Lässt sich das iPhone mit seinen eignen Waffen übertrumpfen?

Wir haben den Palm Pre und das HTC Hero, zwei erklärte iPhone-Killer, ausprobiert. Beide Smartphones zeigen im direkten Vergleich mit ihrem Vorbild überraschende Stärken – und Schwächen.

Von Matthias Schüssler

Mit dem iPhone ist Steve Jobs ein Wurf von der Tragweite des Apple Macintosh, des iMac und des iPod gelungen. Es taugt nicht nur zum Kultgegenstand, sondern auch zum Archetyp.

Nach diesem Vorbild strickt die Konkurrenz eigene Modellreihen. Touchscreens mit Gestensteuerung sind allgegenwärtig. Zur Software-Ausstattung gehört ein ernst zu nehmendes Betriebssystem und die Erweiterungsmöglichkeit über einen Software-Laden à la App Store. Und für jeden iPhone-Abkömmling ist ein schicker Look und eine einfache Bedienung Pflicht.

Zwei Telefone, die auf den Spuren des iPhones wandeln und all diese Anforderungen erfüllen, sind das HTC Hero und der Pre von Palm. Halten sie den Vergleich mit ihrem Stammvater stand, oder bleibt dessen Vormachtsstellung unangetastet? Die potenziellen iPhone-Killer auf dem Prüfstand:

Formfaktor und Bedienung: Nebst dem Touchscreen benötigt das iPhone nur Home- und Stand-by-Taste (abgesehen von der Lautstärkeregelung und Stummschaltung). Das Hero hat sechs Tasten plus Scrollrad. Die Rückwärtstaste ist ungünstig platziert. Beim Pre gibt es eine Hometaste, eine ausfahrbare Tastatur und ein berührungsempfindliches Feld unterhalb des Bildschirms, auf dem man per Fingerzeig zurückblättert. Die Tastatur ist klein geraten, aber brauchbar.

Beim Design ist der Stammhalter ungeschlagen: Das iPhone hat die klarsten Formen und die konsequenteste Ausrichtung auf die Gestensteuerung.

Ausstattung: Die Kamera des Hero bietet 5,1 Megapixel, die des iPhones 3GS und des Palms je drei Megapixel. Das iPhone 3GS und das HTC Hero nehmen auch Video auf. Alle drei Geräte haben Bluetooth, WLAN und GPS. Das iPhone 3GS und das Hero verfügen über einen Kompass. Ein Muss sind die Lage- und Beschleunigungssensoren.

Die Hardware reizt das iPhone am besten aus. Für das iPhone gibt es unzählige Games, die man allein durch Bewegen des Telefons spielt.

Startbildschirm: Der Pre zeigt die geöffneten Programme, die sich nach rechts und links durchblättern lassen. Das gewährt schnelle Einblicke in Webseiten, Termine, Mails, Kontakte und andere Informationen. Beim Hero blenden Widgets auf dem Startbildschirm Kontakte, Mails, Twitter-Unterhaltungen und den nächsten Termin ein. Diese Widgets ordnet man nach eigenem Gusto an und sieht auf einen Blick alle wichtigen Informationen. Beim iPhone muss man dafür von Anwendung zu Anwendung wechseln.

Das Hero holt am meisten aus dem Startbildschirm heraus und lässt das iPhone alt aussehen. Der Pre hat die beste Suchfunktion. Man braucht sie nicht einmal zu starten. Der Palm beginnt mit seiner Suche, sobald man auf dem Startbildschirm die ersten Buchstaben eines Worts tippt. Fündig wird man auch in Programmen von Drittherstellern.

Surfen: Alle drei Telefone bieten einen guten Browser und eine ähnliche Bedienung mit Gesten. Safari von iPhone ist das eleganteste der drei Surfprogramme. Am Pre gefällt, dass jede offene Website als separates Fensterauf dem Startbildschirm erscheint.

Multimedia: Bei Musik, Video und Podcasts bleibt das iPhone ungeschlagen. Die Integration des iTunes Music Store, die Genius-Funktion und intelligente Wiedergabelisten sind alles Pluspunkte fürs iPhone. Der Palm versucht zwar, dem Pre eine Synchronisation mit iTunes zu ermöglichen, doch das wird von Apple umgehend vereitelt.

Synchronisation: Alle drei Konkurrenten gleichen Daten über W-LAN oder per Mobilfunknetz ab. Man spart sich den Aufwand, für den Abgleich das Telefon an den Computer anschliessen zu müssen. Alle Geräte unterstützen Exchange und damit auch das Zusammenspiel mit Outlook. Beim iPhone ist für den drahtlosen Abgleich von Mails, Kalender und Kontakten ein kostenpflichtiges Mobile-Me-Abo nötig.

Pre und Hero werden von Google mit Daten beliefert. Wer Mails, Kontakte und Kalender bei Google hat, braucht nur Benutzernamen und Passwort einzugeben, um alle Daten auf dem Telefon vorzufinden.

Noch weiter geht der Pre: Er berücksichtigt die Adressen von Yahoo, Hotmail und sogar von Facebook. Nach der Anmeldung finden sich alle Facebook-Freunde im Adressbuch. Wenn eine Person in mehreren Adressbüchern verzeichnet ist, konsolidiert eine Funktion namens «Synergy» alle Angaben zu einem Eintrag. Der Palm hat erkannt, dass sich das Adressbuch dank sozialer Netzwerke von ganz allein verwaltet.

Software: Alle drei Kontrahenten warten mit einem soliden Grundstock an vorinstallierten Anwendungen auf. Programme zur Anzeige von Word-Dokumenten und PDFs sind vorhanden. Der Pre kommt auch mit Excel-Tabellen klar, und iPhone punktet seinerseits mit Videoschnitt-Funktion und Sprachmemo-Recorder. Beim Hero vermisst man eine Funktion zum Erstellen von Bildschirmfotos.

Mit den mitgelieferten Anwendungen muss man sich bei keinem derdrei Smartphones begnügen. Nach dem Vorbild des App Store gibt es beimHTC den Android Market und beim Palm Pre den App Catalog.

Beim Software-Angebot kann aber niemand dem iPhone das Wasser reichen. In Apple-Laden gibt es nach jüngster Zählung rund 100 000 Titel, bei der Konkurrenz sind es bloss eine Handvoll. Und aufwändig produzierte Titel, wie man sie etwa unter den iPhone-Games findet, sucht man gar vergeblich. Zumindest der Android Market hat jedoch gute Wachstumschancen. Die Google-Plattform wird für Software-Entwickler interessant, weil neue Android-Modelle angekündigt sind. Wichtige Impulse verspricht man sich von Droid. Das ist ein Smartphone von Motorola, das in den USA in den Startlöchern steht. Auch Sony und Samsung haben Android-Telefone angekündigt.

Offenheit: Apple kontrolliert seine Plattform mit harter Hand, etwa den App Store, der unliebsamen Anwendungen den Eintritt verweigert. Verbannt wurde auch Googles Internet-Telefonie-Programm Voice. Apple gewährleistet mit Selektion ein stimmiges Ökosystem. Selbst die kleinste App fügt sich harmonisch ins Bild. Im Android Market findet man Programme mit amateurhafter Optik und beim Pre ärgert man sich über Programme, die vermeintlich gratis sind, sich dann aberals werbefinanziert entpuppen. Bei der Benutzerfreundlichkeit ist das iPhone der klare Sieger – zum Preis, dass man sich Apples Diktat zu fügen hat.

HTC Hero: Listenpreis 799 Franken, Strassenpreis etwa 580 Franken, ohne Vertrag. Palm Pre: 749 Franken bei digitec.ch

Beim Datenabgleich macht dem Palm Pre niemand etwas vor.

Das HTC Hero hat den flexibelsten und informativsten Startscreen.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 9. November 2009

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