Elon Musk provoziert weiter

Twitter-Übernahme Wer gedacht hat, dass beim US-Unternehmen nach der Übernahme Ruhe einkehren würde, sieht sich getäuscht.

Elon Musk hat auch in den vergangenen Tagen Tweets abgesetzt, die weniger das Potenzial von Twitter für einen fruchtbaren gesellschaftlichen Diskurs als vielmehr die unendlichen Möglichkeiten der gegenseitigen Provokation aufgezeigt haben. Am Samstag hatte er gescherzt, als Nächstes werde er Coca-Cola kaufen und dem Getränk wieder Kokain beifügen, wie das 1885 angeblich der Fall gewesen ist.

Der lahme Scherz hat auf Twitter mehr als 4,7 Millionen Likes eingesammelt und für viel Medienecho gesorgt. Doch dabei liess es der Tesla-Gründer nicht bewenden. Eine weitere Aktion hat ihm die Kritik eingebracht, Mobbing zu betreiben. Der Vorwurf stammt von Dick Costolo, der von 2010 bis 2015 Chef von Twitter war, und rührte daher, dass sich Elon Musk ungerührt auf die Seite eines Kritikers geschlagen hatte, der Twitter linke Parteilichkeit vorgeworfen hatte.

Musk unterstützte einen Angriff auf Chefjuristin

Der Kritiker, Youtuber Saagar Enjeti, hatte einen Artikel der US-Zeitung «Politico» verbreitet. Er dreht sich um die Chefjuristin Vijaya Gadde, die als moralisches Gewissen von Twitter gilt. Sie legt die Regel für die Moderation der Inhalte fest und ist überzeugt, dass verletzliche Nutzer geschützt werden müssten. Gadde will diesen Kurs auch nach der Übernahme von Twitter durch Elon Musk aufrechterhalten, was mit Musks Verständnis von einer sehr weit gehenden Freiheit zur Meinungsäusserung kollidiert.

In seinem Tweet warf Saagar Enjeti der Twitter-Juristin Zensur vor und bezog sich auf ein Ereignis von 2020: Damals hatte Twitter einen Beitrag des Boulevardblattes «New York Post» blockiert, der sich um E-Mails drehte, die auf einem Laptop von Hunter Biden entdeckt worden waren. Twitter hatte ursprünglich argumentiert, die Informationen seien unrechtmässig beschafft worden, später die Sperre aber wieder aufgehoben. Und obwohl der damalige Twitter-Chef Jack Dorsey das als Fehler bezeichnet hatte, sah sich Musk bemüssigt, sich an dem auf die Person zielenden Angriff zu beteiligen. Vijaya Gadde sah sich daraufhin heftigen Beschimpfungen und rassistischen Beleidigungen ausgesetzt.

Diese Tweets könnten zum Scheitern der Übernahme führen, berichtete Bloomberg vergangene Woche und verwies auf die Übernahmevereinbarung, gemäss der Musk keine Tweets veröffentlichen darf, die «das Unternehmen oder einen seiner Vertreter verunglimpfen». Die Vereinbarung enthält auch eine Strafe, die fällig wird, wenn eine der Parteien den Deal platzen lässt. Sie beläuft sich auf eine Milliarde Dollar.

Zitierte Tweets sollen künftig Geld einbringen

Schliesslich sind in den letzten Tagen auch Ideen publik geworden, wie Musk Twitter profitabler machen will. Wie Reuters aus jenen Bankenkreisen erfahren hat, die Musk für den Deal mit Krediten in der Höhe von 13 Milliarden versorgten, will er die Löhne der Vorstände und Manager kürzen, Kosten sparen und neue Ideen zur Monetarisierung von Tweets entwickeln.

Elon Musk will demnach Geld verlangen, wenn Tweets zitiert oder eingebettet werden. Vielleicht dienen seine öffentlichen Provokationen ja dazu, den Markt für lukrative virale Tweets zu bereiten.

Matthias Schüssler

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 4. Mai 2022

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