Youtube hat deutlich an Glanz verloren

Früher war alles besser Mehr Werbung, weniger Selbstbestimmung: Googles Videoplattform hat an Benutzerfreundlichkeit eingebüsst.

Lange Jahre hat man sich gefragt, warum sich Google ein so teures Hobby wie Youtube leistet. Die Plattform, die Google 2006 für 1,65 Milliarden US-Dollar gekauft hatte, war mutmasslich mindestens zehn Jahre lang defizitär. Doch das Blatt hat sich gewendet: 2020 hat Youtube 19,8 Milliarden US-Dollar Umsatz generiert, mit einem frappanten Wachstum: 2019 waren es 15 Milliarden, 2018 erst 11 Milliarden gewesen.

Wie lukrativ Youtube ist, bekommt man als Nutzer auf Schritt und Tritt zu spüren. Die Werbedichte nimmt laufend zu: Seit gut einem Jahr dürfen auch Clips von mindestens acht Minuten mit Werbung, sogenannten Mid Rolls, unterbrochen werden. Ende 2020 hat Youtube die Nutzungsbedingungen so geändert, dass Werbung auch bei den Kanälen möglich ist, die zu klein sind, um an Youtubes Partnerprogramm teilzunehmen, und bisher werbefrei waren. Doch anders als die grossen Kanäle werden die kleinen Produzenten nicht an diesem Umsatz beteiligt – sie gehen schlicht leer aus.

Aggressive Promotion

Nebst der Werbung verdient Youtube auch über das Premium-Abo Geld. Gemäss Bloomberg zahlen inzwischen 50 Millionen Nutzer bzw. 2,5 Prozent eine monatliche Gebühr, um keine Werbung sehen zu müssen, Videos herunterladen und im Hintergrund abspielen zu dürfen. Diesen Premium-Dienst promotete Youtube bisweilen so aggressiv, dass die Nutzer protestierten. Inzwischen gibt es in den Einstellungen der App bei «Benachrichtigungen» die Option «Produktupdates»: Ist sie abgeschaltet, bleibt die Werbung in eigener Sache aus.

Für das Wachstum von Youtube Premium hat Google auch Apps von Drittherstellern den Garaus gemacht. Ein Beispiel ist die Protube-App, die 2014 auf den Markt kam. Wie deren Entwickler, Jonas Gessner, erläuterte, hat Apple Apps wie die seine 2017 auf Aufforderung seitens Youtube aus dem Store geworfen. Für die Nutzer ist das ein Rückschritt: Protube bot Funktionen, die nun nur noch via Youtube-Premium-Abo zur Verfügung stehen und zum Teil auch überhaupt nicht mehr vorhanden sind, insbesondere die Möglichkeit, nur die Tonspur eines Videos zu laden.

Gegen die eigenen Regeln

Das grösste Problem der Videoplattform ist indes nicht neu: Das ist der Algorithmus, der den Nutzern automatisch weitere Videos vorschlägt und im Verdacht steht, Verschwörungstheorien, Hassrede und Desinformation zu befördern. Die Zeitung «The Guardian» hat das 2018 ausführlich erläutert. Eine neue Studie der Mozilla-Stiftung zeigt, dass dieses Problem allen Beteuerungen zum Trotz nicht gelöst ist: Der Algorithmus empfiehlt Videos, die gegen die firmeneigenen Richtlinien verstossen, zeigt die breit angelegte Untersuchung.

Matthias Schüssler

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 8. September 2021

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