Spiel mit der eigenen Identität

Acht Apps, um sich neu zu erfinden

Per Smartphone verwandeln wir uns in Superhelden oder Musikstars, prüfen eine neue Frisur oder einen modischen Look oder werden in einer Spiel-App zum Drachen oder Krieger.

Matthias Schüssler

Die Lensa-App links generiert anhand von einigen Selfies völlig neue Motive. Die FaceApp rechts verändert ein Selfie, beispielsweise durch einen virtuellen Bart.

Zur Fantasiegestalt werden

Aus dem Nichts hat sich Lensa (Android und iPhone) zur Nummer eins bei den Foto-Apps gemausert. Diese Bildbearbeitungs-App verbessert Fotos mit künstlicher Intelligenz – aber nicht nur das: Wer die App benutzt, kann sich in virtuelle Fantasiewelten versetzen und als Astronaut, Kriegerprinzessin, Cyborg oder Superheldin abbilden lassen: Dieses Spiel mit Fantasieidentitäten entpuppt sich als kurzweilig – aber es ist nicht ohne Risiko: Die KI wird durch eine riesige Anzahl Bilder aus dem Internet gespeist, die offensichtlich nicht alle handverlesen sind, und produziert deswegen gelegentlich auch verstörende Resultate.

Die App gibt es für Android und iPhone. Sie ist kostenlos, doch aufgrund des grossen Rechenaufwands muss für die Erstellung der sogenannten «magischen Avatare» bezahlt werden; die Preise dafür starten bei drei Franken.

Die Lensa-App hat den Autor in einen verträumten Piloten mit etwas abstehenden Ohren verwandelt.
Foto: Lensa

Die Clips-App von Apple ist kindertauglich und verwandelt Nutzerin oder Nutzer in Echtzeit in eine Comicfigur mit interaktiver Mimik.
Foto: schü

Die Voilà-App verwandelt Selfies in Karikaturen.
Foto: schü

Es gibt auch gefahrlose und für Kinder geeignete digitale Verwandlungsmöglichkeiten: Die Clips-App von Apple (iPhone) nimmt Videos auf, in denen Personen live durch niedliche Kunstfiguren ersetzt werden: Wir mutieren zu Tieren wie Giraffe, Hai, Fuchs oder Hündchen oder aber auch zum Alien oder Roboter. Der Clou: Diese virtuellen Comicfiguren ahmen auch die Mimik nach und bewegen beim Sprechen die Lippen.

Voilà (iPhone und Android) hat im letzten Jahr für einen Hype gesorgt: Dieses Smartphone-Programm konvertiert, wiederum mithilfe von KI, Selfies in Karikaturen, Cartoons oder auch Renaissance-Porträts. Und ebenfalls von 2021 stammt die Wombo-App (Android): Sie verwandelt ein Porträtfoto in ein animiertes Musikvideo, indem sich der Kopf im Takt der Musik und die Lippen synchron zum Text bewegen. Diese App liefert auch den anschaulichen Beweis, dass sich diese Effekte schnell abnutzen: Beim dritten selbst gebastelten Musikvideo ist der Effekt durch.

Looks und Äusserlichkeiten ausloten

Die FaceApp (Android und iPhone) arbeitet mit einem echten Selfie, das sich mittels künstlicher Intelligenz auf vielfältige Weise verändern lässt: Wir lassen uns virtuell einen Bart wachsen, verwandeln uns in einen Teen zurück oder erhalten von der App eine Prognose, wie wir als Senior oder Seniorin aussehen würden. Und selbst das Geschlecht lässt uns diese App wechseln.

Das kann man als unschuldigen Spass betrachten – oder zum Anlass nehmen, ernsthaft über seine Identität nachzugrübeln. Es gibt indes auch einen praktischen Nutzen. Mit der App lote ich aus, wie mir ein Vollbart stehen würde, ohne dass ich mir tatsächlich einen wachsen lassen muss.

Das Selfie ist echt – der Bart ist es nicht. Er wurde von der FacesApp dazuerfunden.
Foto: schü

Die FacesApp macht aus der abgebildeten Person auch einen pickeligen Teenager, …
Foto: schü

… einen Rentenbezüger …
Foto: schü

… und eine Frau.
Foto: schü

Aber warum bei der Gesichtsbehaarung aufhören? Auf virtuellem Weg liessen sich auch Kleider und Modeaccessoires virtuell anprobieren und auswählen, was beim Onlineshopping eine grosse Hilfe wäre. Die App, die bezüglich Mode eine echte Hilfe wäre, habe ich bislang noch nicht gefunden.

Das dürfte sich in naher Zukunft ändern: Ein spannender Ansatz liefert die Avatar-Cloud-App (iPhone und Android): Dabei verwendet die Nutzerin oder der Nutzer einen Avatar von sich selbst, um Kleidungsstücke virtuell probezutragen. Dieser Avatar wird anhand eines Bodyscans erstellt. Die Scanner sind allerdings noch rar; es gibt sie bislang erst in Berlin und Hamburg.

Spielerisch in andere Rollen schlüpfen

Eine lange Tradition hat der virtuelle Rollenwechsel bei den Videogames, bei den der Spieler als Zauberer, Krieger oder auch als Tier oder Objekt ins Geschehen eingreift: Ein Klassiker des Genres ist «Dungeons & Dragons», der in der Urform analog mit Papier und Bleistift gespielt wurde, aber schon in den 1970er-Jahren auf Uni-Computern die Studenten erfreute.

Die Rollenspiele – hier in der analogen Variante – sind eines der wichtigsten Genres im App Store.
Foto: Getty Images/EyeEm

Bei MeChat, einer simulierten Messenger-App, gibt es Text-Abenteuer aus der Ich-Perspektive zu erleben.
Foto: schü

Beim Spiel «Simulacra» geht es darum, einem fremden Handy seine Geheimnisse zu entlocken.
Foto: schü.

Die Kategorie der Rollenspiele gibt es auch heute in den Smartphone-App-Stores. Zu den beliebtesten Titeln gehören etwa MeChat (Android und iPhone,) in der man als Spieler in einer virtuellen Chat-App interaktive Geschichten aus der Ich-Perspektive erlebt oder bei Simulacra (iPhone und Android,) wo wir als Hobby-Detektiv einem gefundenen Smartphone seine Geheimnisse entlocken.

Quelle: Newsnetz, Donnerstag, 15. Dezember 2022

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