Nur nicht die Kurve kratzen!

Vektorformate sind vielen Gestaltern ein wenig suspekt – sogar professionellen. So lassen sie in unbegründetem Misstrauen die Finger von diesen Bilddateien, welche das Sujet mit geometrischen Kurven beschreiben und sich eigentlich hervorragend für Illustrationen eignen.

Von Matthias Schüssler. Der schlechte Ruf, den Vektorformate haben, ist allerdings nicht ganz unbegründet. Der Datenaustausch ist oftmals nicht nur mühsam, sondern nur mit ausgekochten Tricks möglich. Anders als bei Pixelgrafiken gibt es keinen Standard. Bei den fotorealistischen Motiven ist das TIFF-Format gebräuchlich: Es lässt sich über Systemgrenzen hinweg austauschen und ist voll editierbar.

Hürde 1: Datenaustausch

Nicht so Vektorgrafiken: Es gibt zwar den Standard PostScript, genauer EPS (Encapsulated Postscript oder gekapseltes PostScript). Dieser eignet sich zwar zum Weiterreichen von fertigen Illustrationen, doch wenn mit der Grafik gearbeitet werden soll, ist oft Endstation. Das liegt daran, dass es für die Beschreibung der geometrischen Objekte – und darum handelt es sich im wesentlichen bei Vektorgrafiken – kein einheitliches Format gibt. Jedes Programm fährt hier ein Sonderzüglein, und obwohl meist Importfilter vorliegen, sind die Resultate von Datenübernahmen meist äusserst ernüchternd. Beispiel Illustrator: Der Versuch, eine Corel-Datei zu lesen, ist zwar nicht völlig aussichtslos. Doch viele Corel-Objekte weiss Illustrator nur unzulänglich zu deuten. Viele der coolen Corel-Effekte sind böhmische Dörfer für das Programm mit der Venus. Mengentextimport? Eine bare Katastrophe!

Um diese Klippen zu bewältigen, braucht es sehr viel Fachwissen – und dieses kann mit einer neuen Programmversion schon wieder überholt sein!

Hürde 2: Verwendung

Doch auch im täglichen Gebrauch sind die Vektorformate nicht unproblematisch. Hat man den Export in ein austauschbares Format glücklich bewältigt (die beiden Profiprogramme Adobe Illustrator und Macromedia FreeHand leisten hier die beste Arbeit), so geht die Verwirrung beim Einsatz der Illustration weiter: Im Layout erscheinen die Grafiken nicht so, wie im Druck: Lediglich eine schäbig wirkende, verpixelte Vorschau tritt in Erscheinung. Und da es ein Pixelpreview ist, was das Layout- oder Textprogramm angezeigt, bleibt der Hintergrund auch da rechteckig ausgespart, wo er transparent erscheinen sollte.

Hürde 3: Internet

Auch im Internet ist Schluss mit der Vektorpracht. Es gibt zwar Vektorformate im WWW, aber mangels eines Standards sind das alles proprietäre Insellösungen. Erst ein Browser-Plug-In rückt die Kurven ins rechte Licht. Ein standardisiertes Vektorformat fürs Internet ist angekündigt, aber es dürften noch einige Monate ins Land ziehen, bis dieses den Cyperspace durchdrungen hat.

Klar – die Illustrationen lasssen sich in Pixelbilder umwandeln, doch dabei legen sie meist gewaltig an Gewicht zu und können den ungeduldigen Surfern nicht zugemutet werden.

Unbestreitbare Vorteile

Doch sind die Hürden genommen, findet sich in den Vektorformaten eine ideale Form der digitalen Repräsentation illustrativer Grafiken. Sie sind meist sehr viel kompakter als Pendants in pixeliger Form, leichter abzuändern (Farben, Formen, Texte oder Zahlen!), verlustfrei skalierbar und bei «artgerechter» Verwendung den Bitmaps weit überlegen.

Quelle: M+K Computer-Markt, Samstag, 1. August 1998

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Thema: Vektorgrafik
Nr: 243
Ausgabe: 98-8
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