Viele verborgene Perlen harren der Entdeckung

Acrobat 4 besitzt viele neue Funktionen – und einige sind ganz gut versteckt. Wir zeigen, wie man die verborgenen Perlen nutzt.

Formatierten Text kopieren

PDF ist noch immer eine Einbahnstrasse: Was einmal so abgelegt ist, muss mit viel Handarbeit aus der portablen Datei raus«gfätterlet» werden. Adobe hat die Bedürfnisse der Benutzer erkannt und nachgebessert, alle Wünsche gehen (noch) nicht in Erfüllung: Text kann auch mit Acrobat 4 nicht so einfach wie aus PageMaker exportiert werden. InDesign wird das Öffnen von PDF-Dateien zwar ermöglichen, die weitere Bearbeitbarkeit ist eingeschränkt: InDesign zerlegt den Fliesstext in viele Bruchstücke, wobei jede Zeile einen eigenen Textrahmen darstellt – kaum zu editieren!

  • Textauswahl-Werkzeug: Dieses kennt man bereits aus früheren Acrobat-Versionen – es wählt allen Text auf der ganzen Seitenbreite. Falls der Text mehrspaltig gesetzt wird, ist das Resultat chaotisch, da Acrobat horizontal auf gleicher Höhe liegende Zeilen aus verschiedenen Spalten aneinanderreiht.
  • Spaltenauswahl-Werkzeug: Es erlaubt, mittels eines Auswahlwerkzeugs rechteckige Markierungen aufzuziehen und so einzelne Spalten auszuwählen. Dieses Werkzeug war in Acrobat 3 nicht explizit vorhanden. Das Textauswahl-Werkzeug funktionierte aber analog, wenn man beim Benützen die Ctrl-Taste gedrückt hielt.
  • Grafikauswahl-Werkzeug: Damit wird ein Bitmap des ausgewählten Bereichs erstellt. Dieses Werkzeug ist schon in Acrobat 3 zu finden.
  • Auswahlwerkzeug für Tabelle/formatierter Text: Dieses Werkzeug ist neu hinzugekommen und enthält mehr «Intelligenz»: Die Formatierung eines Textes wird akkurat übernommen. Was aber noch wichtiger ist: Acrobat entfernt Zeilenumbrüche und Silbentrennungszeichen mehr oder minder erfolgreich aus Text, bevor es ihn in die Zwischenablage überträgt. Dies hatte der Benutzer jeweils manuell erledigen müssen, wenn er Text aus einem PDF weiterverwenden wollte. Die Funktion geht auch recht virtuos mit Tabellen um und stellt sie in einem Format in die Zwischenablage, das sich leicht in einer Tabellenkalkulation oder in einem PageMaker-Layout verwenden lässt.

Distiller-Einstellungen weitergeben

Neu verfügt der Distiller über die Möglichkeit, seine Einstellungen in Dateien zu speichern, sodass häufig verwendete Kombinationen nicht nur stets auf Knopfdruck aktiviert, sondern auch an andere «Stationen» im Arbeitsfluss weitergegeben werden können.

Die Dateien mit den Distiller-Einstellungen tragen die Endung *.joboptions und befinden sich im Verzeichnis ..\Acrobat4\Distillr\Settings.

Haben Sie also eine solche «Distiller-Einstellungsdatei» angelegt («Speichern unter» im Dialog Voreinstellungen – Einstellungen), können Sie diese einfach per Mail oder Diskette Ihren Partnern zur Verfügung stellen. Ausserdem können Sie die Standard-Sets von Adobe umbenennen – beispielsweise können Sie «KompriOptimiert» in «Für Druck optimierte Kompression» nennen, oder ähnlich.

Adobe liefert die Standard-Einstellungen schreibgeschützt aus. Wenn Sie Ihre Dateien im Explorer mit Schreibschutz versehen, dann können Sie damit wirkungsvoll verhindern, dass Parameter versehentlich verändert werden.

Leider benützt das Plug-in «PDF-Export» von PageMaker 6.5 ein anderes Format, um seine Einstellungen zu speichern. Es ist also nicht möglich, im Distiller die gleichen Einstellungen zu verwenden. Sie müssen, so ärgerlich das auch sein mag, diese erneut anlegen.

PDF-Format als Importbehelf

Viele «Druckvorstüfler» können ein Klagelied davon singen: Häufig werden Ausgangsdaten, welche in eine Publikation einzufliessen haben, in Office-Formaten geliefert. Bei Texten ist das halbwegs erträglich; PageMaker verfügt schliesslich über gute Importfilter und zur Not können die Texte auch über die Zwischenablage in die Satzdatei übernommen werden. Schwieriger wirds bei Grafiken: Was einmal in Word, Excel oder Powerpoint steckt, lässt sich so leicht nicht in ein Format kriegen, das sich farbseparieren und positionieren lässt. Der einfachste Weg führt da oft über einen Screenshot – doch das ist qualitativ meist nicht befriedigend.

Nun verfügt Acrobat in der neuesten Version über gute Exportfunktionen für Office-Dokumente. Diese lassen sich per Drag-und-Drop ohne weiteres Zutun in PDF-Dokumente umwandeln. Eine Funktion, die eigentlich für die Office-Benützer gedacht ist. Doch das hindert uns nicht daran, sie für einen cleveren Exportbehelf zu benützen: Hat man nämlich das Word-Dokument, die Powerpoint-Folie oder das Excel-Diagramm erst mal als PDF vorliegen, ist das weitere Vorgehen recht einfach: Genügt eine Schwarzweiss-Wiedergabe des Dokuments, kann man es mittels PageMaker-PDF-Import-Plug-in in die Satzdatei stellen. Soll die Grafik jedoch separiert werden, ist eine weitere Zwischenstation fällig: Illustrator. Damit lassen sich PDF-Dateien leicht öffnen und weiterbearbeiten.

Illustrator sorgt für CMYK

Der wichtigste Schritt in Illustrator ist, sämtliche Farben, von den Office-Programmen naiverweise als RGB definiert, in CMYK umzuwandeln. Dazu markieren Sie alle Elemente (Bearbeiten – alles auswählen oder Ctrl-A) und wandeln die Farben um: Filter – Farben – «In CMYK konvertieren». Nun können Sie selbstverständlich die Grafik nach Belieben verändern und von dem bekannten «Office-Standard-Look» in eine individuellere Erscheinung überführen.

Übrigens: Natürlich lassen sich via PDF auch Webseiten «einfangen» und in platzierbare EPS-Grafiken umwandeln. Praktisch, falls eine Seite viel Typo enthält, welche als pixeliger Screenshot nur schlecht lesbar wäre. Benützen Sie dazu die neue Web-Capture-Funktion von Acrobat 4.

Schriften von Anfang an ersetzen

Das abschliessende Vorgehen ist dann noch blosse Routine: als EPS speichern und positionieren.

Ein wichtiger Tipp in diesem Zusammenhang: Falls bei der Erstellung des Office-Dokuments TrueType-Schriften zum Einsatz kamen, ersetzen Sie die Schriften am besten schon innerhalb der Office-Anwendung, bevor Sie das PDF erstellen. Häufig entstehen in den Umwandlungsprozessen von Druck-PostScript zu PDF und weiter zu Illustrator-EPS aus zusammenhängenden Texten einzelne Textelemente, die sich kaum mehr sinnvoll bearbeiten lassen. Weist man dann den Textelementen eine andere Schrift zu, entstehen aufgrund unterschiedlicher Laufweiten der Lettern hässliche Lücken oder Buchstabenüberlappungen.

Auch empfiehlt es sich, überflüssige Elemente wie unpassend verwendete Clip-Arts (z.B. in Powerpoint-Präsentationen) vor dem Export zu löschen.

Stapelweise PDF-Dateien bearbeiten

Eine recht unscheinbare Funktion von Acrobat 4 wird gerade bei grösseren PDF-Projekten schnell unabdingbar werden: die «Stapelverarbeitung», zu finden im Dateimenü.

Diese erlaubt es, diverse Vorgänge auf eine beliebige Anzahl von PDF-Dateien anzuwenden. Gerade Aufgaben, die man typischerweise am Schluss eines PDF- oder Web-Projekts durchführt und bei dieser Gelegenheit gleich auf eine theoretisch unbeschränkte Anzahl von Dokumenten anwenden muss, fallen darunter: «Daumennägel»-Bildchen erzeugen, im optimierten Dateiformat speichern, Sicherheits-Kennwörter oder das Passwort zum Öffnen des Dokuemts zuweisen und die Einstellungen setzen, welche zum Öffnen und Anzeigen des Dokuments verwendet werden. Da erspart Adobe dem armen Screen-Designer einen Haufen monotoner Wiederholungsarbeit!

Web-Capture-Tricks

Eine der stärksten Funktionen von Acrobat 4 heisst «Web Capture» und wandelt HTML-Seiten in PDFs um, wobei auch Links und Formulare nicht «verschont» werden. So lassen sich Webseiten leicht archivieren, besser ausdrucken oder der Homogenität zuliebe in eine PDF-Struktur integrieren.

Beachten Sie beim Benützen der Web-Capture-Plug-ins den Cursor: Er verrät, was Acrobat beim Klick auf einen Link tun wird:

  • Plus-Mauszeiger: Beim Klick wird Acrobat die nachfolgende Seiten herunterladen und ans PDF anhängen. Falls der Link schon im Dokument enthalten ist, wird die normale Hand angezeigt: Ein Klick auf den Link öffnet die verlinkte Seite.
  • Seiten-Mauszeiger: Falls die Ctrl-Taste gedrückt ist, erscheint der Seiten-Mauszeiger. Klicken Sie nun, wird Acrobat den Link in einer neuen PDF-Datei «einfangen».
  • Web-Mauszeiger: Halten Sie beim Navigieren mit der Maus die Shift-Taste gedrückt, erscheint der «W»-Mauszeiger: Ein Klick öffnet den entsprechenden Link im Web-Browser.

In der Menüleiste finden Sie unter Werkzeuge – «Web-Verknüpfungen» und «Web Capture» weitere nützliche Funktionen für die Verarbeitung von Internet-Sites. Sie können da externe Links zu weiteren Webservern verfolgen und gezielt gewünschte HTML-Seiten ins Dokument integrieren lassen. Sie können die Links zu externen HTML-Seiten entfernen, falls ein Weiterverfolgen der Referenzen unerwünscht ist. Auch können Seiten aktualisiert werden.

Die richtigen Einstellungen wählen

Wählen Sie vor dem Web Capture-Vorgang die richtigen Einstellungen für das Projekt: Datei – Web-Seite öffnen. Hier können Sie die Tiefe angeben, mit der die Links verfolgt werden sollen, dafür sorgen, dass nur untergeordnete Seiten gescannt werden («Nur Seiten im selben Pfad laden») und andere Server ausschliessen. Unter den «Konvertierungseinstellungen» geben Sie weitere Optionen an. Beispielsweise, was mit Schriften passiert, wann Lesezeichen erstellt werden sollen etc.

Ausserdem können Sie unter «Seitenlayout» die Masse des PDF-Dokuments bestimmen – ganz im Gegensatz zu dem dynamisch umbrochenen Format HTML wird das PDF eine starre Seitenstruktur aufweisen. Unter Seitengrösse ist ein europäisches Format zu wählen, da Acrobat «US-Brief» voreingestellt hat.

Selbstverständlich können Sie Web-Links wie normale Links mit dem Verknüpfungswerkzeug bearbeiten und verändern.

Aufgewertete Formulare

Fürs Design von Formularen wird sich das neue Formularaster hilfreich bemerkbar machen. Dieses machen Sie über den Menübefehl Anzeige – «Formularraster einblenden» sichtbar. Im gleichen Menü befindet sich der Befehl «Am Formularraster ausrichten», mit dem nun endlich die Felder einfach dazu gebracht werden können, wie frisch gedrillte Rekruten der Schweizer Armee in Reih und Glied zu stehen. Auch stehen neu die aus diversen Programmen bekannten Ausrichtungsbefehle wie «Felder ausrichten», «verteilen», «zentrieren» und «Grösse angleichen» zur Verfügung (Werkzeuge – Formulare – Felder). Etwas ungewohnt ist, dass es nicht möglich ist, mit dem «Formular-Werkzeug» einen Markierungsrahmen aufzuziehen, um mehrere Formularfelder auszuwählen – auf diese Weise werden ja neue Formularfelder erstellt. Um mehrere Felder zu wählen, halten Sie die Umschalttaste gedrückt und klicken Sie die Felder einzeln an. Schön ist, dass Acrobat die Felder farblich markiert: In Rot das «Master»-Feld, welches als Erstes markiert wurde, in Blau alle anderen. Acrobat wird Lage, Position und Grösse der blau markierten Felder an das rote anpassen, was dank der Farbgebung transparent ist.

Matthias Schüssler

Quelle: Publisher, Dienstag, 1. Juni 1999

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Thema: Adobe Acrobat 4
Nr: 344
Ausgabe: 99-3
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