhe als auch Breite mindestens einige hundert Pixel mitbringen. Auch die Bildqualität muss stimmen; Unschärfen oder Verwackelungen sind weniger schlimm, aber JPEG-Artefakte und Bildrauschen werden sich im Resultat negativ bemerkbar machen. In unserem Test hat sich eine Vergrösserung um 500 Prozent als praktikabel erwiesen. Geht man darüber hinaus, erhält man ein Bild, das durchaus reproduktionsfähig ist, aber nicht durch besondere Schärfe brilliert.

Im direkten Vergleich liefern beide Programme solide Arbeit. Bei kleinen Strukturen wie den Verstrebungen unseres Beispielbildes arbeitet Genuine Fractals filigrane Strukturen feiner hervor und vermag die quadratische Natur der zugrunde liegenden Pixel besser zu kaschieren. Ausserdem rechnet Genuine Fractals deutlich schneller als der Konkurrent aus Holland: Wir haben keine Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt, aber der Vorteil ist markant. Genuine Fractals bietet die Möglichkeit, die Qualität zu Gunsten der Arbeitsgeschwindigkeit zu reduzieren. Wir empfehlen, darauf zu verzichten. Auf alle Fälle braucht es für beide Produkte einen schnellen Rechner oder einen sehr stabilen Geduldsfaden. S-Spline Pro benötigte rund 18 Minuten, um das 1200 mal 850 grosse Demobild auf 500 Prozent, also auf 6000 mal 4250 Pixel, zu bringen (unkomprimiert von 2,9 auf 73 MB Dateigrösse).

Nützlich, wenns um grosse Helgen geht

Beide Programme, S-Spline Pro und Genuine Fractals, sind durchaus nützlich, wenn ein Bild «zu gross» reproduziert werden soll. Sie bringen sichtbare Pixel-Effekte zum Verschwinden, sodass ein Bild allenfalls unscharf, aber nicht «aufgeblasen» erscheint. Sie können aber nicht bewirken, dass man sich künftig im Internet bedient und die Webbildchen per digitales Doping auf reproduktionsfähige Formate bringt.

S-Spline Pro, Win und Mac, 191 Franken bei http://www.tradeup.ch/. Genuine Fractals für 159 US$ (ca. 214 Franken) bei www.lizardtech.com/purchase.

S-Spline Pro fügt auf Wunsch auch künstliche Details ins Bild ein.

Genuine Fractals ist ein Photoshop-Plugin: Mehr als die gewünschte Endgrösse muss der Benutzer nicht angeben.

Das Testbild (das halb aufgebaute Riesenrad am Albanifest in Winterthur 2002) in Originalgrösse mit 250 dpi reproduziert.

Die beiden hochgerechneten Varianten, ebenfalls mit 250 dpi abgebildet. Links die Version von Genuine Fractals, die durch die feine Zeichnung bei den Leitersprossen überzeugt, rechts das von S-Spline Pro berechnete Bild.

Das Originalbild (links) wird für den Test auf einen Viertel der ursprünglichen Auflösung heruntergerechnet (rechts).

Die beiden Programme müssen die ursprüngliche Grösse wieder rekonstruieren. Links das Ergebnis von Genuine Fractals, rechts die von S-Spline Pro hochgerechnete Datei. Dieses Beispiel zeigt, dass die Arbeit mit niedrig aufgelösten Vorlagen tückisch ist.

Quelle: Publisher, Dienstag, 4. November 2003

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Thema: DTP
Nr: 5034
Ausgabe: 03-6
Anzahl Subthemen: 2

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