Schüssler

Eine Schweizer Alternative zu den Google-Apps

So einfach wie Gmail – aber besser für die Privatsphäre: Das war 2014 die Zielsetzung des Genfer Start-ups Protonmail. Drei Wissenschaftler des Cern sahen nach der Affäre um den Whistleblower Edward Snowden die Zeit für einen Maildienst gekommen, der die Daten der Nutzerinnen und Nutzer besser schützt, auf Verschlüsselung setzt und sich auf die Schweizer Datenschutzgesetze beruft.

So hehr dieser Anspruch ist: Im vergangenen Jahr musste das Unternehmen einräumen, dass der Anspruch auf Anonymität nicht absolut umsetzbar ist. Die Schweizer Behörden hatten den Anbieter gezwungen, auf ein Gesuch von Europol hin die IP-Adressen eines französischen Umweltaktivisten von Youth for Climate freizugeben.

Dem Rückschlag zum Trotz gilt das Datenschutzversprechen weiter: Ende Mai hat es sich von Protonmail in Proton umbenannt und unter Proton.me das Softwareangebot ausgebaut.

Neu ist ein Kalender. Wie schon beim Mail orientiert sich Proton bei der Oberfläche an Google. Der Kalender wirkt vertraut und stellt alle Funktionen für normale und wiederkehrende Termine, Benachrichtigungen und die Zusammenarbeit via Einladungen zur Verfügung. Sie können auch Kalender öffentlich oder für einen bestimmten Personenkreis freigeben.

Die «Easy Switch»-Funktion erleichtert Ihnen den Umstieg: Sie importieren Daten von Google, Outlook und Yahoo und können auch lokal gespeicherte Kalender, Kontakte und E-Mails einlesen.

Zurückstecken muss Proton derzeit bei der Nutzung am Smartphone: Für Android-Telefone gibt es eine Kalender-App, die App fürs iPhone wird im Sommer folgen. Die Integration in die Kalender-App von Apple ist möglich, aber vergleichsweise umständlich.

Die Datenablage in der Cloud. Bei Proton Drive deponieren Sie Dateien, die verschlüsselt übertragen und gespeichert werden. Sie können Dokumente über einen Link anderen Nutzern zur Verfügung stellen. Es ist möglich, solche Freigaben mit einem Passwort zu schützen und einem Ablaufdatum zu versehen.

Der Konkurrenz kann die Schweizer Lösung derzeit nicht das Wasser reichen. Dieser Rückstand liegt einerseits an den höheren Sicherheitsstandards, andererseits aber auch am frühen Entwicklungsstadium. Insbesondere fehlt die automatische Synchronisation mit den lokalen Daten-Ablagen, wie man das von iCloud Drive von Apple, Google Drive, Microsoft Onedrive und Dropbox kennt.

VPN, das Alleinstellungsmerkmal: Ein VPN ist eine Art Tunnel für die Datenübertragung, der die Herkunft der Datenpakete verschleiert. Dieser Tunnel schützt die Kommunikation in unsicheren Umgebungen wie öffentlichen WLANs. Er erschwert das Tracking durch Datensammler. Und er erlaubt es Ihnen, sich virtuell in ein anderes Land zu versetzen, um Videos anzusehen, die nur für bestimmte Regionen freigegeben sind. Um Proton VPN zu nutzen, laden Sie von Protonvpn.com die App herunter, die die geschützte Verbindung herstellt.

Kann Proton Google und Microsoft Paroli bieten? Kalender, Drive und VPN werten Proton beträchtlich auf. Trotzdem: Wer voll und ganz auf diese Schweizer Lösung setzt, muss für den Datenschutz schmerzliche Einbussen beim Funktionsumfang in Kauf nehmen. Aber als Ergänzung zu Google, Microsoft und Apple taugt Proton allemal, beispielsweise für die besonders sensiblen Mailkorrespondenzen, Termine und Daten. Ein triftiges Argument für Proton ist das VPN: So viele Anbieter es gibt, so schwierig ist es, eine Auswahl zu treffen – da kann es eine Entscheidungshilfe sein, dass Proton aus der Schweiz kommt.

Gratis oder mit Abo. Mail, Kalender, Drive und VPN sind mit Einschränkungen für Gratisnutzer zugänglich. Für die regelmässige Nutzung empfiehlt sich ein Abo, das ab 3.50 Franken pro Monat erhältlich ist.

Matthias Schüssler ist Digitalredaktor der SonntagsZeitung

Quelle: Sonntagszeitung, Sonntag, 5. Juni 2022

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