Twitterrific und Tweetbot

Elon Musk sperrt beliebte Twitter-Anwendungen

Ohne Vorankündigung lässt der Chef Apps blockieren, die auf dem sozialen Netzwerk weitverbreitet sind. Das gibt ihm mehr Kontrolle – doch es verprellt eingefleischte Nutzerinnen und Nutzer.

Matthias Schüssler

Twitter duldet neben der offiziellen App keine grossen Konkurrenten mehr.

Twitter lässt sich seit vielen Jahren nicht nur über die Website und über die offizielle App nutzen, sondern auch über Apps von Drittherstellern. Doch damit könnte jetzt Schluss sein: Denn letzten Freitag haben einige dieser Dritt-Apps aufgehört, zu funktionieren – sie konnten keine Tweets mehr abrufen und versenden.

Ein technisches Problem oder Absicht? «The Information» berichtet, die Sperre sei in voller Absicht erfolgt. Offenbar liegen der auf Tech-News spezialisierten Website Chatnachrichten des Kurznachrichtendienstes vor, die das belegen. Twitter selbst hat sich nicht dazu geäussert.

Das Ende der Dritt-Apps

Betroffen sind nicht alle Dritt-Apps, sondern offenbar nur die grossen, namentlich Twitterrific und Tweetbot. Twitterrific zeigt derzeit die Meldung an, bei Twitter sei «etwas Schlimmes passiert». Tweetbot scheint bereits kapituliert zu haben: In der Mitteilung über den Ausfall werden die Nutzerinnen und Nutzer auf Ivory aufmerksam gemacht. Das ist eine noch in Entwicklung befindliche App für den Kurznachrichtendienst Mastodon.

«Etwas Schlimmes ist bei Twitter passiert»: Die App Twitterrific informiert ihre Nutzerinnen und Nutzer, dass es sich um ein temporäres Problem oder um etwas Gravierenderes handeln könnte.
Foto: Matthias Schüssler (Screenshot)

Tweetbot rechnet mit dem schlimmsten und verweist die Nutzerschaft auf die App für Mastodon.
Foto: Matthias Schüssler (Screenshot)

Es ist davon auszugehen, dass damit das Ende der Twitter-Apps von Drittherstellern gekommen ist. Denn selbst wenn die kleineren Anbieter von der Sperre nicht betroffen sind, müssen sie sich Gedanken machen, ob sie dieses Geschäft weiterhin betreiben wollen – zumal Twitter die fraglichen Apps ohne Ankündigung und ohne Erklärung ausgeschlossen hat.

Der Autor des Tech-Portals Macstories.net schreibt, dieses Vorgehen eine Schande zu nennen, «wäre eine Untertreibung». Die Beziehung zu den Dritt-Apps war schon vor der Übernahme durch Elon Musk belastet, weil Twitter bei ihnen weniger Kontrolle über die Darstellung und Funktionsweise hat. Beispielsweise zeigen die Dritt-Apps die Zeitleiste chronologisch an und nicht vom Algorithmus sortiert. Und vor allem tragen sie nichts zu Twitters Umsatz bei, weil keine Werbung erscheint. Letzteres liegt allerdings an Twitter selbst, weil die Werbung gar nicht an die Dritt-Apps ausgeliefert wird.

Die Dritt-Apps steuern zum Erfolg bei

Andererseits haben die Dritt-Entwickler einen wesentlichen Anteil an Twitters Erfolg: Sie haben den Mikroblogging-Dienst auf die Mobiltelefone gebracht, als Twitter selbst noch keine Anstalten in diese Richtung gemacht hat. Die offizielle App ist keine Eigenentwicklung, sondern aus der Tweetie-App hervorgegangen, die Twitter im April 2010 aufgekauft hatte. Vor allem in der Anfangszeit haben die unabhängigen Entwickler viele Ideen und Konzepte eingebracht, die heute charakteristisch sind.

Eine davon ist die «Pull to refresh»-Funktion: Zieht man eine Liste am oberen Ende herunter, wird sie aktualisiert. Diese Methode wird von Android und dem iPhone längst universell unterstützt, doch erfunden wurde sie von Software-Entwickler Loren Brichter für die besagte Tweetie-App. Selbst der englische Begriff fürs Twittern stammt von einem Aussenstehenden: Craig Hockenberry, der Entwickler von Twitterrific, hat das Verb «to tweet» geprägt, während Twitter selbst das Versenden einer Nachricht von «twittering» gesprochen hat.

Im Gegensatz zu der offiziellen, kostenlosen Twitter-App sind die Dritt-Apps oft kostenpflichtig: Es liegt auf der Hand, dass nur die engagierten Nutzerinnen und Nutzer eine alternative App aussuchen und sogar bereit sind, dafür zu bezahlen. Genau diese Nutzerschaft auf diese Weise vor den Kopf zu stossen, ist keine kluge Geschäftsentscheidung.

Quelle: Newsnetz, Montag, 16. Januar 2023

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