Elon Musk hilft mit Satelliten-Internet – doch die Sache hat einen Haken

Starlink für die Ukraine Der Tesla-Chef unterstützt die Osteuropäer mit seinem Netzzugang. Das birgt auch Risiken für die User vor Ort.

Mychailo Fedorow, der ukrainische Vizepremier und Minister für Digitales, hat um Hilfe gebeten – und Elon Musk hat geliefert: Er hat eine Lastwagenladung mit Terminals in das Kriegsgebiet geschickt, mit denen sich via Satellit schnelle Internetverbindungen aufbauen lassen, wenn die Telefon- und Mobilfunknetze zerstört oder sabotiert worden sind.

Musks System heisst Starlink. Es wird von seinem Raumfahrtunternehmen Spacex entwickelt. Es ist seit acht Jahren in Planung und seit 2019 funktionsfähig: Im Oktober setzte Musk einen ersten Tweet über Starlink ab.

Schnell aufgebaut, aber teuer

Der Start des produktiven Betriebs erfolgte erst vor wenigen Monaten: Seit Oktober 2021 sind die Terminals erhältlich, die auch in den entlegensten Gebieten Verbindung zum Internet herstellen. In einem frühen Test im Mai hat das Technikportal The Verge geurteilt, Starlink habe das Potenzial für einen Hightech-Traum: Internet auf hoher See, im Wohnmobil oder auf der Strasse. «Doch im Moment ist es ein Beta-Produkt: unzuverlässig und inkonsistent, und es scheitert schon bei der kleinsten Andeutung von Bäumen.»

Ein Test des Techportals Golem vom April fällt positiver aus: Der Inhalt des 14 Kilogramm schweren Pakets, der vorwiegend aus einer Satellitenschüssel besteht, sei innert einer Viertelstunde aufgebaut und betriebsbereit. Die Verbindungsgeschwindigkeit mit 165 Mbps im Download und 20 Mbps für den Upload ist im Vergleich mit Schweizer ADSL-Anschlüssen am unteren Ende, aber für Satelliten-Internet ausgezeichnet – allerdings schwankt die Übertragungsrate stark, kritisiert wird auch der hohe Stromverbrauch von 90 bis 110 Watt.

Das Satelliten-Internet ist bislang keine Konkurrenz zum herkömmlichen Internetzugang. Es ist noch nicht in allen Weltgegenden erhältlich, und es gibt eine Warteliste. Ein Handicap ist auch der Preis: Für die Hardware sind 499 Dollar zu berappen, der Betrieb kostet 99 Dollar pro Monat. Es gibt auch ein Premium-Abo für bis zu 500 Mbps, das 500 Dollar pro Monat und 2500 Dollar für die Antenne kostet.

Dartum ist es kein Akt reiner Selbstlosigkeit, wenn Musk Satellitenterminals in die Ukraine schickt: Auch wenn es etwas zynisch klingt, ist das die perfekte Gelegenheit für sein System, zu beweisen, was es kann – zumal Starlink stark in der Kritik steht.

Musk hat bereits um die 1700 Satelliten in den Orbit geschossen; in der finalen Ausbaustufe sollen es Zehntausende sein. Wenn es tatsächlich bis zu 42’000 künstliche Erdtrabanten werden sollen, dann ist das ein Vielfaches der rund 12’000 Stück, welche die Menschheit bis jetzt gestartet hat. Diese Flut an neuen Objekten dürfte nicht nur das Problem des Weltraumschrotts vergrössern.

Sie beeinträchtigt auch die Beobachtungsmöglichkeiten der Astronomen, und Experten befürchten auch unkalkulierbare Auswirkungen aufs Klima: «Ein menschliches Talent ist es, seine Fähigkeit zur Veränderung der Umwelt zu unterschätzen», zitiert das Portal Space.com den kanadischen Astronomen Aaron Boley.

Mit seiner Spende für die Ukraine bekäme Musk einen Beleg dafür, dass sich das lohnt. Allerdings ist der Einsatz von Starlink in einem Kriegsgebiet nicht ohne Risiko: John Scott-Railton forscht an der Universität Toronto und weist darauf hin, dass sich die Satellitenstationen aus der Luft orten lassen: Die Gefahr besteht, dass sie zum Ziel von Luftschlägen werden.

Matthias Schüssler

Von Forschern kritisch beurteilt: Ein Satellit für Elon Musks Starlink-Projekt sorgt in der Langzeitbelichtung am Nachthimmel Floridas für helle Streifen. Foto: Malcolm Denemark (AP, Keystone)

 

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 2. März 2022

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