Gescheiterter Twitter-Konkurrent
Der Fall Pebble zeigt, warum es so schwer ist, Elon Musk zu beerben
Ehemalige Google- und Twitter-Kaderangestellte sollten eine Alternative zu X haben. Nun ist es gescheitert. Die Erklärung des Chefs ist allerdings hochinteressant.
Matthias Schüssler
Vor einem Jahr schien die Gelegenheit günstig, um das Feld der sozialen Medien aufzumischen. Twitter unter Elon Musk taumelte von einer Krise zur nächsten, und Untergangsstimmung machte sich breit. Da sollte es doch ein Leichtes sein, die frustrierten Nutzerinnen und Nutzer aufzufangen, indem man ihnen eine neue, friedlichere Social-Media-Heimat anbietet.
Das hatten sich auch die drei Gründer von Pebble gedacht: Gabor Cselle kam von Google, Michael Greer von der Kommunikationsplattform Discord und Sarah Oh von Twitter. Letztere war bei ihrem alten Arbeitgeber als Menschenrechtsberaterin angestellt gewesen. Im Dezember 2022 traten die drei an, um «einen freundlicheren, sicheren Versammlungsplatz» aufzubauen, den sie anfänglich schlicht «T2» nannten – kurz für «Twitter 2.0». Investoren hatten dieses Unterfangen mit 1,4 Millionen Dollar unterstützt.
Doch schon elf Monate später ist Pebble, wie «T2» inzwischen heisst, Geschichte. Ende Oktober musste das Start-up den Betrieb einstellen. Man sei nicht schnell genug gewachsen, lautete die kurze Erklärung.
«Freundlichkeit und Sicherheit sind nicht interessant genug.»
Bemerkenswert ist nun, dass der Chef einen ausführlichen Blogpost nachlegt und erläutert, was genau schiefgegangen ist. Fünf Ursachen gibt Gabor Cselle an. Ihr grösstes Problem sei das grosse Feld der Twitter-Konkurrenten gewesen. Inzwischen gibt es ein Dutzend Plattformen, die Elon Musk gern beerben würden, und es sei Pebble nicht gelungen, daraus herauszustechen: «Wir hatten kein ausreichendes Unterscheidungsmerkmal, denn Freundlichkeit und Sicherheit allein sind nicht interessant genug.»
Ein Twitter-Herausforderer, der freundlich, aber nicht interessant genug war.
In der Folge hat es an interessanten Inhalten gefehlt, um damit die Nutzerinnen und Nutzer, die sich angemeldet hatten, regelmässig anzulocken. «Es war ein Fehler, dass ich der Entwicklung einer App keine Priorität eingeräumt habe», schreibt Cselle weiter: «Die App hätte die Kundenbindung gefördert.» Und sinnvoll wäre auch eine Programmierschnittstelle gewesen, über die Inhalte automatisiert auf die Plattform hätten gepumpt werden können. Die Umbenennung von T2 zu Pebble war nicht hilfreich – und die Strategie, auf die Mundpropaganda zu hoffen, hat sich nicht erfüllt.
Die KI hat der Authentizität geschadet
Schliesslich gab es auch Pannen während des Betriebs: Cselle wollte probehalber ein Mail an einige inaktive Anwenderinnen und Anwender verschicken und sie darauf hinweisen, dass ihr Konto bei Nichtgebrauch verfällt. Doch dieses Mail ging versehentlich an die ganze Nutzerschaft, woraufhin so viele Leute sich anmelden wollten, dass ein Ausfall die Folge war. Ein zweiter Fehlschlag war die Einführung einer KI, die auf Chat-GPT basierte und den Nutzerinnen und Nutzern hätte helfen sollen, Antworten und neue Posts zu verfassen. Doch das kam schlecht an: «Die Leute hatten das Gefühl, dass die KI ihnen Worte in den Mund legt und diese neue Funktion der Authentizität schadet und für Spam sorgt.»
Für Pebble wird es in der Geschichte der sozialen Medien nicht einmal für eine Fussnote reichen: Es zeigt sich, dass es nicht reicht, allein aufs Frustpotenzial zu setzen. Es braucht auch für einen Dienst, der sich explizit als Alternative positioniert, ein Alleinstellungsmerkmal, das Nutzerinnen und Nutzer anlockt und bei der Stange hält. Sich eine neue Community aufzubauen, braucht viel Geduld und Arbeit. Zusammen mit der Gewohnheit erklärt das, warum viele von uns bei Plattformen bleiben, mit denen wir längst nicht mehr zufrieden sind.
Doch mit dem Blogpost bleiben einige spannende Einsichten zurück, wie schwierig es für ein Start-up ist, die beschränkten Ressourcen klug zu investieren und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Wie Gabor Cselle schreibt: «Die Verbraucher sind wankelmütig. Und Investoren haben ständig Angst, sie könnten sich mit ihrem Investment in den nächsten grossen Flop blamieren.»