Digitales Zuhause

Wie die ganze Familie Smartphone & Co. sinnvoll nutzen kann

Der Umgang mit digitalen Geräten sorgt Zuhause schnell für Konflikte. Sechs Tipps zu Jugendschutz, gemeinsamen Spielen, Standortüberwachung und Familienkalender.

Matthias Schüssler

Das Smartphone als Spaltpilz – oder, richtig eingesetzt, doch als nützliches Hilfsmittel für die familiäre Gemeinschaft? (Symbolbild)

Wie viel digitale Technik verträgt die Familie? Wenn es nach den Kulturpessimisten geht, viel weniger als inzwischen üblich ist. «Das Smartphone hat eine ganze Generation zerstört», behauptete die amerikanische Kulturzeitschrift «The Atlantic» 2017 und malte in einem langen Artikel das traurige Bild der 13-jährigen Athena, die einsam in ihrem Zimmer sitzt und nur mit dem Smartphone Kontakt hält. Es wurden Studien durchgeführt, die aufzeigten, dass in vielen Haushalten selbst beim Abendessen nur noch auf Displays gestarrt wird. Das Ende des gemeinsamen Abendessens ist zum Symbol für diese Entwicklung geworden.

2018 sahen die Techkonzerne ein, dass ein grosser Reputationsschaden droht. Apple war in einem offenen Brief von zwei Grossaktionären aufgefordert worden, Massnahmen zum Schutz der Jugendlichen vor der Smartphone-Sucht zu ergreifen. Das hat der Konzern kurz danach getan und eine Funktion zur zeitlichen Beschränkung von Kindertelefonen geliefert.

Jugendschutz ist nur der Anfang

Doch Apple hat erkannt, dass die rein restriktiven Funktionen das Ansehen des Smartphones nicht fördern, sondern den Kritikern recht geben. Darum hat der Konzern den Fokus verlagert: vom Jugendschutz, bei dem es im Kern ums Kontrollieren und Blockieren geht, hin zur Familienfreigabe. Sie macht die Nutzer mit sanftem Druck darauf aufmerksam, wie das Smartphone verbindend eingesetzt werden kann.

Auch Google und Microsoft betonen in ihren jeweiligen Apps die Gemeinsamkeit: Kinder werden nicht hinter ihrem Rücken überwacht, sondern sehen, welche Informationen die Apps an die Eltern weitergeben. Bei Microsoft haben sie je nach Alter ein Mitspracherecht, wie Aktivitäten protokolliert werden – und die Familie wird aufgefordert, über «angemessenes Onlineverhalten zu diskutieren».

Nintendo exerziert vor, wie Technik die Familie eint

Technik muss kein Spaltpilz sein, sondern kann genauso verbindend wirken. Das ist keine neue Erkenntnis, sondern eine, die älter ist als das Smartphone selbst. Spielhersteller Nintendo hat 2006 die Wii-Konsole lanciert, die nicht nur das klassische Familienspiel in die digitale Ära überführt hat, sondern die Leute auch noch dazu bewegte, sich wie wild vor dem Fernseher zu bewegen – von wegen Couch-Potato!

Das digitale Gemeinschaftserlebnis, 2008 in einem deutschen Seniorenheim.

Mit der Switch von 2017 konnte Nintendo erfolgreich an diesen Erfolg anknüpfen. Auch für die neue Konsole gibt es viele Titel für das gemeinsame Spielen. Und dieses Gerät lädt auch zum Basteln ein, wie Kollege Rafael Zeier hier beschreibt und im Video vorführt.

Apps und Inhalte gemeinsam nutzen

Beim iPhone gibt es vielfältige Familienfunktionen. Sie konfigurieren sie über die Einstellungen: Tippen Sie zuoberst auf die Apple-ID,und wählen Sie «Familienfreigabe». Sie dürfen mit den Familienmitgliedern die Abos für Apples Streamingdienste Music und TV+ und für das Game-Abo Arcade gemeinsam verwenden. Bei der iCloud gekaufter Speicher steht allen zur Verfügung, ebenso die Kauf-Apps und die In-App-Käufe.

Über «Mitglied hinzufügen» werden die Familienmitglieder eingetragen, die eine eigene Apple-ID haben müssen. Kinder über 13 Jahre dürfen diese selbst erstellen, bei Kindern unter 13 Jahren ist das Aufgabe der Eltern. Und ja: Ein sicherlich erwünschter Nebeneffekt für die Techunternehmen ist es, die Kinder in ihr Cloud-Universum einzubinden und den Grundstein für die künftige Kundenbeziehung zu legen.

Um bei Android Musik, Filme und Apps zu teilen, ist die App Family Link von Google vonnöten (kostenlos für Android und iPhone). Auch hier richten Sie als Erstes die Familiengruppe ein, indem Sie Partner und Kinder mit deren Accounts hinzufügen. Dann haben Sie in der Play-Store-App im Menü bei «Konto» die Rubrik «Familie» zur Verfügung, in der Sie bei den «Familienmediathek-Einstellungen» festlegen, welche Inhalte allen zur Verfügung stehen.

Die Jugendschutz-Funktionen

Die klassischen Jugendschutz-Funktionen gibt es nach wie vor. Bei Apple finden sie sich in den Einstellungen unter «Bildschirmzeit > Beschränkungen». Für Android trifft man sie in der Family-Link-App. Mit ihr sperren Eltern unerwünschte Websites und beschränken Google-Suchen auf die «Safe-Search»-Resultate. Auch für Apps und den App Store und digitale Inhalte lassen sich Vorgaben treffen.

In den Einstellungen der Family-Link-App von Google lässt sich festlegen, dass am Smartphone des Kindes nur die «sichere Suche» zur Verfügung steht.

Microsoft stellt die App Family Safety bereit, mit der sich Aktivitäten bei Windows 10 und an der Xbox kontrollieren lassen (kostenlos fürs iPhone und für Android). In Windows 10 gibt es ebenfalls Jugendschutzeinstellungen. Sie sind über die App Windows-Sicherheit bei «Familienoptionen» anzutreffen. Auch für die Sony-Playstation gibt es Jugendschutzeinstellungen: Die finden sich in der Verwaltung des Playstation-Network (PSN) bei «Familienverwaltung».

Wissen, wo wer ist

Apple, Google und Microsoft haben in allen ihren Familien-Apps auch die Standortfreigabe eingebaut: Mit ihr sieht man annähernd in Echtzeit, wo sich die Kinder aufhalten. Und ja: Der Grat bei dieser Funktion zwischen legitimen Interessen – beispielsweise, sich schnell und spontan treffen zu können – und Big-Brother-mässiger Überwachung ist schmal.

Die technischen Möglichkeiten könnten Eltern dazu verleiten, ihre Kinder im Netz auf Schritt und Tritt zu überwachen. Doch die UNO-Kinderrechtskonvention räumt Kindern das Recht auf Information und auf Privatsphäre ein – und das Verständnis, dass jeder Mensch auch im digitalen Raum Anrecht auf unbeobachtete Aktivitäten hat, entwickelt sich nur dann, wenn man es auch den Kindern und Jugendlichen zugesteht.

Die Auseinandersetzung um die technischen Jugendschutzfunktionen hat auch kritische Stimmen auf den Plan gerufen: Wer beispielsweise sämtliche Treffer zur Sexualität blockiert, hält Kinder auch von nützlichen Informationsquellen fern und erschwert ihnen den Weg bei der Identitätsfindung. Mit einer geheimen Überwachung gefährden die Eltern das Vertrauensverhältnis zu den Kindern und bewirken, dass sich die Kinder problematische Inhalte bei Freunden ansehen – aber ohne sich dort darüber austauschen zu können.

Sinnvoll sind klare Regeln, wann die Standortfreigabe sinnvoll ist und wann nicht. Ausserdem sollten auch die Kinder das Recht haben, sie selbst ein- und auszuschalten – und natürlich müssen die Erwachsenen sich ebenfalls bereit erklären, Transparenz walten zu lassen.

Familiärer Informationsaustausch

Mit ihren Apps wollen Apple und Google auch den Informationsfluss innerhalb der Familie vereinfachen. Dazu gehört der Familienkalender. Er wird bei Google automatisch angelegt, sobald man in der App (oder via Browser unter families.google.com) eine Familiengruppe einrichtet: Alle Mitglieder dürfen Termine sehen, einrichten und ändern; und es dürfen auch Personen, die nicht zur Gruppe gehören, zu Terminen eingeladen werden.

Auch bei Apple wird durch die Verwendung der Familienfreigabe automatisch ein für alle Mitglieder zugänglicher Kalender angelegt. Man ist aber nicht gezwungen, die Kalender des Handyherstellers zu verwenden. Das Schweizer Start-up Shubidu hat einen Familienkalender lanciert, der einerseits durch die charmante Optik und die Symbole auch für kleine Kinder verständlich ist. Andererseits trägt er dem Umstand Rechnung, dass es nebst dem klassischen Familienmodell auch Patchworkfamilien gibt – und dass es auch sinnvoll sein kann, Vereine, Lehrpersonen und Babysitter einzubinden.

Video

Die Intercom-Funktion smarter Lautsprecher

Schliesslich bahnen sich auch beim vernetzten Heim spezielle Familienfunktionen an. Die smarten Lautsprecher lassen sich inzwischen als Gegensprechanlage verwenden: Der Homepod von Apple, Echo von Amazon und auch der Home-Lautsprecher von Google können per Sprachbefehl dazu aufgefordert werden, eine Durchsage an die Lautsprecher und Kopfhörer im Haushalt zu machen – und die Kinder an den Tisch zu rufen oder zum Aufräumen zu bewegen. Ob die Kinder solchen Aufforderungen eher nachkommen, als wenn sie persönlich überbracht werden: Wer weiss.

Quelle: Newsnetz, Mittwoch, 25. November 2020

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