iPhone und Android

Verblüffende Smartphone-Tricks mit Lidar

Die mit dem Radar verwandte Technik verwandelt das Telefon zu einem vielseitigen Mess- und Planungsinstrument.

Matthias Schüssler

Mittels Laser findet eine präzise Vermessung der Umgebung statt.

Lidar klingt wie Radar, und das ist kein Zufall: Die beiden Technologien sind verwandt und helfen, die Umgebung oder Objekte zu vermessen. Das Radar arbeitet mit Funk, Lidar hingegen mit Licht bzw. Laser. Lidar hilft autonomen Fahrzeugen oder Robotern bei der Orientierung.

Für Fahrzeuge, die ohne menschlichen Lenker ihren Weg finden, ist Lidar eine Schlüsseltechnologie.

Apple baut Lidar seit 2020 in die Pro-Modelle von iPhone und iPad ein. In der Android-Welt hat Lidar bislang nicht Fuss gefasst. Stattdessen gibt es bei manchen High-End-Telefonen eine ToF- oder 3-D-Kamera. Die eröffnet ähnliche Möglichkeiten, doch im Vergleich kann die Lasermesstechnik eine höhere Präzision liefern.

Mithilfe solcher Kameras oder Sensoren erfasst das Smartphone den Raum. Diese Informationen erlauben es einer App, die reale Umgebung mit digitalen Objekten anzureichern. Das nennt sich Augmented Reality oder erweiterte Realität, in der man etwa den Nasa-Marsrover Curiosity in Originalgrösse im Garten auf Erkundungstour schickt. Die App zu diesem Zweck heisst Spacecraft AR und ist für Android und das iPhone erhältlich.

Virtuelle Konfetti regnen lassen

Ein weiterer, amüsanter Einsatzzweck eröffnet Apples eigene Video-App Clips: Sie dekoriert den Raum auf digitalem Weg, indem wabernde Neonlichter über die Wände wandern oder sie Konfetti regnen lässt, das sich am Boden und auf Tischen sammelt.

Der Marsrover steht – als verkleinertes Modell – auf dem heimischen Küchentisch.

Die Konfetti, die es in der Clips-App hier regnet, sind rein virtuell – und fallen dank dem Raumscan akkurat auf die Tischoberfläche und den Boden.

Die Massband-App vermisst Gegenstände und blendet sogar einen Zollstock ein.

Falls die Kamera eine Person entdeckt, zeigt die Massband-App deren Körpergrösse an.
Bild: Apple

Nebst derlei Spielereien verwandelt Lidar das Smartphone in ein Haushaltswerkzeug. Die zum Betriebssystem gehörende Massband-App vermisst Gegenstände: Sie wählen im Kamerabild den Startpunkt und tippen aufs Plus-Symbol, bewegen das Bild zum Zielpunkt und drücken dann wieder aufs Plus. Wenn die App ein Rechteck erkennt, dann zeigt sie automatisch Breite und Tiefe an und berechnet die Fläche. Und wenn Sie die Kamera auf eine Person richten und den Auslöser betätigen, zeigt die App Ihnen deren Körpergrösse an.

Wohnungen mit oder ohne Möbel digitalisieren

Mit der passenden App scannt das Smartphone auch Wohnungen und Häuser. Dafür gibt es diverse Apps in unterschiedlichen Ausprägungen: Die App Canvas Lite fürs iPhone erstellt ein 3-D-Modell des Zuhauses, in dem nicht nur die Räume, sondern auch Möbel und Einrichtungsgegenstände vorhanden sind. Wie ein ausführlicher Test zeigt, lässt die App bei den Details an Präzision zu wünschen übrig. Dennoch ist es eindrücklich, dass sie nur über die Kamera ganze Wohnlandschaften digitalisiert und in ein Modell verwandelt, das sich in 3-D-Programmen und Konstruktionsanwendungen (CAD) weiterverwenden lässt.

Die Canvas-App digitalisiert die Wohnung inklusive aller Möbel.

Das Resultat ist ein 3D-Modell, das sich drehen, zoomen und exportieren lässt.

Für die meisten Anwendungsfälle ist es praktischer, die Wohnung oder ein Haus ohne Möbel zu erfassen. Das tut die App RoomScan Lidar (fürs iPhone) mit einem simplen Prozess: Sie erfassen Raum für Raum, indem Sie die Kamera nacheinander auf jede Wand richten, dann die Zimmerhöhe bestimmen und angeben, wo Türen und Fenster zu finden sind. Wenn Sie mit der Erfassung fertig sind, liefert die App entweder einen zweidimensionalen Plan mit Massangaben oder aber ein 3-D-Modell pro Raum, das Sie für alle gängigen Programme importieren können. In einem Praxiseinsatz liefert die App eine eindrückliche Präzision. Doch wenn die Pläne als Grundlage für den Möbelkauf dienen sollen, sind manuelle Kontrollmessungen angebracht – denn dicke Wände können zu Irritationen führen, und auch die Position der Fenster und Türen ist nicht so akkurat, wie das für ordentliche Planungen notwendig wäre.

Das Digitalisieren der Wohnung fällt mit der RoomScan-App leicht: Indem Wand für Wand angepeilt wird, entsteht der Grundriss.

Die Roomscan-App hat ein dreidimensionales Modell erzeugt, das sich in Dritt-Apps ansehen und weiterbearbeiten lässt.

Die MagicPlan-App gibt es auch für Android. Mit ihr erstellt man Grundrisse manuell oder wie hier mithilfe der Kamera.

Auch für Android existieren Mass-Apps. Zu den beliebten Kandidaten gehören die Magicplan (auch fürs iPhone), AR Plan 3D Tape Measure und AR Ruler. Wie präzis die sind, hängt davon ab, wie die App mit dem Telefonmodell harmoniert – das sollten Sie vorab durch einige Probemessungen überprüfen.

Das Smartphone ist ein komfortables Messinstrument. Die meisten Leute dürften dem Zollstock und dem Massband intuitiv ein grösseres Vertrauen schenken. Doch es steckt noch mehr Potenzial in Lidar und den anverwandten Technologien: Neue Möbel und Inneneinrichtungen virtuell in der eigenen Wohnung auszuprobieren, wird in ein paar Jahren ganz normal sein.

Quelle: Newsnetz, Donnerstag, 20. Oktober 2022

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