Bits About Me

Mit dieser App machen Sie Ihre persönlichen Daten zu Geld

Ein Berner Start-up will den intransparenten Geschäftsmodellen von Google und Facebook ein Ende setzen. Wie die Methode funktioniert – und was davon zu halten ist.

Matthias Schüssler

Ein Handelsplatz wie die Börse in New York, an der allerdings keine Wertpapiere, sondern persönliche Daten gehandelt würden – das brächte mehr Fairness für die Nutzerinnen und Nutzer.

Unsere persönlichen Daten sind viel Geld wert. 3000 Franken könnte jeder von uns pro Jahr verdienen – so viel hat Hannes Grassegger vor einigen Jahren in seinem Buch «Das Kapital bin ich» veranschlagt. Stattdessen geben wir diese Daten gratis her. In informellen Deals mit den Tech-Konzernen tauschen wir sie ein für die Möglichkeit, soziale Netzwerke, Internet-Suchmaschinen, Apps und Websites zu nutzen. Der Nachteil für uns liegt darin, dass wir über den Wert unserer Daten im Unklaren gelassen werden und unsere digitale Haut oft viel zu günstig zum Markt tragen.

Ein erstes Umdenken haben vor fünf Jahren die Fitness-Apps der Krankenkassen bewirkt: Mit denen belohnt einen die Versicherung mit Gutscheinen oder Rabatten auf die Prämie, wenn man sich regelmässig bewegt. Das ist einerseits ein Anreiz für gesunde Verhaltensweisen. Vor allem ist es jedoch eine Entschädigung für die Daten, die man als Nutzer zur Verfügung stellt.

Die Kontrolle behalten

Der nächste logische Schritt liegt auf der Hand: Wir verkaufen unsere Daten direkt und handeln den besten Preis aus. Diese Einnahmen setzen wir ein, um für Suchmaschinen, soziale Netzwerke und Apps zu bezahlen. Der Vorteil gegenüber dem bisherigen System besteht darin, dass wir die volle Kontrolle behalten.

In diese Richtung geht die Idee eines Berner Start-ups. Es verspricht «Fair­trade für Daten». Es hat die App Bits About Me (für Android und iPhone) lanciert. Mit ihr stellen Sie persönliche Daten zur Verfügung, die Organisationen in anonymisierter Form für Marktforschungszwecke oder wissenschaftliche Studien erwerben können. Als Gegenleistung erhalten Sie Geld in Form von Rückzahlungen auf Einkäufe.

Wer seine Kundenkarten von Migros und Coop verbindet, bekommt dafür einen nachträglichen Rabatt auf Lebensmitteleinkäufe.

Noch einmal 0,5 Prozent für Zugriff aufs Bankkonto

Die App lässt sich mit unzähligen Datenquellen verbinden: Von Amazon bis Zalando sind alle Internet-Anbieter von Rang und Namen dabei. Vor allem aber ist sie an unseren Konsumgewohnheiten interessiert: Sie verbindet sich mit dem Cumulus-Konto von Migros beziehungsweise mit dem Supercard-Account von Coop. Im Gegenzug für diese Informationen gibt die App bei Lebensmitteleinkäufen einen Cashback von 0,5 Prozent auf den Einkaufswert. Wenn Nutzerinnen und Nutzer gewillt sind, ihr Bankkonto zu verbinden, belohnt das die Bits-About-Me-App mit einer Erhöhung des Cashbacks auf ein Prozent.

«Bitte verbinden Sie Ihr Bankkonto»: Die App verlangt einen grossen Vertrauensvorschuss.

Ist das «Fairtrade für Daten», wie das Start-up verspricht? Manche Leute werden die Sparmöglichkeit zu schätzen wissen, aber für mich ist die Antwort ein klares Nein: Wenn ich mein Bankkonto verbinde und meine finanziellen Verhältnisse offenlege, muss mehr herausspringen als ein Rabatt auf Lebensmitteleinkäufe – deutlich mehr. Ich würde das nur tun, wenn für jeden Monat, für den ich den Zugriff gewährte, ein vorher ausgemachter Betrag bezahlt würde. Und der müsste mindestens so hoch sein, dass er Netflix, Spotify, mein Microsoft-365-Abo und meine anderen digitalen Dienstleistungen abdecken würde.

Lieber Cash statt Cashbacks

Ich rechne es der App Bits About Me hoch an, dass sie mich zwingt, über den Wert meiner Daten nachzudenken. Das ist eine notwendige Voraussetzung, dass ich überhaupt Datenschutz in eigener Sache betreiben kann. Aber den Paradigmenwechsel bei den digitalen Geschäftsmodellen bringt die App leider nicht. Statt des klaren Deals «Geldbetrag X für Datenlieferung Y» hat sie das indirekte Modell über Cashbacks gewählt. Das macht es Nutzerinnen und Nutzern zu schwer, abzuschätzen, worauf sie sich einlassen und was es bringt.

Der eingebaute CO₂-Rechner ermittelt den persönlichen Fussabdruck bei den Treibhausgasen.

Die App hat ein zweites Standbein: die Datenanalyse. Sie wertet anhand der Lebensmitteleinkäufe die Ernährungsgewohnheiten aus und ermittelt den persönlichen CO₂-Fussabdruck. Dieser Emissionsrechner ist informativ. Doch auch er will mich dazu bringen, mein Bankkonto zu verbinden. Er verspricht, dass die Berechnungen dadurch präziser würden. Das mag sein. Allerdings betreibt Bits About Me damit das klassische Geschäftsmodell von Google und Facebook, das dem Nutzer Informationen, aber kein Geld für Daten bietet.

Fazit: leider keine digitale Revolution. Damit wir die Hoheit über unsere Daten gewinnen würden, bräuchte es eine Art Börse für digitale Daten. Und die harrt noch ihrer Erfindung.

Quelle: Newsnetz, Donnerstag, 14. Juli 2022

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