Winterthurs Warenhäuser spüren Einfluss der Rezession auf Konsumverhalten

Konsumenten kaufen gezielter

Die anhaltende Rezession beeinflusst das Kaufverhalten der Konsumenten deutlich. Wie eine Umfrage des «Landboten» bei Warenhäusern und Grossverteilern ergab, kaufen die Konsumenten gezielter und bewusster ein. Sie stellen Preisvergleiche an und lassen Defektes wieder eher reparieren. Davon profitieren die grossen Warenhausketten, speziell mit Sonderaktionen wie dem Juli-Ausverkauf.

Von Matthias Schüssler. «Ein Konsumverzicht findet nicht statt – es ist aber offensichtlich, dass die Leute preisbewusster einkaufen.» Mit diesen Worten beschreibt Werner Sigg, Zentrumsleiter von ABM Rosenberg, den Geschäftsgang dieses Jahres. So konnte der Umsatz des Juli-Ausverkaufs im Vergleich zum Vorjahr um 12% gesteigert werden, während die Verkaufszahlen des normalen Geschäfts stagnieren.

Kein Verzicht, aber…

Auch die Pressesprecherin von Jelmoli, Beatrice Tschanz, bestätigt die Aussage, der Ausverkauf sei ein Konjunkturspiegel: «Die Konsumenten schauen mehr auf den Preis, hoffen, im Ausverkauf ein besonders günstiges ‹Schnäppchen› zu machen.» Auch Jelmoli Winterthur habe bei stagnierendem Alltagsgeschäft während des Ausverkaufs vom 1. bis zum 15. Juli «leicht mehr verkauft als im Vorjahr.» Kaum zurückhaltend verhielten sich die Konsumentinnen und Konsumenten im Reise- und Modesektor. Hier würden nach wie vor Zuwachsraten erzielt. Weniger kauffreudig seien sie dagegen bei Möbeln und teuren Haushaltgegenständen. Peter Flachmann, Verkaufsleiter von Coop City, mag diese Einschätzung nicht teilen: «Unsere Hoffnungen in den Ausverkauf haben sich nicht erfüllt.»

Doch kann Coop offensichtlich von «Umsteigern» profitieren, die aus Kostengründen statt im Fachgeschäft im Warenhaus einkaufen. Das zeigt sich laut Flachmann daran, dass Coop allgemein im Preissegment «gehobene Mittelklasse» mehr verkauft. Ausserdem profitierten Geschäfte mit einem gutausgebauten Servicedienst, da die Konsumenten Unterhaltungselektronik und Haushaltgeräte im Fall eines Defekts nicht mehr so früh wegwerfen und neu kaufen, sondern vermehrt auf Reparatur bestehen. «Doch das kommt dem Handel nur zugute», meint Flachmann.

Einkaufszettel-Renaissance

Migros Winterthur hat keinen Ausverkauf durchgeführt, aber auch Pressesprecher Friedemann Graf stellt eine grössere Preissensibilität fest. Besonders gut liefen Aktionen und Sonderangebote. «Die Leute kaufen weniger wahllos ein, überlegen sich: ‹Was brauche ich wirklich?› und habe wieder ein ‹Einkaufszetteli› dabei.» Die Konsumenten seien eher bereit, anstelle des teuersten eine billigere Ausführung eines Produkts zu wählen.

Bildunterschrift: Auf der Suche nach dem günstigsten Stück: Die Rezession machte das Getümmel des Juli-Ausverkaufs noch grösser. (k)

Quelle: Der Landbote, Mittwoch, 29. Juli 1992

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Thema: Rezession/Konsumverhalten
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