Kampf um die besten digitalen Karten

Navigationsapps Orientierung per Smartphone war über Jahre Googles Domäne. Doch derzeit steckt Apple mehr innovative Ideen in die Karten-App. Jetzt holt Google zum grossen Schlag aus.

Matthias Schüssler

Es ist schwierig mit den Beziehungen zwischen den Techkonzernen: Wenn es ihnen in den Kram passt, dann sind sie zu Kooperationen bereit. Doch es braucht nicht viel, damit solche Partnerschaften auseinanderbrechen.

Das konnte man vor zehn Jahren beobachten: Im Sommer 2012 gab Apple das Ende der Kooperation mit Google bekannt. Der Konzern verkündete, fürs iPhone künftig nicht mehr Google Maps zu verwenden, sondern eine eigene Lösung. Der Grund war damals Googles Weigerung, die in Android bereits vorhandene sprachgesteuerte Navigation zur Verfügung zu stellen. Das war und ist eine der Schlüsselfunktionen eines Mobiltelefons, sodass Apple keine andere Wahl hatte, als sich aus der Abhängigkeit von Google zu lösen.

Apple hat in den letzten Jahren aufgeholt

Als Apple Maps im September 2012 auf den Markt kam, war der Spott gross: Die Nutzer haben unzählige, teils absurde Fehler gefunden. Die australische Polizei hat in einer offiziellen Meldung vor dem neuen Dienst gewarnt, weil Apple die Stadt Mildura um 70 Kilometer versetzt und mitten im Murray Sunset National Park platziert hatte. Das sei lebensgefährlich, weil es dort keine Wasserversorgung gebe und die Temperaturen bis auf 46 Grad ansteigen könnten.

Über die Jahre hat Apple Fehler ausgemerzt und aufgeholt. Wie heute die Marktanteile sind, lässt sich schwer abschätzen, da es keine offiziellen Zahlen gibt. Gemäss dem Statistikdienst Statista hatte Google 2018 in den USA einen Marktanteil von 72 Prozent, während Apple auf 11 Prozent kam. Zu berücksichtigen ist, dass Google Maps für alle Smartphones erhältlich ist, Apple Maps aber nicht mit Android benutzt werden kann.

Wie wichtig die Karten-App fürs Smartphone ist, zeigt sich daran, dass alle Kontrahenten in ihre Produkte investieren. Apple ist dabei, die Kartenansicht zu verbessern und die flachen Karten durch eine dreidimensionale Darstellung zu ergänzen. Diese zeigt detaillierte 3-D-Gebäude und Wahrzeichen sowie Landschaftselemente wie Bäume und Fussgängerstreifen.

Die «Umsehen»-Funktion ist das Äquivalent zu Google Streetview und zeigt die Umgebung als 360-Grad-Ansicht. Apple will auch die Sprachausgabe verbessern und anstelle von Distanzangaben auf konkrete Gegebenheiten Bezug nehmen und die Nutzerin oder den Nutzer etwa anweisen, «bei der nächsten Ampel nach rechts zu gehen».

Diese Neuerungen werden nach Regionen eingeführt. In Deutschland können sie genutzt werden. In der Schweiz werden die verbesserten Karten mutmasslich mit iOS 16 Einzug halten, das im Herbst erscheinen wird. Für die Vorbereitung sammelt der Konzern in der Schweiz derzeit neue Fotos und Daten. Der Mitarbeiter, der in Zürich unterwegs war, trug einen Rucksack, der nicht nur mit Kameras für Rundum-Aufnahmen ausgestattet ist, sondern für zusätzliche Präzision mit einem Laserradar (Lidar). Auch fürs kommende iPhone-Update sind Verbesserungen geplant. Mithilfe des Multi-Stop Routing sollen Routen mit bis zu 15 Zwischenstopps geplant werden können.

Während Apple das Erscheinungsbild der App verbessert, denkt Google in eine andere Richtung. Das «Manager Magazin» berichtete über ambitionierte Pläne des Chefs des Suchmaschinenkonzerns. Demnach will Sundar Pichai die Navigationshilfe zur «Super-App» umgestalten und daraus ein «10-Billionen-Dollar-Geschäft» machen.

Der Bericht besagt, dass Pichai die App zur zentralen Schaltstelle für Gastronomie, Handel und Tourismus umbauen will: Google würde die Besucherströme und Lieferdienste lenken, Zahlungen abwickeln und alle Möglichkeiten für Konsum und Dienstleistungen erschliessen. Allerdings ist diese Idee so neu nicht – schon 2019 gab es derlei Spekulationen zu hören. Es bleibt abzuwarten, ob die Nutzerschaft gewillt ist, einem der grossen Techkonzerne nicht nur die Navigation zu überlassen – sondern das ganze Leben.

15 Kameras auf dem Rücken: Ein Angestellter nimmt im Arlington National Cemetery in Virginia Bilder für Google Maps auf. Foto: Getty Images

Tipps für Google Maps

Einen Zwischenhalt einplanen. Wenn Sie eine Route planen, haben Sie die Möglichkeit, unterwegs Stopps einzufügen: Im Bereich mit Start- und Zielort tippen Sie rechts oben aufs Menüsymbol und betätigen «Stopp einfügen». Sie fügen nun weitere Orten an passender Stelle ein.

Schnell einzoomen. Normalerweise vergrössern Sie die Kartenansicht mittels Spreizgeste mit zwei Fingern. Es geht auch einfacher, indem Sie doppelt an eine Stelle tippen.

Während der Navigation Musik hören. Die Google-Maps-App zeigt auf Wunsch Steuerungstasten für die Audio-Wiedergabe an. Tippen Sie auf Ihr Profilbild, dann auf «Einstellungen › Navigation › Musikwiedergabesteuerung».

Den Inkognitomodus nutzen. Im Menü, das beim Tippen auf Ihr Profilfoto erscheint, gibt es den Befehl «Inkognitomodus aktivieren». Die Orte, die Sie nun aufsuchen, erscheinen nicht in Googles Verlauf.

Statistiken zu Ihren Reisen. Wenn Sie den Inkognitomodus nicht nutzen, liefert Ihnen Google Maps umfassende Einblicke zu Ihren Aktivitäten. Im Menü bei «Meine Zeitachse» sehen Sie Ihre Reisen, die verwendeten Transportmittel und die zurückgelegten Distanzen sowie die besuchten Orte und Städte.

Orte selbst benennen. Sie können Orten eine eigene Bezeichnung zuweisen, zum Beispiel «Zahni» für Ihren Zahnarzt. Wählen Sie die passende Wegmarke aus, tippen Sie rechts oben aufs Menüsymbol und betätigen Sie «Label hinzufügen».

Entfernungen messen. Tippen Sie auf einen Ort in der Karte, um eine Wegmarke zu setzen. Es erscheint eine Ansicht mit u.a. der Koordinationsangabe. In dieser finden Sie auch den Menüpunkt «Entfernung messen». Er bringt ein Fadenkreuz zum Vorschein, das Sie zum Zielpunkt verschieben. Über das Plus-Symbol können Sie auch Zwischenstationen einfügen. (schü)

Tipps für Apple Maps

Umsehen. Das Gegenstück zu Street View kann jetzt schon in deutschen Städten wie München oder Hamburg ausprobiert werden – achten Sie auf ein Feldstecher-Symbol in der linken unteren Ecke.

Reiseführer. Wenn Sie das Suchfeld am unteren Rand der Kartenansicht an der Lasche nach oben ziehen, haben Sie Ihre besuchten Orte und Favoriten zur Auswahl. Es gibt Reiseführer. Sie können selbst Orte einer Sammlung hinzufügen. Wenn Sie ins Suchfeld tippen, haben Sie vorgefertigte Reiseführer zur Auswahl.

Standard-Transportmittel. Damit Apple Maps Routen nicht erst fürs Auto berechnet, legen Sie in den iPhone-Einstellungen bei «Karten › Art der Fortbewegung» Ihre bevorzugte Methode fest.

Drittanbieter-Erweiterungen. In den iPhone-Einstellungen bei «Karten › Erweiterungen» schalten Sie Funktionen von Dritt-Apps frei, z.B. die Tischreservierungen von Local.ch.

Podcasts. In den iPhone-Einstellungen bei «Karten › Gesprochene Wegbeschreibungen» sorgt die Option «Routen halten Podcasts an» dafür, dass bei Ansangen der Podcast nicht gestoppt wird. (schü)

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 6. Juli 2022

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