Microsofts grosse Ein-Fenster-Show

Das Betriebssystem Windows 10 steht vor der Tür. Es wetzt alte Scharten aus und macht einen bedeutenden Schritt in die Zukunft

Matthias Schüssler

Ab nächsten Mittwoch steht Windows 10 zum Download bereit. Damit wird eine alte microsoftsche Vision Realität: One Windows to rule them all! Die «One Windows»-Strategie wurde noch von Steve Ballmer 2013 proklamiert. Sie besagt, dass ein Team alle Varianten des Betriebssystems entwickelt und PCs, Tablets, Smart­phones und die Xbox aus einer Hand bedient werden. Überall kommt der gleiche Programmkern zum Einsatz, und es gibt einen einheitlichen App-Store für alle Plattformen. Für Entwickler wird es einfacher, universelle Anwendungen für alle Geräteklassen bereitzustellen.

Nebst der Vereinheitlichung des Unterbaus hat Windows 10 die dezidierte Aufgabe, die vom Vorgänger aufgerissenen Gräben zuzuschütten. Windows 8 hatte mit seiner radikalen Ausrichtung auf die Touch-Steuerung die Nutzer klassischer PCs vor den Kopf gestossen und die Unternehmen davon abgehalten, es auf den Geschäfts-PCs zu installieren: Zu gross war der vermutete Schulungsbedarf.

Bei Windows 10 harmoniert die klassische Oberfläche besser mit den neuen Designelementen: Es inkorporiert nach wie vor die Kacheln aus dem umstrittenen Startbildschirm von Windows 8. Aber das Startmenü kehrt zurück. Die ebenfalls mit Windows 8 eingeführten «Modern Apps», die über den eingebauten Store vertrieben werden und bislang nur im Vollbild zu verwenden waren, können mit Windows 10 auch ganz normal in einem Fenster betrieben werden. Und die ungeliebte Charms-Leiste muss in Windows 10 einem intuitiveren Konzept weichen: Die Befehle aus dieser Leiste sind nun über ein Anwendungsmenü verfügbar. Die Leiste am rechten Rand ihrerseits zeigt Benachrichtigungen und stellt den Zugriff auf wichtige Systemeinstellungen bereit.

Browser Edge und Assistentin Cortana halten Einzug

Eine Funktion namens Continuum vereinfacht die Benutzung bei den «Convertibles». Das sind Geräte wie der Surface Pro oder die Yoga-Modelle von Lenovo. Sie können sowohl als Tablet als auch als herkömmliches Laptop mit Tastatur und Maus- oder Trackpad-Steuerung verwendet werden. Continuum wechselt automatisch in den Tablet-Modus, wenn die Tastatur abgedockt oder zurückgefaltet wird: Windows verwendet dann automatisch den Startbildschirm anstelle des Menüs, zeigt in der Taskleiste einen «Zurück»-Knopf an und versetzt alle Apps in den Vollbildmodus. Beim Andocken einer Tastatur wird der Tablet-Modus automatisch beendet.

Mit Windows 10 gibt es den neuen Browser Edge, wobei der gute alte Internet Explorer weiterhin als optionaler Download verfügbar sein wird. Und Cortana hält Einzug auf dem Desktop: Das ist Microsofts digitale Assistentin, die ähnlich wie Siri auf dem iPhone oder Google Now bei Android auf Sprachanfragen reagiert. Sie ist beim Start nächste Woche für Schweizer Nutzer noch nicht aktiv. Sie wird für Herbst erwartet.

Umgekrempelt wird auch die Lizenzierung und Vermarktung der Systemsoftware. Softwareingenieur Jerry Nixon von Microsoft hatte das im Mai in plakative Worte gefasst: «Windows 10 ist die letzte Version von Windows.» Künftig soll das Betriebssystem nicht mehr in grossen Versionsschritten vorangetrieben werden. Stattdessen gibt es eine kontinuierliche Weiterentwicklung mit regelmässigen kleinen Up­dates. Microsoft-Chef Satya Nadella bezeichnet das als «Windows as a service». Das Betriebssystem wird nicht mehr als Produkt angesehen, sondern als Dienstleistung, die fortwährend erbracht wird. Während mit dem bisherigen Modell die Zukunft über Jahre vorausgeplant war, ermöglicht das neue Modell eine schnellere Adaption an die Bedürfnisse der Benutzer. Ein Vista, das über Jahre an den Usern vorbeientwickelt wurde, sollte sich wirksam vermeiden lassen.

Ein Gerät bleibt jetzt über die ganze Lebensdauer aktuell

«Windows as a service» verringert ein weiteres grosses Microsoft-Problem: die uneinheitliche Versionslandschaft. Mit den bisherigen Kaufversionen konnte jeder Kunde so lange bei einer alten Version bleiben, wie es ihm beliebte. Windows XP konnte sich fast 13 Jahre halten und auch das mehr als acht Jahre alte Vista muss weiterhin mit Sicherheits-Updates versorgt werden. Windows 10 will alle Nutzer auf den gleichen einheitlichen Stand bringen. Updates werden sich (abgesehen von den Enterprise-Versionen für Firmen) nur noch kurzfristig aussetzen lassen. Die Angst mancher Benutzer, mit dem Windows-as-a-service-Modell müsse das Betriebssystem künftig gemietet und monatlich oder jährlich erneut bezahlt werden, hat Microsoft entkräftet: Windows-Chef Terry Myerson liess verlauten: «Sobald ein Gerät auf Windows 10 aktualisiert worden ist, werden wir es über die ganze Lebensdauer des Geräts aktuell halten – kostenlos.»

Um Windows 10 in einer kurzen Zeit eine grosse Adaption zu ermöglichen, dürfen Anwender von Windows 7 und 8 während eines Jahres kostenlos umsteigen. Danach werden sich die Preise im bekannten Rahmen bewegen.

Quelle: Sonntagszeitung, Sonntag, 26. Juli 2015

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