Den Musik-Horizont erweitern

Websites wie Last.fm wollen dem Musikgeschmack auf die Spur kommen und massgeschneiderte Hör-Empfehlungen liefern.

Von Matthias Schüssler

Mehr als drei Millionen Songs gibt es im iTunes Music Store inzwischen zu kaufen. Die schiere Grösse dieses Angebots macht es zu einer fast unmöglichen Mission, Stücke zu finden, die man als Musikfan nachfragen, sprich herunterladen könnte. Eine Suche in den «Top-Titeln» oder der «What’s hot»-Sektion führt selten zu Entdeckungen. Im Online-Musikladen fehlt der kundige Verkäufer, der sein Repertoire aus dem ff kennt und der ratlosen Kundschaft mit Hörtipps weiterhilft.

Doch es gibt Websites wie Last.fm, die frischen Wind in die MP3-Sammlung bringen. Das Prinzip heisst «Collaborative Filtering»: Es bringt Leute mit ähnlichem Musikgeschmack zusammen. Diese werden «Nachbarn» genannt und beliefern sich gegenseitig mit Musiktipps.

Musik vom Nachbarn

Um seine Nachbarn kennen zu lernen, installiert man das Last.fm-Programm auf dem PC. Es registriert, welche Stücke man sich anhört. Hat man einige seiner Lieblingssongs preisgegeben, kann man im Last.fm-Programm das «Neighbour Radio» einschalten: ein Webradio mit Sound aus der musikalischen Nachbarschaft. Dieses kommt, nach Bekanntgabe von lediglich zehn Lieblingssongs, erstaunlich gefällig daher: Die Barenaked Ladies, Yes, Neil Young und die bis dato unbekannte Lucinda Williams spielen für mich.

Der Dienst Musiclens macht Vorschläge anhand der Vorgaben des Musikliebhabers. Zehn Einstellungen gibt es, die man via Regler trifft – beispielsweise wählt man, ob das Stück ruhig oder ohrenbetäubend, langsam oder schnell, mit vielen oder wenig Musikern, alt oder neu, wütend, traurig sein oder zu glücklichen Momenten passen soll. Bei jeder Veränderung erscheinen sofort Titel, die man sich anhören kann – allerdings gibts nur Ausschnitte zu hören. «Content Based Filtering» heisst diese Methode der Musikanalyse.

Auch bei schwer vereinbaren Einstellungen wird www.musiclens.de sofort fündig: Die Site bietet Musik für jede erdenkliche Lebenslage – doch da muss man erst seiner Stimmung anhand der Regler Ausdruck verleihen. «All Apologies» von Nirvana ist ein langsamer Kracher, «Walking Higher» von Heather Nova ein Lied, zu dem man traurig Sex haben kann, sollte einem danach sein.

Simpler funktioniert www.pandora.com: Man tippt einen Künstler oder Titel ein und erhält einen Alternativvorschlag: Gibt man «Paul Simon» ein, spielt Pandora die Band Blues Image, die Trashcan Sinatras und John Mayer – eine passende Auswahl. Hinter Pandora steckt das «Music Genome Projekt». Es will die Musik-«DNS» erforschen und so verwandte Songs ermitteln. Music Miner (gratis unter musicminer.sourceforge.net) verwendet als Organisationsprinzip nicht die Biologie, sondern die Geografie: Musiktitel werden als Landkarte ausgelegt. Ähnliche Lieder stehen beieinander: Nacheinander gespielt, ergeben benachbarte Songs, zumindest wenn MusicMiner mit seiner Einschätzung richtig liegt, ein harmonisches Musikprogramm.

SCREEN TA

Zukünftige Lieblingssongs, präsentiert von Pandora.com.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 20. November 2006

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