Lange Reise zu den Gewürzinseln

Ists das Ei des Magellan, dieses Acrobat-Plug-in? Wenn man euphorischen Kommentaren Glauben schenkt, dann löst das nach dem portugiesischen Seefahrer benannte Acrobat-Plug-in in der Tat eine Menge an Workflow-Problemen. Skeptische Zeitgenossen halten das Programmkonzept hingegen für eine Odyssee.

Das getestete Plug-in steht nach der blitzschnellen Installation in Acrobat als Menüpunkt Zusatzmodule – «Convert to HTML» und soll nach Eigendeklaration dank der CSS-Technologie PDF-Dateien äusserst originalgetreu in HTML umsetzen. Das klingt viel versprechend! Hält Magellan dieses Versprechen, liesse sich, über den Zwischenschritt des PDF, jedes Dokument originalgetreu in HTML umwandeln.

InDesign-PDFs machen Ärger

Bei einem ersten Versuch erleidet Magellan Schiffbruch – die Seite wird zwar umgesetzt, doch zwischen den Bildern ist kein Text vorhanden. Wir vermuten aber sofort, dass die Schuld nicht den Seefahrer, sondern den Schiffbauer trifft. Sprich: InDesign, welches für die Urheberschaft des getesteten PDF verantwortlich zeichnet, baut Unverträglichkeiten ein. Davon ist mitunter auch Acrobat selbst betroffen: Der Text des InDesign-PDF lässt sich nicht in die Zwischenablage übertragen; was herauskommt, ist Buchstabensalat. Erstellt man die PDFs nicht mit InDesigns Exportfunktion, sondern mit Distiller, kommt Magellan damit klar.

Unerwartet ist, dass die Online-Version des Konvertierers sogar besser arbeitet als das Plug-in – in unserem Test sind die Publisher-Kästen vom Acrobat-Plug-in nur rudimentär, vom Serverprogramm dagegen einiger­massen korrekt umgesetzt worden.

Verblüffend ähnlich

Beim Layout gibt sich Magellan viel Mühe und erzielt eine erstaunliche Übereinstimmung mit der Ausgangsseite. Die Objekte sind präzise platziert und auf den ersten Blick sieht die HTML-Seite dem Original verblüffend ähnlich.

Bei näherer Inspektion werden aber auch die Unterschiede klar: Typografisch schippert Magellan weit am Ziel vorbei. Das Plug-in macht sich nicht mal die Mühe, die Originalschriften in seine CSS-Definitionen aufzunehmen, für den Fall, dass diese auf dem Clientsystem vorhanden sind. Somit erscheint der Text in Arial und Times New Roman, auch wenn Frutiger und Co. installiert wären.

Gewisse Elemente, wie z.B. die vertikalen Spaltenlinien des Publishers, fehlen in einzelnen Magellan-Seiten – in anderen sind sie vorhanden.

Gefährliche Klippen

Ein Blick in den HTML-Code offenbart die Arbeitsweise von Magellan: Das Plug-in platziert die Elemente mit dem Befehl position:absolute und einer Pixelangabe auf der Seite. Dies bedeutet auch eine Limitation: Der Browser hat keine Möglichkeit, den Textfluss dynamisch anzupassen. Auf kleinen Bildschirmen ist nur ein kleiner Ausschnitt zu sehen. Das ist verschmerzbar, wenn der Seite ein Mehrspaltenlayout zu Grunde liegt. Fliesst er dagegen über die ganze Seitenbreite, wird die Scrollerei zur Plage.

Ein weiteres Problem offenbart sich besonders deutlich bei einer konvertierten Publisher-Seite. Unsere kleine Laufschrift ist auf dem Bildschirm kaum zu erkennen. Und da Browser im Gegensatz zu Acrobat keine Zoomfunktion haben, muss die Seite drucken, wer den Text lesen will. Doch auch dann kanns passieren, dass nicht aller Text auf dem Blatt Platz findet.

Textdiebe habens schwer

Die Zerlegung des Fliesstexts in viele einzeln positionierte Blöcke bringt es mit sich, dass man ihn nicht mehr auswählen und in die Zwischenablage befördern kann (es sei denn, man puzzelt die rund zweihundert Blöcke einer Publisher-Seite von Hand zusammen). Dies kann unter Umständen ein gewünschter Effekt sein – möchte man nicht, dass die Online-Besucher sich Text unter den Nagel reissen, kann mans zwar nicht verhindern, aber zumindest erschweren.

Unserer Einschätzung nach entdeckt dieses Plug-in keine neue Welt, sondern strandet kurz nach der Hafenausfahrt. Die HTML-Sprache ist auch mit CSS nicht in der Lage, ein komplexes Layout sinnvoll abzubilden – ein Screendesigner lässt sich nicht durch ein Plug-in ersetzen.

Java statt CSS

Obendrein bedeutet es vielfach einen Umweg, wenn man erst ein PDF erstellen muss, um in einem nächsten Schritt beim HTML zu landen. Einen direkteren Ansatz bietet die JDoc-Technologie von Net-It Now Software (www.net-it.com). Diese installiert sich wie Acrobats Distiller als Druckertreiber im System und wandelt die Seiten in ein Java-Applet um. Ein solches Applet kann auch Zoom-Funktionen integrieren (auch wenn die von uns getestete Light-Version keine zu bieten hat) und wirkungsvoller vor dem Kopieren von Text schützen.

Matthias Schüssler

HTML-Abklatsch einer PDF-Seite. Das Layout ist recht gut getroffen, die Typografie hingegen nicht.

Quelle: Publisher, Samstag, 1. April 2000

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Thema: Software-Test: Magellan
Nr: 401
Ausgabe: 00-2
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