What3Words für iPhone und Android

Mit gerade mal drei Wörtern und einem Kompass zum Ziel

Wenn es nach den Entwicklern der What3Words-App geht, haben Strassennamen ausgedient. So lautet die neue Bundeshaus-Adresse «bereitete.passwort.gelb».

Matthias Schüssler

Auch in Tokio findet man anhand einer Adressangabe auf Deutsch sein Ziel.

«Strassenadressen sind im 21. Jahrhundert nicht mehr zeitgemäss»: Diese steile Behauptung stammt von den Gründern eines britischen Start-ups, die in der Tat angetreten sind, sämtliche Methoden, wie wir uns in der Welt orientieren, über Bord zu werfen. Die geografischen Koordinaten werden bei ihrem neuen System nämlich für die Alltagsanwendungen ebenfalls überflüssig.

Jeder von uns kennt Situationen, in denen wir uns zu einer Adresse begaben und dann vor einem so grossen Gebäudekomplex standen, dass wir uns fragten, wo sich eigentlich der Haupteingang befindet. In manchen Gegenden der Welt gibt es, wie von U2 in ihrem Hit von 1987 besungen, Strassen ohne Namen. In einem Blogbeitrag erzählt ein Mitarbeiter der Weltbank, wie er, als er in Kigali in Ruanda gearbeitet hat, jeweils Freunde zu sich nach Hause gelotst hat: «Gehe an der Botschaft vorbei, halte Ausschau nach der Kirche und laufe dann weiter zu dem Haus mit dem schwarzen Tor.» Der Tag, an dem ein Strassenschild aufgestellt worden sei, sei ein Wendepunkt gewesen.

Dreiwortadressen ergeben zwar inhaltlich meist keinen Sinn, aber sie bezeichnen einen geografischen Ort auf drei Meter genau.

Damit wir jeden Ort der Welt zielsicher ansteuern – und es uns nicht mehr passieren kann, dass wir versehentlich nach Thalheim ins Aargau fahren, wenn wir nach Thalheim im Züricher Weinland gemusst hätten –, teilt das Start-up What3Words die Welt in ein Raster von Quadraten von drei auf drei Metern ein. 57 Billionen solcher Kästchen gibt es, und jedes wird mit drei Worten beschrieben. Diese werden durch drei Schrägstriche eingeleitet und mittels Punkten abgetrennt. Der Eingang beim Bundeshaus in Bern hat die Adresse ///bereitete.passwort.gelb, der Jet d’eau in Genf ///badeort.filmstar.stroh und einer der Büsche auf der Rütliwiese ist unter ///ladegerät.einlud.folgend zu finden.

Leicht zu merken, einfach zu tippen

Die Vorteile dieser Methode liegen auf der Hand: Drei Worte kann man sich leicht merken und in ein Navigationsgerät oder unter what3words.com eintippen. Natürlich gibt es auch eine App (fürs iPhone und für Android), die Ihnen die gesuchte Kachel in einer Karte anzeigt und Sie dorthin navigiert. Die App zeigt Ihnen zur Wegleitung eine Kompass-Ansicht mit Richtungsangabe. Sie können Ihr Ziel jedoch auch mithilfe einer klassischen Karten-App von Google und Apple ansteuern.

Fürs Reisen und für ein mehrsprachiges Land ist wichtig, zu wissen, dass Adressen sprachabhängig sind und sich nicht übersetzen lassen. What3Words gibt es in fünfzig Sprachen, wo jeweils die 40’000 häufigsten Wörter benutzt und unabhängig zugewiesen wurden. Es stellt aber keine Hürde dar, wenn man eine Adresse wie ///πίνακας.πουρέ.θαύμαζα eingibt: Die App führt einen trotzdem an den richtigen Ort. Wenn Sie jemandem eine Adresse in dessen Muttersprache angeben möchten, dann ist das ebenfalls möglich: Auf what3words.com wählen Sie über das Menü rechts oben bei «Sprache für Dreiwortadresse», wie die Angabe erfolgen soll.

Ein Nachteil ist nicht wegzudiskutieren

Zurück zur Behauptung, Strassenadressen seien nicht mehr zeitgemäss. Ist es denkbar, dass sie nicht bloss ein Marketingspruch ist, sondern eine solide Prognose? Werden wir uns in ein paar Jahren oder Jahrzehnten anhand von Dreiwortadressen durch die Welt bewegen? Es gibt Anzeichen dafür: Diverse Unternehmen wie Lieferdienste, Restaurants mit Heimlieferdienst und Autohersteller unterstützen What3Words bereits oder haben entsprechende Pläne.

Auch mittels Apple Watch kann man sich ans Ziel führen lassen.

Trotzdem: So bestechend und charmant diese Idee auch sein mag, ein Problem ist nicht wegzudiskutieren: Es existiert kein für uns Nutzerinnen und Nutzer transparentes System, wie die Adressen zugewiesen werden. Adressen lassen sich nicht wie Längen- und Breitenangaben mit Kompass und Landkarte auflösen. Zwei nebeneinanderliegende Kacheln haben völlig unterschiedliche Adressen. Das ist Absicht, denn der Algorithmus sorgt dafür, dass ähnlich klingende Dreiwortkombinationen geografisch so weit auseinanderliegen, dass ein Fehler auffallen würde. Aber es hat zur Folge, dass die Navigation nur mithilfe eines Smartphones, Computers und mit der proprietären Softwareanwendung von What3Words funktioniert.

Wie wir uns in Zukunft orientieren, bleibt abzuwarten. Das spielerische Potenzial der Dreiwortadressen ist aber unbestritten: Organisieren Sie beim nächsten Kindergeburtstag doch eine Schnitzeljagd, bei der die Hinweise in einem Gedicht versteckt sind …

Quelle: Newsnetz, Donnerstag, 19. Mai 2022

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