Thalheim: Der Turnverein wird 75 Jahre alt – Die Jubiläumsfeier findet nächsten Freitag statt
TV Thalheim feiert den 75. Geburtstag
In den 75 Jahren seit seiner Gründung hat sich nicht nur der Verein und seine Aktivitäten verändert, sondern auch das Freizeitverhalten der Dorfbewohner, die traditionellen Vereine erhielten Konkurrenz. Eins ist indessen gleich geblieben: die Bedeutung des Turnvereins fürs Dorfleben. Mit einem Jubiläumsabend am nächsten Freitag, einem Tanz und Unterhaltungsabend am Samstag und der Organisation des 47. Zürcher/ Schaffhauser Ringtages will der TV sein Jubiläum feiern und der Hoffnung Ausdruck geben, auch in Zukunft ein Forum für Leute zu sein, die nicht nur konsumieren, sondern sich fürs Dorf einsetzen wollen.
(msc) «In den letzten Jahren erwachte unter den Jünglingen der Gedanke, durch Gründung eines Turnvereins die körperliche Ausbildung zu heben», sagte Arnold Weilenmann, der Aktuar des Turnvereins Wiesendangen, am Sonntag, dem 1. September 1918 zur Eröffnung der konstituierenden Versammlung in Thalheim. Unter seiner Leitung hatte in den zwei Jahren zuvor ein turnerischer Vorunterrichtskurs stattgefunden, dessen Erfolg sechzehn Jugendliche anspornte, in Thalheim einen eigenen Turnverein zu gründen. An der Gründungsversammlung wurde weiter beschlossen, eine Sammlung durchzuführen, um Turngeräte anschaffen zu können. Die Thalheimer und Gütighauser unterstützten den jungen Verein mit dem stolzen Betrag von 259 Franken. Nach dem Neujahr begann der Turnbetrieb — in leeren Scheunen und Remisen. Im Winter wurde der Turnbetrieb aufrecht erhalten, solange das Thermometer im Turnlokal nicht unter null Grad sank. Ab 1927 konnten Kellerräume des neuen Schulhauses benutzt werden, eine Turnhalle stand erst ab 1964 zur Verfügung.
Körperliche Ertüchtigung im Dienste des Vaterlandes
Das Mitmachen im TV wurde von den Gründern nicht unter dem Aspekt der «Freizeitgestaltung» gesehen, vielmehr stand die körperliche Ertüchtigung im Vordergrund. Nochmals Arnold Weilenmann: «Es ist auch die einzige Institution, die wie keine zweite so gesundheitsfördernd, die Muskeln stählend und selbst in der gegenwärtigen kritischen Zeit, wo rings um unser Vaterland der grosse Weltbrand tobt, in Not und Gefahr dem lieben Vaterland so grosse Dienste leistend.» Bei den Turnfesten waren Marschübungen in militärischen Formationen Teil des Programms; die Turnvereine waren wichtige Stützen der militärischen Ausbildung im Zivilleben, und klar der Geistigen Landesverteidigung verpflichtet.
Der erste Eichenkranz in Rheinau
Der erste Auftritt in der Öffentlichkeit bestand der jüngste Verein des Kreisturnverbandes 1919 in Rheinau: Der 30. Rang trug den zwölf Turner einen Eichenkranz ein. 1921 ist es wiederum der Spendierfreudigkeit der Thalheimer und Gütighauser Bevölkerung zu verdanken, dass der Verein eine Fahne anschaffen konnte, deren Weihe am 21. Mai 1922 festlich begangen wurde. Ein Jahr später gewannen die Turner am Kantonalturnfest in Oerlikon den ersten Lohrbeerzweig.
Am Eidgenössischen Turnfest in Genf konnte der TV 1925 nicht teilnehmen, weil die Zahl der Aktiven zu klein war. Drei Jahre später hatte sich der Mitgliederbestand erholt, die Teilnahme am Eidgenössischen Turnfest in Luzern war gesichert.
Wohlgesinnte Töchter und wütende Wirtinnen
Vom Heimweg vom Turnfest Schaffhausen 14. Juli 1935 — zu Fuss von Andelfingen — weiss Otto Gut folgendes zu berichten: «Zu Andelfingen nahmen wir in der Schmiedstube einen Trunk und Znüni zu uns, um dann gestärkt in der Begleitung einiger uns wohlgesinnter Thalheimer Töchter sowie unserer Musikanten den Heimweg anzutreten, welcher uns in Gütighausen durch die Mühle führte.» Dort wurde den wackeren Turner von einem Passivmitglied Weisswein spendiert. Angekommen in Thalheim war aber «das Stammlokal zur Post bereits in Dunkel gehüllt, doch bald wurden wir von der sonst so freundlichen, jetzt unseres späten Erscheinens wegen schmollende Wirtin empfangen und es brauchte alle Überredungskunst, um ihr Herz wieder für uns zu gewinnen.» Auch damals war neben den turnerischen Leistungen auch das Vergnügen des geselligen Lebens wichtig.
Die Generalmobilmachung 1939 reduzierte die Vereinstätigkeit auf ein Minimum. Auch das 25-jährige Jubiläum konnte wegen dem Aufgebot der Grenzschutztruppen erst im Frühjahr 1944 stattfinden. Ab 1945 konnte das Vereinsleben wieder in geordneten Bahnen stattfinden auch wenn die Mitgliederzahl noch immer ziemlichen Schwankungen unterworfen war. 1964 wurde als Untersektion die Damenriege, 1965, wohl weil die neuerbaute Turnhalle auch die älteren Semester vom Ofebänkli lockte, eine Männerriege. In der neuen Turnhalle organisiert der TV jedes Jahr an Neujahr eine Abendunterhaltung. 1968 lud der Turnverein zu einem Fest anlässlich des fünfzigjährigen Jubiläums ein.
Aufgelöst und neugegründet
1972 wird der Turnverein aufgelöst — es gab keine aktiven Turner mehr. 1974 wird die Jugendriege, 1976 die Mädchenriege gegründet. Ein Jahr später wird der TV neu gegründet und der Turnbetrieb wieder aufgenommen. 1986 beim Spiel und Stafettentag in Winterthur sind Turner aus Thalheim auf den vordersten Plätzen zu finden.
Ausgiebige Jubiläumsfeiern
Das 75. Jubiläum nun begeht der TV Thalheim mit ausgiebigen Feierlichkeiten in der Turnhalle Thalheim: Am nächsten Freitag findet ein Jubiläumsabend — mit Apéro, Festakt, Tanz und Festakt — statt. Am Samstag gibt es nochmals Gelegenheit für die Tanz und Festwütigen.
Am Sonntag, dem 12. September lädt der TV dann die Freunde und Freundinnen des Sägemehls ein zum 47. Zürcher/ Schaffhauser Ringertag.
«Obwohl die Welt offener geworden ist, und mit dem Flugzeug heute überall hingejetet werden kann, hat der Turnverein seinen Platz im Dorf nicht verloren», schreibt Ueli Roggensinger, in der Jubiläumsfestschrift. Das Angebot zur Freizeitgestaltung heute ungleich grösser ist als 1918: «Bei vielen heute gebotenen Freizeitmöglichkeiten muss oft nur noch konsumiert werden». Doch es lassen sich auch heute noch Leute finden, die bereit sind, etwas für Vereine und Dorfgemeinschaft zu leisten.