Apple arbeitet am Unterbau und an der Zukunft

Snow Leopard ist das neue Mac-Betriebssystem. Es steht auf stabilerem Fundament und sagt Windows 7 den Kampf an.

Von Matthias Schüssler, London

Den meisten Unternehmen in der Informatikbranche ist kaum je ein Wort zur Konkurrenz zu entlocken. Apple ist eine Ausnahme. An Apples Europasitz in London ist Microsoft und Windows 7 ein wichtiger Punkt beim Pressebriefing. Wenn man dem Produktmanager Glauben schenken darf, ist Microsofts lang erwartetes neues Betriebssystem vergleichsweise teurer, kompliziert, lückenhaft und veraltet – und Snow Leopard nicht gewachsen.

Mac OS X 10.6 alias Snow Leopard ist ab sofort erhältlich und löst nach knapp zwei Jahren seinen Vorgänger Leopard ab. Selbst der Veröffentlichungstermin Ende August mit sofortiger Verfügbarkeit in den Läden ist eine Spitze gegen den grossen Konkurrenten. Windows-User müssen sich noch bis Oktober gedulden, bis sie das veraltete XP oder das ungeliebte Vista in die Wüste schicken können.

Konfrontation ist auch beim Preis angesagt. Während Windows-Kunden tief in die Tasche werden greifen müssen, ist Snow Leopard als Upgrade der Vorgängerversion für günstige 39 Franken zu haben. Das Familien-Update mit fünf Lizenzen kostet 69 Franken, und wer Tiger zusammen mit iLive und iWork auf den neuesten Stand bringen will, stattet für 219 Franken die ganze Familie mit allen Programmen aus.

Wenig sichtbar Neues

So preiswert das ist, es gibt nur wenige direkt zugängliche neue Funktionen, die das Update schmackhaft machen (siehe Beitrag unten). Die wichtigen Neuerungen stecken unter der Oberfläche. Apple hat den Finder neu geschrieben. Das Datenverwaltungsprogramm soll robuster arbeiten und bei Problemen wie einem nicht reagierenden Netzlaufwerk nicht mehr den Rechner blockieren.

Mail, iCal, iChat und Safari liegen als 64-bit-Anwendungen vor. Apple postuliert einen Geschwindigkeitsgewinn, der spürbar, aber nicht aufsehenerregend ist. 64-bit-Anwendungen sind besser auf leistungsfähige Systeme ausgelegt und können sich sehr viel mehr Arbeitsspeicher zunutze machen als Programme mit herkömmlichen Speicherpfaden von 32-bit-Breite.

Eine zweite Neuerung unter der Haube ist Open CL. Dieser offener Standard erlaubt es Softwareentwicklern, in ihren Anwendungen die Leistungsreserven moderner Grafikkarten auch für Aufgaben einzusetzen, die nicht unmittelbar mit Grafikverarbeitung zu tun haben. Wissenschaftliche Anwendungen lassen sich beispielsweise beschleunigen, weil Grafikkarten spezifische Aufgaben schneller erledigen als der Hauptprozessor.

Schliesslich steckt in Snow Leopard eine neue Technologie namens Grand Central Dispatch. Ihr Zweck ist es, mehr aus Computern mit mehreren Prozessorkernen herauszuholen. Also aus den High-End-Macs: In den Arbeitsstationen im Alu-Gehäuse verbaut Apple zwei Quadcore-Prozessoren mit total acht Prozessorkernen. Andere Rechner besitzen zwei oder vier parallel arbeitender Recheneinheiten. Mit mehreren Kernen reagieren Computer im Idealfall auch bei starker Auslastung und vielen Hintergrundaktivitäten flüssig. Voraussetzung ist Software, die die Teilaufgaben auf die Prozessorkerne verteilen kann.

Versprechen für die Zukunft

Doch diese ist bis anhin rar, weil sie schwer zu programmieren ist. Apple vereinfacht die Arbeit der Entwickler, indem diese durch simples Auszeichnen von Blöcken im Programmcode Software passend strukturieren können. Grand Central Dispatch ist vor allem ein Versprechen für die Zukunft. Es verheisst schnelleres Arbeiten, sobald angepasste Versionen der Anwendungsprogramme bereitstehen.

Trotz Apples Seitenhieben gegen Microsoft haben Snow Leopard und Windows 7 eine zentrale Gemeinsamkeit: Sie müssen sich in Bescheidenheit üben. Gefragt sind Schnelligkeit, Sicherheit, Stabilität und Zuverlässigkeit und sonst nichts. Was die Anwender heutein Atem hält, sind die neuen Funktionen in Facebook und in Google Street View. Da will niemand sich mit neuen Windows- oder Mac-Funktionen auseinandersetzen. Ein gutes Betriebssystem zeichnet sich dadurch aus, dass alles funktioniert wie gewohnt. Die Zeit spektakulärer Features ist vorbei.

SCREEN TA

Die grössten sichtbaren Neuerungen von Snow Leopard stecken im Dock.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 31. August 2009

Rubrik und Tags:

Faksimile
090831 Seite 50.pdf

Die Faksimile-Dateien stehen nur bei Artikeln zur Verfügung, die vor mindestens 15 Jahren erschienen sind.

Metadaten
Thema: Hauptgeschichte
Nr: 8994
Ausgabe:
Anzahl Subthemen: 1

Obsolete Datenfelder
Bilder: 1
Textlänge: 300
Ort:
Tabb: FALSCH