Yosemite schützt das Mac-System

Das neue Betriebssystem für Mac-Computer ist wiederum gratis. Es richtet sich vor allem an eingefleischte Anhänger – mit neuer Optik und engerer Verzahnung mit den Mobilgeräten.

Matthias Schüssler

Während Microsoft mit Windows ein wildes Hüst und Hott veranstaltet, hat Apple den Rhythmus gefunden. OS X, das Betriebssystem für Laptops und stationäre Computer, wird im Jahrestakt sanft renoviert – ohne die Anwender mit weitreichenden Änderungen bei der ­Bedienung zu überrumpeln.

Die neuste Version ist am letzten Freitag erschienen. OS X 10.10 ist nach dem kalifornischen Nationalpark Yosemite benannt und hat als augenfälligste Neuerung eine modernere Optik. Sie nähert sich dem «flachen» Design, das Apple für iPhone und iPad mit iOS 7 eingeführt hat: Die Fenster haben nun einen de­zenten Milchglaseffekt. Die Programm­symbole sind weniger technoid, dafür freundlicher geworden. So gefällig die Erscheinung, so riskant ist die neue ­Systemschrift. Sie ist für Computer mit hochauflösenden Bildschirmen aus­gelegt. Auf älteren Modellen ohne ­Retina-Display wirkt sie gedrängt und schwer leserlich.

Geschützter Garten

Mit Yosemite führt Apple die Strategie weiter, Macs noch enger mit iPads und iPhones zu verzahnen. Über die Telefonie-App Facetime nimmt man am Computer Anrufe entgegen, die am iPhone eingehen – das nennt sich Handoff. Eine ähnliche Kooperation gibt es zwischen den Nachrichten-Apps, E-Mail, den ­Apple Maps, dem Safari-Browser und diversen anderen Programmen, die es in mobilen und Desktop-Versionen gibt: Im Dock taucht am rechten Rand eine Art «Geist-Symbol» auf, das eine geöffnete App am Mobilgerät repräsentiert. Tippt man darauf, wird die Website, die angefangene Mail-Nachricht oder der Kartenausschnitt übernommen. Ähnlich funktioniert die Zusammenarbeit bei den Mobilgeräten. Bei ihnen erscheinen im Sperrbildschirm oder im Task-Switcher am linken Ende der Übersicht die Apps, die auf den Geräten in unmittelbarer Reichweite geöffnet sind. Die Handoff-Funktion steht Drittherstellern offen.

Apple hat eine elegante Lösung gefunden, die Systeme näher zusammenzuführen und dem Anwender die Möglichkeit zu geben, geräteübergreifend zu arbeiten. Das ist ein grosses Plus für diejenigen Leute, die kein Problem damit haben, sich von Apple voll und ganz vereinnahmen zu lassen.

Für Anwender, die Wahlfreiheit in Anspruch nehmen, ist diese Strategie zweifelhaft. Sie wird im Englischen auch gern «Walled Garden» genannt – das geschützte Gärtchen. Apple arbeitet kontinuierlich an dessen Umzäunung und hat sie mit Yosemite noch einmal deutlich verstärkt – damit die Konkurrenzprodukte der anderen Hersteller garantiert draussen bleiben. Wie zuverlässig sich diese integrativen Funktionen im Alltag bewähren, können wir leider noch nicht beurteilen. Bei unserem ersten Test hat sich Handoff der Verwendung standhaft widersetzt, obwohl alle Geräte die Hardware-Anforderungen erfüllen. Für die programmübergreifende Arbeit müssen alle beteiligten Geräte den Bluetooth 4.0-Standard unterstützen. So kommen nur Macs zum Zug, die nicht älter sind als zwei bis drei Jahre.

Verbesserte Cloud

Verbessert hat Apple die iCloud-Funktion zum Austausch von Dateien, die bei früheren Versionen sehr umständlich gelöst war. Nun sind über den Eintrag «iCloud Drive» in der Navigationsliste des Finders die am iPad oder iPhone erstellten Dokumente direkt zugänglich. Die Daten von iCloud Drive sind ebenso über icloud.com und am Windows-PC ­zugänglich. Es gibt eine Integration in Mail, indem grosse Dateianhänge ­automatisch via iCloud Drive zur Ver­fügung gestellt werden. In Apple Mail ­erscheinen sie als normaler Anhang, Nutzer ­anderer Programme sehen einen ­Download-Link.

Darüber hinaus gibt es Detailverbesserungen: Zum Beispiel die Option «Dunkle Menüleiste» (unter «Allgemein» in den Systemeinstellungen) verwendet eine invertierte Darstellung, die manche als angenehmer erachten. Es ist im Finder einfacher, mehrere Dateien auf einmal umzubenennen. Und die Suchfunktion «Spotlight» führt Recherchen bei Wikipedia sowie Umrechnungen durch. Gibt man etwa «12 Euro» ein, erhält man die Kurse in Franken, Dollar und Yen.

Yosemite ist ein rundes Update, das keinen Zweifel daran lässt, für wen ­Apple seine Software entwickelt – für den eingefleischten Käuferkreis, der dem «Walled Garden» nicht abgeneigt ist und der mit Apples Hardware-Neuerungen Schritt hält. Die weniger engagierten Kunden dürfen sich ein bisschen vernachlässigt fühlen.

Das Design von OS X 10.10 nähert sich demjenigen des Betriebssystems für iPhones und iPads an. Screenshot TA

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 20. Oktober 2014

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