Software-Tipp

3 Alleskönner-Apps

Ist es eine Textverarbeitung, ein Notizprogramm oder eine Datenbank? Obsidian, Airtable und Notion gehören zu jenen Softwareprodukten, die die klassischen Kategorien sprengen – und sich darum so vielseitig einsetzen lassen.

Matthias Schüssler

Die klassischen Softwarekategorien wurden von Microsoft geprägt – hier Bill Gates, der 2003 in New York die neueste Version seiner Bürosoftware vorstellte. Heute gibt es diverse Apps, die aus diesem bekannten Schema ausbrechen.

Wir haben uns bei den Anwendungsprogrammen an klare Kategorien gewöhnt. Es gibt Textverarbeitungen, Notiz-Apps, Tabellenkalkulationen, Datenbanken und Software für den Betrieb von Websites. Dieser schönen Ordnung zum Trotz tauchen gelegentlich Programme auf, die in keine dieser Kategorien passen – respektive in mehrere davon.

Diese Software-«Zwitter» haben einen bedeutenden Vorteil: Sie eignen sich nicht nur für isolierte Einzelaufgaben, sondern auch für grössere Projekte. Sie sind oft auf Teamarbeit ausgelegt und können flexibel für unterschiedliche Bedürfnisse angepasst werden. Doch das ist gleichzeitig auch ein Nachteil: Mit ihrem universellen Ansatz sind die Programme schwer zu fassen – und ob sie unserer Arbeitsweise entsprechen, merken wir erst während eines realen Projekts.

Notion (notion.so) ist ein solches schwer einzuordnendes Programm. Es ist eine Verschmelzung aus Notiz-App und Datenbank (hier unsere Besprechung mit Video). Einzelnutzer verwenden es als Tagebuch, für Film- und Bücherlisten oder Rezeptsammlungen. Start-ups organisieren damit ihre Abläufe und managen Projekte. Und Lehrpersonen planen ihre Klassen und die Hausaufgaben damit – denn mit Notion lassen sich individuelle Informations-Anwendungen bauen.

Airtable (airtable.com) wirkt wie eine moderne Variante von Excel. Doch diese Software ist nicht wie eine klassische Tabellenkalkulation nur zum Rechnen da. Sie verwaltet nicht nur Zahlen, sondern auch Informationen jeglicher Art, mit fliessenden Grenzen zur Datenbank, sodass sich die Informationen ganz unterschiedlich darstellen lassen: Klassisch als Tabelle, als Kanban-Board oder auch als Zeitleiste. Und wie unsere ausführliche Besprechung zeigt, ist die App der Teamarbeit gewachsen: Informationen lassen sich mit unterschiedlichen Zugriffsberechtigungen ausstatten, sodass jeder nur das sieht, was er auch sehen sollte.

Notion offenbart die vielseitigen Nutzungsmöglichkeiten erst nach und nach.
Screenshot: schü

Airtable ist Excel in Modern: Die erfassten Daten lassen sich vielfältig darstellen, auswerten und mit anderen Leuten gemeinsam nutzen.
Foto: Screenshot schü

Notiz-App, Textverarbeitung und Wissensmanagement in einem

Obsidian (obsidian.md) ist eine neue App, die auch in keine Kategorie passt. Es handelt sich eigentlich um eine Notiz-App, die auch für lange, ausformulierte Aufsätze gut gerüstet ist und sich auch hervorragend als Textverarbeitung nutzen lässt.

Sie organisiert Sammlungen von Texten als «Vaults», das heisst als Tresore. Innerhalb des Vault lassen sich die Texte untereinander verlinken. Das ermöglicht es, Wissenssammlungen im Stil von Wikipedia aufzubauen, in denen die einzelnen Dateien nicht isoliert stehen, sondern verbunden sind. Als Besonderheit stellt Obsidian diese Verknüpfungen auch grafisch dar – wie ein Spinnennetz von Dokumenten.

Das erinnert an eine Mindmap. Das ist eine visuelle Technik, um komplexe Themengebiete zu erschliessen. Bei Obsidian ist jeder Punkt in einer Projektlandschaft eine separate Datei. Auf diese Weise lassen sich auch umfangreiche Informationsbestände intuitiv erschliessen, ohne dass die Dateien in Ordnern und Unterordnern verborgen liegen.

Moderner als MS Office

Obsidian kann ein solches Vault auch auf Websites veröffentlichen und ist darum auch eine Art Websoftware. Und einige weitere Dinge sind bemerkenswert: Die App verwendet Markdown. Das ist eine inzwischen verbreitete Methode für Formatierungen in Texten. Auszeichnungen für Titel, fette oder kursive Passagen werden über Steuerzeichen vorgenommen. Das ergibt kompakte, konsistente Dateien, die sich ohne Kompatibilitätsprobleme in allen gängigen Editoren bearbeiten lassen.

Obsidian hat eine simple, aber flexible Oberfläche: Neben der Anzeige eines Dokuments erscheint in einem zweiten Bereich der «knowledge graph», die visuelle Darstellung der verknüpften Dokumente.
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Die Hilfe zu Obsidian wurde mit Obsidian realisiert – hier lassen sich auch die vielen Funktionen schön erkunden.
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Obsidian speichert die Dateien lokal auf dem Windows-PC, Mac oder Smartphone. Der Datenbestand lässt sich auch via Cloud nutzen, doch die Nutzerin oder der Nutzer ist nicht auf einen bestimmten Dienst festgelegt: Die Synchronisation funktioniert mit den gängigen Internet-Datenablagen wie Dropbox, Google Drive, iCloud Drive oder Onedrive. Es gibt vom Hersteller auch einen eigenen Sync-Dienst, der 10 Dollar pro Monat oder 96 Dollar pro Jahr kostet und dann zu empfehlen ist, wenn die mobilen Apps für iPhone und iPad und für Android zum Einsatz kommen sollen. Die Software selbst ist für Privatanwender kostenlos, doch es gibt auch Preispläne für die geschäftliche Nutzung und für Leute, die die Entwicklung unterstützen möchten.

Ein letzter Punkt für Leute, die daran zweifeln, dass Microsoft Office nach mehr als 30 Jahren noch immer der Weisheit letzter Schluss ist: Obsidian ist über Plug-ins, also Zusatzmodule, flexibel erweiterbar. Ob die für den aktuellen Tag terminierten Daily Notes, Kanban, Mathe oder Wortzähler; es gibt über 600 Möglichkeiten, den Funktionsumfang zu vergrössern.

Quelle: Newsnetz, Donnerstag, 10. November 2022

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