Dann geh doch, Mark Zuckerberg

Facebook will sich aus Europa zurückziehen, weil hierzulande die Datenschutzregeln zu streng seien.

Matthias Schüssler

Mark Zuckerberg ist ein Fan der virtuellen Realität, so viel ist bekannt. Doch dass der Mann dabei ist, den Bezug zur echten Realität zu verlieren, überrascht dann doch. Er glaubt tatsächlich, nicht nur das Metaversum, sondern auch die europäische Politik nach seinem Gusto gestalten zu können.

Mark Zuckerberg denkt laut darüber nach, sich aus Europa zurückzuziehen und Facebook sowie Instagram auf diesem Kontinent abzuschalten. Dem Chef von Meta sind die Datenschutzgesetze ein Dorn im Auge. Der Europäische Gerichtshof hat im letzten Juni das «Privacy Shield»-Abkommen für ungültig erklärt, mit dem sich Daten einfach zwischen Europa und den USA hatten austauschen lassen. Das war damals ein Erfolg für den österreichischen Datenschützer Max Schrems gewesen, der die digitalen Grundrechte stärken will.

Im Jahresbericht an die USBörsenaufsichtsbehörde SEC sieht Facebook die Hürden im Datenaustausch als Gefahr fürs Geschäft und teilt mit, man sei womöglich ausser Stand, die Dienstleistungen in Europa weiterhin anzubieten.

Das ist eine Drohgebärde, mit der die EU dazu gebracht werden soll, möglichst zügig eine neue Regelung für den Datenaustausch in Kraft zu setzen, die Facebook für die erste Hälfte dieses Jahres erwartet.

Es leuchtet ein, dass für die Technologiekonzerne globale Standards sinnvoll sind, die sie über Ländergrenzen hinweg anwenden können. Der Meta-Konzern scheint aber noch nicht einmal gewillt, über den Datenschutz ernsthaft zu diskutieren: Firmengründer Mark Zuckerberg will den Standard nach unten nivellieren und ihn den amerikanischen Gesetzen anpassen, die laxer sind als die europäischen.

Unter diesen Voraussetzungen gibt es für die EU gar keine andere Wahl, als ihre Werte hochzuhalten. Gleichgültig, wie milliardenschwer Facebook auch sein mag, Zuckerberg verkennt die Rolle, die er spielt. Wenn Google damit drohen würde, in Europa die Suchmaschine, Gmail und die Office-Anwendungen aus dem Verkehr zu ziehen, dann wäre das ein Argument mit einer gewissen Stichhaltigkeit – selbst wenn auch das nicht bedeuten dürfte, dass sich die Politik die Bedingungen durch einen Konzern diktieren lassen soll.

Mark Zuckerberg hingegen sollten wir beim Wort nehmen. Wir sollten ihn bitten, sein soziales Netzwerk abzuschalten – und Instagram obendrein, falls er nicht in der Lage sein sollte, ein grundlegendes Verständnis für die europäischen Datenschutzbedürfnisse aufzubringen.

Natürlich wäre es erst einmal ein Schock für viele Nutzer, wenn eines schönen Tages die Routine, sich eben schnell mal durch den Newsfeed und die neuen Instagram-Bildchen zu klicken, ins Leere laufen würde. Doch es steht ausser Frage, dass noch am selben Tag Startups gegründet werden würden, die in die Lücke springen könnten. Und ohne Zweifel würden die es sich nicht erlauben können, das Wohl der Nutzer dem Profit unterzuordnen, wie es Facebook tut – wie wir aus den Enthüllungen der Whistleblowerin Frances Haugen wissen.

Es mag Unternehmen geben, die angesichts von Metas Drohung nervös geworden sind. Manche Unternehmen sind auf Facebook oder Instagram angewiesen, weil sie ihr Geschäft darüber betreiben oder mit Kunden kommunizieren. Sie sollten das zum Anlass nehmen, diese Abhängigkeit zu überdenken.

 

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 9. Februar 2022

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