Internetprogramm Vivaldi

Die isländischen Browser-Entwickler, die Google Paroli bieten

Besser als Google Chrome: Vivaldi ist zwar wenig bekannt, aber umso innovativer. Das alternative Internetprogramm erscheint heute in der Version 6.

Matthias Schüssler

Das Fähnlein der aufrechten Browser-Partisanen.

Vivaldi ist einer der erfolgreichsten Browser. Zumindest, wenn man die Funktionsvielfalt als Massstab anlehnt: Dieses Surfprogramm lässt sich auf so vielfältige Weise anpassen, dass die Konkurrenz – namentlich Google Chrome, aber auch Firefox, Microsoft Edge und Apple Safari – alt aussieht. An diesem Dienstag erscheint die Version 6 des Browsers, mit der die Anpassbarkeit auf die Spitze getrieben wird.

Die flexible Oberfläche ist die grosse Stärke dieses Browsers. Die Leiste mit den Reitern für alle geöffneten Websites ist bei den Browsern traditionell am oberen Rand zu finden. Bei Vivaldi lässt sie sich auch links, rechts oder unten andocken. Die seitliche Platzierung ist auf grossen Monitoren praktisch, weil die in der Breite oft viel Freiraum aufweisen. Von den grossen Monitoren macht auch die Kacheldarstellung Gebrauch: Sie zeigt mehrere Websites entweder neben- oder untereinander oder als Raster oder verschiebt eine Site in die Seitenleiste. Auf diese Weise halten Sie wichtige Informationen, etwa Ihre Notizen, während des Surfens immer im Blick. Auch wenn Sie Texte für einen Blog oder in einer Online-Textverarbeitung schreiben, ist es praktisch, wenn diese Arbeit in eine eigene Kachel ausgelagert werden kann.

Vivaldi ist für Intensiv-Surfer gemacht: In der Arbeitsumgebung «News» sind die Websites nach Stacks, das heisst nach Gruppen, sortiert.
Alle Fotos: Screenshots schü

Alle offenen Reiter lassen sich auch in der Seitenleiste anzeigen und durchsuchen.

Das ist die Kacheldarstellung, die zwei Websites nebeneinander anzeigt: Das ermöglicht es, parallel zum Schreiben eines Blogposts im Web zu recherchieren oder Notizen anzuzeigen.

Eine Neuerung in der heute erschienen Version 6 betrifft die Möglichkeit, den Look des Browsers via Themes anzupassen.

In Vivaldi lassen sich die offenen Reiter nach Arbeitsbereichen sortieren: Über diese Bereiche trennen Sie private Dinge und Berufliches. Sie können für Projekte oder bestimmte Recherchen eigene Arbeitsbereiche anlegen oder News und soziale Medien auslagern. Das ermöglicht es, viele Websites offen zu halten und sich dennoch auf eine bestimmte Sache zu konzentrieren.

Die vielfältigen Methoden, um offene Websites zu organisieren

Auch die Stacks helfen dabei, die Übersicht zu wahren. Durch das «Stapeln» von Reitern organisieren Sie sie zu einer Gruppe, deren Inhalt nur im geöffneten Zustand sichtbar ist. Das klingt verwirrend, erschliesst sich beim Ausprobieren jedoch schnell: Stellen Sie sich einen Arbeitsbereich für «News» vor, in dem es jeweils einen Stack für Ihre Hauptmedien, für Magazine mit langen Lesestücken und für Spezialinteressen gibt. Diese Sortierung bleibt beim Neustart erhalten. Wenn Sie am Morgen den Browser öffnen, müssen Sie nicht erst Ihre News-Websites aufrufen, sondern Sie blättern sich einfach durch den entsprechenden Arbeitsbereich.

Die neue Version 6 ist auch bei der Optik anpassungsfähig. Die sogenannten Themen bestimmen die Farbgebung, den Hintergrund und generell die optische Erscheinung. Sie können aus vielen vorgefertigten Themen wählen, aber es gibt auch einen Editor, über den Sie die Darstellung nach Ihren Wünschen konfigurieren. Neuerdings lassen sich sogar die Icons anpassen. Es gibt eher unauffällige Looks und solche mit mehr Pep – und eine Retrovariante, die das Erscheinungsbild von Windows 95 imitiert.

Gegen Google, Microsoft und Apple ist nur schwer anzukommen

Doch so flexibel und vielseitig Vivaldi auch ist: Wenn wir seinen Erfolg am Marktanteil messen, dann ist dieser Browser ein Versager. Die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer ist so gering, dass Analysten wie Netmarketshare.com ihn noch nicht einmal ausweisen. Das hat einerseits den Grund, dass Vivaldi nur bei intensiver Nutzung einen Vorteil gegenüber den gängigen Browsern aufweist. Andererseits ist es auch eine Folge davon, dass Google, Microsoft und Apple ihre Marktmacht ausspielen, um den eigenen Produkten zu einer guten Verbreitung zu verhelfen. Auch der bekannteste unabhängige Browser, Firefox, weist deswegen seit Jahren schwindende Nutzerzahlen auf.

Jon von Tetzchner ist seit 1995 im Browser-Geschäft.

Immerhin geben sich Microsoft und Apple Mühe, ihre Browser zu verbessern. Von Google lässt sich das nicht behaupten: Chrome stagniert seit Jahren und ist trotz des höchsten Marktanteils inzwischen der schlechteste Browser von allen. Das ist ein stichhaltiger Grund, den «Underdogs» eine Chance zu geben: Probieren Sie es mit Vivaldi, den Sie gratis von Vivaldi.com herunterladen und auch parallel zu Ihrem angestammten Browser verwenden können. Übrigens: Falls Ihnen eine gewisse Ähnlichkeit zum Opera-Browser auffällt, der schon 1994 auf den Markt kam und zu den Urgesteinen des Web zählt, dann kommt das nicht von ungefähr: Vivaldi wird seit 2015 von Jon von Tetzchner entwickelt. Der Isländer war Mitbegründer des Unternehmens hinter Opera, hat diesem aber 2011 den Rücken gekehrt, weil Opera seiner Meinung nach zu wenig auf die Bedürfnisse der Nutzer eingegangen ist.

Falls Sie mit Vivaldi nicht warm werden, gibt es weitere Alternativ-Browser. Eine spannende Entwicklung für den Mac sind Arc (Thebrowser.company, hier vorgestellt) oder Duck Duck Go for Mac (Duckduckgo.com/mac, siehe hier).

Quelle: Newsnetz, Mittwoch, 19. April 2023

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