Ungemütliche Nische

Von Matthias Schüssler

Ein Mann wie Michael Dell muss es wissen. Im März dieses Jahres hat er es als PC-Konstrukteur an die Weltspitze geschafft. Michael Dell wird sich nicht ins Geschäft mit den PDAs, den Termine, Adressen und Notizen verwaltenden Kleincomputern, einmischen: «Der PDA-Markt ist klein und wenig Gewinn bringend. Dell aber mag grosse und lukrative Märkte», sagte der 36-jährige Topmanager vor zwei Wochen in Zürich.

Psion, Hersteller beliebter PDAs, kam letzte Woche zu einem ähnlichen Schluss: Die Entwicklung neuer Modelle wird gestoppt, den angekündigten Bluetooth-Revo wird es nicht geben. Das Unternehmen zieht sich in den Geschäftskundenbereich zurück. Epoc, das Betriebssystem für die Psion-Geräte, wird allenfalls in Smartphones von Nokia, Ericsson oder Siemens weiterexistieren.

Ist Psions Ausstieg, wie behauptet, eine Folge der momentan schwierigen Marktsituation? Oder sind die «persönlichen digitalen Assistenten» (PDA) eine aussterbende Spezies? Weil die klugen Handys diesem Gerätetyp schon bald den Garaus machen werden?

Eingefleischte Psion-Fans dürften dieser Interpretation widersprechen: Sie schwören auf den kleinen Computer, weil er sich dank der soliden Tastatur hervorragend für die mobile Texterfassung eignet und dennoch in der Gesässtasche Platz findet. Gerade Schweizer mögen die bodenständige Technologie: Psion-Chef David Levin geht davon aus, dass Zürich die weltweit höchste Dichte der englischen Organizer aufweist, dicht gefolgt von Süddeutschland und London.

Doch in Märkten, wo die Kunden Kaufentscheide anhand weniger «seriöser» Kriterien treffen, konnte Psion nicht Fuss fassen. Palm schaffte es, mit frischen Lifestyle-Modellen Frauen und Jugendliche als Benutzer zu gewinnen. Noch stärker holte Compaq auf und setzte sich im Juni umsatzmässig an die Spitze: Dank MP3- und Videoplayer ist der iPaq auf der Höhe der Zeit, und auch der Anti-Microsoft-Reflex hält keine Käufer ab. Wer das vorinstallierte Windows-CE nicht mag, ersetzt es kurz entschlossen durch Linux.

In der PDA-Nische, schon jetzt unattraktiv für einen erfolgsverwöhnten Mann wie Michael Dell, dürfte es noch ungemütlicher werden. Wer wollte es Psion da übel nehmen, sich in ruhigere Gefilde zurückzuziehen – im Geschäft mit Logistik- und Lagerbewirtschaftungsequipment sind die Margen intakt und die Kundenwünsche berechenbar.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 16. Juli 2001

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Nr: 3619
Ausgabe: 01-716
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