Berg am Irchel: Existenz des Ladens soll weiter gesichert bleiben mittels zwei zusätzlichen Steuerprozenten

Dorfladen ja – sparen bei Zivilgemeinde

Eine finanzielle Standortbestimmung war in Berg am Irchel nötig geworden, nachdem durch den Wegzug des Millionärs Gerrit van Riemsdijk auch rund 53 Prozent der Steuereinnahmen weg waren. Doch selbst angesichts der neuen Finanzlage bestätigte die Gemeindeversammlung einen früheren Entscheid, durch den Kauf des Ladenlokals die Weiterexistenz des Dorfladens zu sichern – mit zwei zusätzlichen Steuerprozenten. Den Zivilgemeinden Berg und Gräslikon wird der Waldstrassen-Beitrag gestrichen.

(msc) Mehr als hundert Stimmberechtigte haben sich vergangenen Freitag zur Gemeindeversammlung im Landihaus eingefunden. Unter dem ersten Traktandum wurde über die Verschlechterung der Finanzlage der Gemeinde orientiert, die durch den kürzlich erfolgten Wegzug des Millionärs Gerrit van Riemsdijk entstanden war. «Wir stürzen keinesfalls ins finanzielle Chaos ab», stellte Finanzvorstand Heinz Breiter richtig, «das Auffangnetz des Kantons bietet genügend Schutz». Trotzdem – ohne Riemsdijks Steuergelder fällt Bergs Steuerkraft von 2840 Franken (vergleichbar mit der Zürichs) am Kantonsmittel von 2300 Franken vorbei auf 1400 Franken zusammen – was dem Durchschnitt im Bezirk Andelfingen entspricht, wie Breiter betont. Doch durch die plötzliche Veränderung ergeben sich Probleme: Steuerkraftausgleich, auf den Berg nun Anrecht hätte, wird vom Kanton aufgrund von Vorjahreszahlen erteilt. Berg wird erst 1994 Bezüger der ausgabenunabhängigen Gelder werden. Noch schlechter sieht es mit Investitionsbeiträgen aus: Das Finanzausgleichsgesetz verlangt, dass die letzten drei Jahre berücksichtigt werden. Sobald Subventionen erhält die Gemeinde erst ab 1996.

Dagegen kann Berg Steuerfussausgleich von voraussichtlich rund 935 000 Franken in Anspruch nehmen, wobei die Höhe des Betrages nicht abgesichert ist, da der kantonale Totalbetrag an alle Gemeinden bedrohlich nahe beim gesetzlichen Limit ist. Doch der Kanton redet mit: Die Holzschnitzelheizung, gedacht als Beitrag zum gesunden Irchelwald, muss kostendeckend arbeiten, was in den Jahren mit der Vollendung des Fernwärmenetzes erreicht werden sollte.

Bis dahin müssen jedoch Verluste vorgetragen werden. Die Gemeindewohnungen müssen zu marktüblichen Konditionen vermietet werden, was jedoch gewährleistet ist, wie Breiter sagt. Daneben wehrte sich der Gemeinderat gegen den Vorwurf, in den neun «fetten Jahren» verschwenderisch gelebt zu haben. Der Finanzvorstand: «Es wäre doch komisch gewesen, wenn wir als dazumal reiche Gemeinde unsere Infrastruktur nicht verbessert hätten, während die umliegenden Gemeinden mit Kantonsgeldern grosse Bauten gemacht haben.»

Die Gemeindeversammlung genehmigte den Voranschlag 1993, der bei 2 092 950 Franken Aufwand und 2 066 550 Franken Ertrag einen Aufwandüberschuss von 26 400 Franken ausweist, ohne Gegenstimme. Überdies stellte der Gemeinderat den Kredit von 317 000 Franken für den Kauf des Ladenlokals, der im Sommer bewilligt worden war, nochmals zur Diskussion.

Zwei zusätzliche Prozente.

Der Kanton, der wegen des Steuerfussausgleichs ein Mitspracherecht erhält, ist der Meinung, Dorfläden müssten selbsttragend sein. Die Bergemer müssen also zur Sicherung der Weiterexistenz des Dorfladens (vorläufig) zwei Steuerprozente zusätzlich zum Maximalsteuerfuss von 122 Prozent zahlen, auch Kompensationsgeschäfte sind ausgeschlossen. Ein allfälliger Gewinn des Ladens ginge zur Hälfte in die Gemeindekasse.

Als zusätzliche Sicherheit hatte der Gemeinderat die Landi Irchel verpflichtet, dass eine Verlustdeckung für einen Laden zu gleichem Verhältnis in den anderen fliessen muss. Zur Landwirtschaftlichen Genossenschaft Irchel gehören die Läden in Buch und Berg. Kritiker aus Gräslikon meinten, es wäre sinnvoller, anstelle der zusätzlichen Steuern für dieses Geld im Volg einkaufen zu gehen und dafür die Migros-Wagen zu boykottieren. Die Mehrheit jedoch sprach sich für die Unterstützung des Dorfladens aus: «Ein eigener Laden im Dorf sollte uns die zwei Steuerprozente, also für einen durchschnittlichen Steuerzahler etwa sieben Franken pro Monat, wert sein. Um die Lebensqualität zu erhalten, speziell für alte Leute und Familien ohne Auto.» «Das beste wäre doch, wenn auch die andern Leute im Dorfladen, statt im Einkaufscenter zu kaufen», bemerkte ein Votant.

Ein Anwesender stellte die Frage, ob es überhaupt möglich sei, über eine rechtskräftig angenommene Vorlage nochmals abzustimmen, was von Gemeindepräsident Alfred Keller bjaht wurde. Die Gemeinde sagte mit 81 gegen 10 Stimmen ja zum Dorfladen.

Daneben ist der Aufwand für die Kläranlagen in den letzten Jahren massiv gestiegen; hier steht den Bergmer eine zünftige Gebührenerhöhung ins Haus.

Als weitere Folge des Steuerfussausgleichs können die Zivilgemeinden auch nur mit weiteren zusätzlichen Steuerprozenten unterstützt werden. Um den Steuerzahler nicht noch mehr zu belasten, hob die Versammlung den Beschluss vom 11. Dezember 1987 auf, der den Zivilgemeinden Gräslikon und Berg jährlich die Hälfte der Kosten für den Unterhalt der Waldstrasse abhahm; laut Gemeinderat bleibt abzuwarten, wie sich dieser Entscheid für die Zivilgemeinden auswirken wird. Das Fernwärmereglement für die zentrale Holzschnitzelheizung wurde ohne Gegenstimme genehmigt.

Quelle: Der Landbote, Montag, 7. Dezember 1992

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Thema: Gemeindeversammlung
Nr: 36
Ausgabe: 92-284
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