UBS verbannt Drucker

Tschüss, Papierfresser

Die UBS will Tausenden Mitarbeitern das Drucken abgewöhnen. Die Bank propagiert Umweltschutz und das papierlose Büro. Wird diese Vision – auch dank der Pandemie – endlich Realität?

Matthias Schüssler

In den 70ern entsteht die Vision des papierlosen Büros. Wird sie nun endlich Wirklichkeit?

Am Mittwoch traf die Grossbank UBS die Entscheidung, einem Teil der Mitarbeitenden den Zugang zu den Druckern einzuschränken. «Wir haben durch die Pandemie eine Verringerung des Druckvolumens erlebt und wollen nun den nächsten wichtigen Schritt unternehmen», sagt ein Sprecher der Bank auf Anfrage. Ein Schritt hin zum papierlosen Büro.

Wird dank Homeoffice ein altes Versprechen der Digitalisierung wahr? Verfolgt die UBS ein hehres Klimaziel oder ist es bloss eine schnöde Sparübung? Unsere Timeline der Drucker-Geschichte zeigt, wie das Gerät unser Arbeitsleben erobert hat. Und wie es nun wieder daraus verschwinden soll.

1975: Die Vision des papierlosen Büros entsteht

In den 1970er-Jahren macht das Büro eine Veränderung durch. Frauen erfahren mehr Gleichberechtigung, auch wenn sie oft nur ein kurzes Gastspiel liefern, das mit der Geburt des ersten Kindes endet. In dieser Zeit halten auch die ersten Computer Einzug, auch wenn diese noch wie Schreibmaschinen benutzt werden.

Doch George E. Pake erkennt, welches Potenzial in den Maschinen schlummert. Er ist Physiker und Gründungsdirektor von Xerox Parc, dem legendären Forschungszentrum, an dem nicht nur der Laserdrucker erfunden wird, sondern auch jene Prototypen grafischer Betriebssysteme entstehen, die Steve Jobs bei seinem Besuch 1979 nachhaltig beeindrucken.

Pake schildert 1975 in einem Artikel in der Zeitschrift «Business Week» seine Vorstellung, wie die Leute 20 Jahre später arbeiten werden: Jeder werde ein «TV-Display-Terminal mit Tastatur auf dem Schreibtisch haben, über das er seine Dokumente per Knopfdruck abrufen kann». Es sei ihm aber unklar, wie viel bedrucktes Papier in dieser Welt noch nötig sei, schliesst Pake seine Überlegungen.

1981: Der PC macht das Papier nicht überflüssig

Mit dem IBM-PC kommt die Revolution des Personal Computer 1981 so richtig in Gang. Aufs Papier verzichten die Büroangestellten nicht, weil sich Dokumente elektronisch nicht austauschen lassen. E-Mail-Kommunikation existiert zwar seit 1971, sie wird allerdings erst an Universitäten und Forschungsstätten benutzt.

1988: Laserdrucker und Tintenstrahler machen sich breit

Im Windschatten des Personal Computer werden auch die Drucker tauglich für den Massenmarkt. Ein Meilenstein in dieser Entwicklung ist der HP Deskjet, der 1988 lanciert wird und zu einem Preis von 995 US-Dollar (hierzulande um die 1700 Franken) zwei Seiten pro Minute ausdruckt und auch für private Anwender erschwinglich ist. Ab da entwickelt sich dieser Markt rasant: Die Geräte werden günstiger und leistungsfähiger, bald können sie auch farbig drucken. Im April 1994 liefert HP den zehnmillionsten LaserJet aus.

In den 1990er-Jahren kamen die Druckmaschinen millionenfach in unsere Büros. Bei manchen Unternehmen wie der UBS sollen sie nun ausgemustert werden.

Auch Apples legendärer Laserwriter wird gemäss Schätzungen global millionenfach verkauft, obwohl er hierzulande bei der Einführung 1988 um die 6700 Franken kostet und bis heute in den Top Ten der teuersten Apple-Produkte rangiert. Dennoch liefert er zusammen mit dem Mac und dem Layoutprogramm Pagemaker die Initialzündung für das Desktop-Publishing: Das Trio sorgt dafür, dass Amateure Drucksachen in einer Qualität produzieren, für die es vorher einen ganzen Stab von Fachleuten brauchte.

1995: Die Internet-Revolution hat einen immensen Papierhunger

Jetzt ist George E. Pakes Vision wahr geworden: Dank Maus, Windows und Mac sind die PCs in den 1990er-Jahren benutzerfreundlich genug, um zum wichtigsten Bürowerkzeug zu avancieren. 1992 erfindet Tim Berners-Lee am europäischen Kernforschungszentrum Cern das World Wide Web, und neben dem Surfen gewöhnen sich die Nutzer auch ans E-Mail: Über den Daumen gepeilt werden ab 1997 mehr elektronische Nachrichten als Geschäftsbriefe auf Papier verschickt.

Ein Appell gegen das millionenfache Ausdrucken von E-Mails

Aufs Papier verzichten die Leute deswegen nicht, ganz im Gegenteil. Sie drucken ihre E-Mails aus, um sie zu lesen. Das ist ein so häufiges Phänomen, dass die verzweifelte «Think before you print»-Gegenkampagne entsteht: «Muss dieses Mail wirklich ausgedruckt werden?», schreiben deren Anhänger in die Fusszeilen ihrer Nachrichten. Das bringt wenig. Auch Textverarbeitungsprogramme sind auf gedruckten Output ausgelegt, nicht aufs papierlose Büro, denn für die Branche ist das viele Computerzubehör lukrativ, und dazu gehören auch die Drucker.

2001: Der Drucker wird zum Hassobjekt

Drucker und Internet verschaffen uns die Freiheit, jegliche Informationen in Händen zu halten. Beliebt sind die Drucker deswegen nicht. Und die Abneigung wächst, wie ein Zeitungsartikel von 2001 beweist: «Wie Druckerhersteller abzocken», lautet der Titel der Tirade, die sich darüber auslässt, dass sämtliche Hersteller die gleiche Masche pflegen: Sie verkaufen viele Geräte zu Dumpingpreisen und verlangen hohe Preise für die Nachfülltinte. Besonders beim Fotodruck geht das ins Geld, und es wird nachgewiesen, dass manche Drucker nach einer fixen Anzahl Ausdrucke nach neuen Patronen verlangen, selbst wenn die alten noch Tinte enthalten.

Gerade die Tintenstrahler verzeihen es nicht, wenn sie nur sporadisch genutzt werden, sondern rächen sich mit eingetrockneten Druckköpfen und dem Bedarf an langwierigen Reinigungsaktionen. Vor allem im Windows-Umfeld verursachen die Geräte häufig Querelen mit Treibern. Im Unternehmen sorgen sie für bis zu fünfzig Prozent der Supportanfragen, so die Schätzungen.

2007: Trotz Smartphone-Revolution kein papierloses Büro

Das iPhone hätte 2007 dem papierlosen Büro zum Durchbruch verhelfen können. Man kann zwar auch ab Smartphone drucken, doch die Geräte laden dazu ein, Informationen digital zu konsumieren. Es bleibt aber dabei, dass alte Gewohnheiten langsam sterben, konstatiert ein Autor der Zeitschrift «Wired». Er hält 2014 entnervt fest, er wäre schon mit dem papierarmen Büro zufrieden – angesichts des Umstands, dass jeden Tag eine Milliarde Fotokopien angefertigt würden. Gemäss einer anderen Studie klicken Büromenschen global im Schnitt 10’000-mal pro Jahr auf den Druckknopf.

Auch vom Smartphone und vom Tablet drucken die Leute wie wild: fürs Archiv (47 Prozent), für die interne Weitergabe und zum Lesen (je 34 Prozent), hat der Hersteller von Unternehmenssoftware Sage 2017 herausgefunden.

Schuld ist auch die Branche selbst: Mit dem PDF wurde schon 1991 ein Format für digitale Dokumente erfunden, das dem Papier ebenbürtig ist. Doch das ist eine mit vielen Patenten geschützte Software. Seit 2008 erlaubt PDF-Erfinderin Adobe die Gratisnutzung dieser Patente. Auch das ändert nichts daran, dass Papier im direkten Vergleich nutzerfreundlicher ist.

So klappt es mit dem papierlosen Büro

Das PDF ist der Wegbereiter fürs digitale Büro: Das Format wurde 1991 von Charles Geschke erfunden, der das Softwareunternehmen Adobe mitgegründet hat und letztes Jahr gestorben ist. In diesem Format lassen sich digitale Schriftstücke übermitteln, ohne dass zwischen den Anwendungen und Betriebssystemen Kompatibilitätsprobleme zu befürchten sind. Es zeigt Dokumente im Originallayout und lässt sich ausgezeichnet archivieren. Und Sie können Textstellen mit einem digitalen Leuchtstift hervorheben und mit Notizen versehen.

PDF-Dateien lassen sich inzwischen auf allen Betriebssystemen erstellen – allerdings nicht gleich komfortabel.

  • Am iPhone digitalisieren Sie Dokumente über die Notizen-App: Tippen Sie aufs Kamera-Symbol in der Leiste am unteren Rand, wählen Sie den Befehl «Dokumente scannen», und erfassen Sie die Vorlage. Die App erkennt daraufhin den Text, sodass Sie ihn kopieren und durchsuchen können.
  • Beim Mac wandeln Sie ein Dokument über die Druckfunktion in ein PDF um. Klicken Sie im Druckdialog auf die Schaltfläche «PDF», und wählen Sie «Als PDF sichern». Einfache Bearbeitungen sind über die Vorschau-App möglich.
  • Bei Windows erstellen Sie PDF-Dateien ebenfalls über den Druckbefehl. Wählen Sie aber statt des «richtigen» Druckers den Eintrag «Microsoft Print to PDF» aus. Die PDF-Dateien werden standardmässig mit dem Edge-Browser geöffnet, in dem Sie Text hervorheben und Notizen anbringen dürfen.
  • Eine praktische Methode, um Websites ohne Ballast in eine PDF-Datei umzuwandeln, eröffnet sich via printfriendly.com: Sie tragen die Adresse ein, klicken auf «Preview» und können das umgewandelte Dokument dann herunterladen. Diverse Websites erlauben die Bearbeitung von PDF-Dateien. Empfehlenswert sind ilovepdf.com und pdfbob.com.
  • Die App von PDF-Erfinderin Adobe heisst Acrobat Pro und benötigt ein Monatsabo (ab 15 Franken pro Monat). Adobe hält auch Apps fürs iPhone und für Android bereit: Adobe Scan für die Digitalisierung von Dokumenten und Acrobat Reader für die Anzeige und Bearbeitung. Die Apps sind gratis; in vollem Umfang lassen sie sich aber nur mit einem Abo nutzen.
  • Eine vielseitige PDF-Software, die es für alle Plattformen gibt, ist Foxit Reader. Mit ihr lassen sich Dokumente anzeigen, kommentieren und unterschreiben. Die App ist kostenlos, für weiter gehende Bearbeitungsfunktionen gibt es einen Editor (ca. 160 Euro).

2022: Bringt die Pandemie die Wende?

Die Vermutung liegt nahe, dass Pandemie und Homeoffice dem papierlosen Büro Vorschub leisten – denn das dezentrale Arbeiten ist mit digitalen Dokumenten einfacher als mit physischen. Die Druckerhersteller verneinen und sagen, gefragt seien Hybridgeräte – also solche, die sich für private und berufliche Zwecke gleichermassen nutzen lassen. Auch das aus dem Unternehmensumfeld stammende Prinzip, wonach Verbrauchsmaterial im Abo bezogen und automatisch geliefert wird, habe sich bewährt.

Die Druckerhersteller setzen in der Pandemie auf Hybridgeräte: Solche, die sich zu Hause einsetzen lassen und trotzdem den Anforderungen und Sicherheitsvorgaben der Unternehmen entsprechen.

Der Entscheid der UBS, das Druckvolumen zu reduzieren, legt nahe, dass an der Vermutung dennoch etwas dran sein könnte. Die Bank schränkt den Mitarbeitenden der Abteilung Technology Services den Zugang zu den Druckern ein. Das betrifft gut 8000 von insgesamt 70’000 Mitarbeitenden in 25 Ländern. Die Bank erhofft sich mehr Nachhaltigkeit. Eine Sparmassnahme sei das nicht, weil die Drucker nicht verschrottet würden, sondern von weniger Leuten benutzt werden könnten.

Selbst wenn es eine Sparmassnahme wäre, dann wäre es keine schlechte: 47 Jahre nach George E. Pakes Vision ist die Welt reif fürs papierlose Büro.

Quelle: Newsnetz, Mittwoch, 5. Januar 2022

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