Bei Niederneunforn (TG): «Pro Thur» zeigt Weg auf, wie das bedrohte Auengebiet «Schäffäuli» geschützt werden könnte

Mehr Freiraum für die Thur

Das Gebiet «Schäffäuli», bei Niederneunforn-Fahrhof gelegen, wird im Aueninventar des Bundes als schützenswerte Landschaft bezeichnet. Das Gebiet gewährt einer reichen Pflanzen- und Tierwelt Lebensraum – unter anderem leben 22 Fischarten und diverse gefährdete Wasserpflanzenarten im «Schäffäuli». Die Arbeitsgemeinschaft «Pro Thur» legte an einer Begehung dar, wie die Auenlandschaft an der Thur langfristig geschützt und der Thur eine grossräumigere Entfaltung zugestanden werden könnte.

(msc) Auch der Experte, der die Revitalisierung der Thur seit zehn Jahren begleitet, zeigte sich verblüfft über die Geschwindigkeit, mit der sich der Fluss verändert. Vor sechs Jahren wurden die baulichen Massnahmen zwischen Thalheim und Gütighausen abgeschlossen und bereits habe die Thur in diesem Abschnitt ein typisch auenartiges Aussehen, sagte Hans-Ulrich Weber am «Pro Thur»-Anlass. Der Landschaftsarchitekt war schon Ende der achtziger Jahre für die ökologische Begleitplanung der Thursanierung zuständig, und erläuterte die damals realisierte Sanierung. Die Flussachse sei um etwa zehn Meter Richtung Niederneunforn verschoben worden und durch Uferabtragungen habe sich der Flusslauf um etwa zwanzig Meter verbreitert, sagte Weber. Die Auswirkungen sind indes erstaunlich: Im einst geraden, kanalisierten Thurlauf sind wandernde, sich ständig verändernde Kiesablagerungen entstanden.

«Megagerinne»

Das «Schäffäuli» ist Teil einer grösseren Ebene, die nicht durch einen Damm von der Thur und deren Hochwasser abgetrennt. Das Gebiet bietet wichtige Rückzugs-, Lebens- und Fortpflanzungsräume für verschiedene Spezies. Die Aktivitäten des Bibers waren auf der Begehung augenfällig; es wurden aber auch 34 Brutvogelarten, darunter der Eisvogel, der Pirol und die Waldschnepfe gezählt.

Doch das 29 Hektar grosse Auengebiet ist gefährdet: Mit der Vorlandabsenkung auf Zürcher Seite hat sich die Überflutungshäufigkeit in der Thurgauer Auenfläche reduziert. Für das Überleben des «Schäffäuli» ist es jedoch nötig, dass die Flächen mehrmals im Jahr während mehrerer Tage überschwemmt wird. Dieses «Überflutungsregime» ist einer von drei Punkten, welche die Umgestaltung des Thurhangs sicherstellen soll. Als zweitem Punkt muss dem Geschiebehaushalt Rechnung getragen werden, «und natürlich ist die Sicherheit des Damms auf Zürcher Seite absolut zentral», betonte Weber. Die Forderung nach Revitalisierung und der Schutz vor Hochwasser müssen gemäss dem Eidgenössischen Wasserwirtschaftsgesetz eine Einheit bilden.

Der nun vorliegende Entwurf einer Expertengruppe sieht vor, auf der Thur auch auf der Thurgauer Seite mehr Raum zuzugestehen. «Unsere Idee ist eine, wie wir es nennen, ‹Megagerinne› von 80 Meter Breite», nennt Weber die Massnahmen unter dem Stichwort «Auendynamisierung».

Überzeugungsarbeit notwendig

Doch um das Projekt zu realisieren, müssen die Thurschützer noch ein grosses Stück an Überzeugungsarbeit leisten. Durch die Massnahmen wäre im Wald einige Flächen nicht mehr zu nutzen, ausserdem würden die Wiesen entlang der Thur zugunsten der Korrektur abgetreten. Doch im Gegensatz zum Kanton Zürich besitzt der Kanton Thurgau kein Land bei der Thur; das private Grundeigentum geht bis ans Thurufer. Die Neunforner Bauern sind jedoch auf das Land angewiesen, «und viele Landbesitzer haben vor 50 Jahren noch eigenhändig das Thurvorland kultivierbar gemacht», sagte Weber. Der Kanton bemüht sich in Zusammenarbeit mit dem Bund und dem Fonds «Landschaft Schweiz» um den Kauf der Aue oder zumindest um einen Dienstbarkeitsvertrag mit der Ortsbürgergemeinde Neunforn.

Im Anschluss an die Begehung fand in Ossingen die Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft «Pro Thur» statt. «Pro Thur» erhielt übrigens 1992 den Schweizer Heimatschutzpreis «für unermüdlichen Einsatz für Landschaft und Lebensraum» – doch auf diesen Lorbeeren ausruhen will man sich erwiesenermassen nicht.

Quelle: Der Landbote, Montag, 18. November 1996

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Thema: Thurrevitalisierung
Nr: 109
Ausgabe: 96-268
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