Acrobat 4: Turbulenter Start und einige Macken

Acrobat in der vierten Version ist nun seit einiger Zeit auf dem Markt und unseren Festplatten und hatte somit Gelegenheit, sich zu bewähren und auch erste Schwächen zu zeigen. Ein erster Erfahrungsbericht.

In der Schweiz hat Adobe den offiziellen Startschuss für Acrobat 4 am vierten März abgefeuert. Die Vorstellung des neuen Produkts machte den Vertretern des Softwarehauses sichtlich Spass, auch wenn es neben all den spannenden Produkten wie dem neuen und viel versprechenden Layoutprogramm «InDesign», dem Profi-Webgestaltungsprogramm «GoLive» und dem Software-RIP «PressReady» fast nur als «ferner lief» vorgestellt wurde. Das grosse Selbstvertrauen der Präsentatoren war gerechtfertigt, konnten sie doch ein Update mit vielen sinnvollen Funktionen präsentieren.

Mac: Funktionen fehlen

Dennoch war die Einführung von Acrobat 4 keine rundum geglückte Sache. Bei Mac-Anwendern wollte keine rechte Freude an dem neuen Produkt aufkommen, denn sie müssen vorerst auf viele Funktionen verzichten: Web Capture, die digitale Unterschrift und weitere der 4.0-Funktionen fehlen in der Mac-Version. Nach der Intervention enttäuschter Mac-Fans gab Adobe-Gründer John Warnock höchstselbst bekannt, entsprechende Plug-ins würden für den Mac nachgeliefert. Adobe bemühte sich, nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, die Macintosh-Plattform würde irgendwie stiefmütterlich behandelt, und liess in einem Newsletter verlauten: «Bei Web Capture, der digitalen Signatur und dem Dateivergleich handelt es sich teilweise um lizenzierte Technologie, die zunächst nur für die Windows-Plattform entwickelt worden war und nun von Adobe portiert werden muss.»

Die Plug-ins sind noch nicht verfügbar; werden aber selbstverständlich gleich nach dem Erscheinen in unserem Downloadbereich erhältlich sein.

Keine frei verfügbare Volltextsuche mehr?

Zum Zweiten sorgte für Aufregung, dass der neue Reader nicht mehr mit dem Plug-in «Search» für die Volltextsuche ausgestattet ist. Eine einschneidende Änderung, welche die neue Version für viele Einsatzbereiche schlicht unbrauchbar macht: Viele CDs, die Dokumente im PDF-Format anbieten (auch die publisher-Jahres-CDs), offerieren als Kernfunktion die Suche nach beliebigen Worten oder Textstellen. Kann jedoch das Suchwerkzeug nicht mehr mitgeliefert werden, wäre das ein Affront gegenüber allen Adobe-Kunden, welche diese Funktion in ihren Produkten verwenden.

Glücklicherweise hatte Adobe ein Einsehen und vermeldet inzwischen auf Anfrage, mit dem Volltext-Werkzeug für den Reader 4 könne bis Mitte Juli gerechnet werden. Trotz der Entwarnung in Sachen Volltextsuche findet Stephan Jaeggi deutliche Worte in seinem Newsletter «PDF-Aktuell» von Anfang Monat zum Vorgehen von Adobe: «Was mir allerdings unbegreiflich ist, warum Adobe die Anwender immer wieder mit solchen Spielchen verunsichert. Man hätte die Funktion ja direkt mit auf die Acrobat-CD bringen können (denn schliesslich ist sie im Vollprogramm ja auch dabei). Oder, falls es technische Gründe für eine Verzögerung gibt, dann hätte Adobe dies offen kommunizieren sollen. Sonst wird nur unnötig böses Blut erzeugt und die Anwender werden verunsichert resp. wichtige Projekte durch dieses Taktieren gefährdet.»

Reader: direkt von CD ausführbar

Mit der von Jaeggi angesprochenen «Reader»-CD-ROM darf ebenfalls Mitte oder Ende Juli gerechnet werden. Sie wird neben der Search-Funktion auch ein asiatisches Font-Pack enthalten, welches es möglich macht, PDFs in Japanisch, Koreanisch oder Chinesisch auf westlichen Systemen einzusehen.

Als grosses Highlight wird die CD jedoch eine Version des Reader enthalten, die sich direkt von der CD-ROM ausführen lässt. Somit wird es nicht erst eine Installation brauchen, bevor PDF-Dokumentationen benützt werden können, was es CD-ROM-Produzenten ermöglicht, ihre Produkte benutzerfreundlicher und leichter zugänglich zu gestalten.

No Acrobat is perfect

Angesichts der diversen grossen Projekte, an denen die Adobe-Entwickler mit Hochdruck arbeiten, ist Acrobat 4 recht stabil geraten. Dennoch sind uns bei unseren Praxiseinsätzen mehrere Fehler begegnet, die zum Teil bloss lästig sind, zum Teil aber den Praxiswert des Pakets recht schmälern.

Pixelbilder mit Freistellpfaden behagen dem Distiller nicht

Insbesondere der Distiller produziert unter bestimmten Umständen ungewollte Resultate oder gar Abstürze. TIFF-Bilder mit eingebetteten Freistellpfaden gehören dazu. Die Ausgangslage: In unserer PageMaker-Datei haben wir ein Photoshop-TIFF mit eingebettetem Freistellpfad positioniert, welches via PDF-Exportfilter ins Acrobat-Format übergeführt werden soll. Teilweise stürzte bereits PageMaker beim Exportieren ab, zum Teil verweigerte der Distiller die Arbeit mit irreführenden Fehlermeldungen wie «error: invalidfont» die Arbeit.

Erste Experimente ergaben, dass die Datei korrekt umgewandelt wird, wenn mit Photoshop der Freistellpfad gelöscht wird. Wir haben weiter festgestellt, dass dieser Fehler vor allem dann auftritt, wenn wir mit den Einstellungen «KompriOptimiert» arbeitet (die deutsche Übersetzung soll wohl andeuten, dass mit Kompression dennoch ein «optimales» Resultat erzielt wird – die englische Variante «press optimized» hat uns allerdings besser gefallen).

Die oben als falsch bemängelte Fehlermeldung hat uns dann dennoch auf die richtige Spur geführt, wie man den Fehler umgehen kann: Ändern Sie in den Einstellungen zu «KompriOptimiert» wie folgt: Menü Voreinstellungen – Einstellungen. Nun wählen Sie den Reiter «Schriften» und ändern das Verhalten unter «Wenn Einbettung fehlschlägt» von «Abbrechen» in «Warnen und weiter» oder «Ignorieren» (erstaunlicherweise erfolgt in keinem Fall eine Warnung!).

Graustufenbilder bleiben, wie sie sind

Ein zweites Distiller-Problem: Graustufenbilder werden nicht heruntergerechnet, sondern erscheinen stets in der Originalgrösse im PDF, gleichgültig, welche Optionen unter Einstellungen – Komprimierung – «Graustufen-Bitmap-Bilder» auch verwendet werden.

Wir haben einige Tüfteleien angestellt, um eine Lösung für dieses Problem zu finden und wurden mit Hilfe der Adobe-Hotline auch fündig: Speichern Sie Ihr Bild nicht im TIFF- sondern im Photoshop-EPS-Format (Kodierung ASCII) – damit klappt das Herunterrechnen. Oder, falls Sie Acrobat 3 noch nicht deinstalliert haben: Behalten Sie die Vorgängerversion und benützen Sie sie, wann immer Graustufenbilder mit im Spiel sind. Zumindest bis Adobe eine Lösung anbietet, die mit TIFFs funktioniert.

TrueType-Fonts: noch immer problematisch

Obgleich Adobe als neues Features zu Acrobat 4 einen verbesserten Umgang mit TrueType-Schriften genannt hat, können wir nach wie vor nur davon abraten, diese Art Fonts einzusetzen. Unsere Tests ergaben Probleme beim Drucken; während Buchstaben meist korrekt gedruckt wurden, erschienen Satz- und Sonderzeichen häufig als Kästchen. Damit bleibt es bei der alten Regel: TrueType-Schriften haben im professionellen Publishing nichts verloren! Falls Sie auf TrueType-Schriften nicht verzichten können, empfehlen wir Ihnen aufgrund vieler eigener leidvoller Erfahrungen, die Schriften vom TrueType- ins Type1-Format zu konvertieren. Dabei hilft Ihnen beispielsweise Macromedia Fontographer, der für Windows und Mac erhältlich ist, oder, nur für Windows, Type-Designer. Dieses Programm haben wir Ihnen bereits in Publisher 94/3 vorgestellt; es erfüllt den erwähnten Zweck aber nach wie vor tadellos.

Matthias Schüssler

Quelle: Publisher, Dienstag, 1. Juni 1999

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Thema: Adobe Acrobat 4
Nr: 343
Ausgabe: 99-3
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