Einbruch bei Microsoft

Von Matthias Schüssler

Unbekannte Cracker seien in Microsofts Firmennetzwerk eingedrungen, berichtete das «Wall Street Journal» am vorletzten Freitag: Die Eindringlinge hätten während dreier Monate Zugriff auf den Programmcode von Windows und Office gehabt, Firmengeheimnisse an Empfänger in Russland gemailt und eventuell auch zukünftige Software-Projekte manipuliert. Die verdutzte Öffentlichkeit reibt sich die Augen: Fort Knox geknackt, von Banditen, die sage und schreibe drei Monate Zeit haben, die Goldschätze davonzutragen?

Microsoft-Chef Steve Ballmer wiegelt ab: «Es ist kaum Schaden entstanden!» Die Einbrecher hätten nur zwölf Tage Zugriff auf Microsofts Netz gehabt. Sie seien dabei überwacht worden und hätten keinen Quelltext herunterladen können.

Was genau ist passiert? Die Öffentlichkeit wird es nicht erfahren – ausser, die russischen Cracker waren erfolgreich und machen Office und Windows gegen Microsofts Willen zu Open-Source-Projekten.

Vermutlich wird dieses für Microsoft verheerende Szenario nicht eintreffen. Trotzdem ist der Imageschaden riesig. In diesen Wochen ist Microsoft im Begriff, den jüngsten Windows-Spross zu lancieren: den Enterprise-Server. Ihn sollen die Unternehmen kaufen, um auf dieser Plattform ihre Geschäftsdaten zu speichern und Transaktionen abzuwickeln. Doch werden Unternehmen ihre wertvollen Daten einer Firma anvertrauen, die so sorglos mit der Sicherheit umgeht? Ein pikantes Detail aus der FBI-Akte «Microsoft»: Die Eindringlinge haben sich mit dem trojanischen Pferd Win32/QAZ Zugang verschafft. Gängige Virenscanner erkennen ihn seit mehr als drei Monaten. Was bedeutet, dass mancher Heim-PC besser geschützt ist als Microsofts Intranet.

Gross ist die Beunruhigung auch im US-Verteidigungsministerium. Ex-Hacker Kevin Mitnick hingegen wusste es schon immer: «Man könnte meinen, dass diese Leute daraus lernen werden, doch sie tun es nicht.»

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 6. November 2000

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