Geniestreich oder Verzweiflungstat?

Bei Netflix gibt es jetzt auch Videospiele

Der Streaminganbieter expandiert und hat neuerdings interaktive Games im Programm. Fünf Titel gehören zum Startangebot. Wir haben sie angeschaut.

Matthias Schüssler

Die Erfolgsserie «Stranger Things» ist auch Thema bei zwei der fünf Handygames, die Netflix eben lanciert hat.

Nebst den Filmen und Serien hält Netflix jetzt auch Videospiele bereit. Seit Anfang Monat gibt es sie für Android, und seit letzter Woche sind sie weltweit auf dem iPhone verfügbar. Bereits 2018 hat der Streamingdienst mit «Bandersnatch», einem interaktiven Film, experimentiert: Die Zuschauer konnten an diversen Stellen entscheiden, welchen weiteren Verlauf die Handlung nehmen sollte.

Im Vergleich dazu ist «Netflix Games» konventionell: Die Spiele erscheinen als eigene Kategorie in der Android- und iOS-App, doch für den Download wird man in den App Store geschickt, wo man sie wie jede andere App herunterlädt. Die Spiele sind für Netflix-Abonnenten kostenlos; es gibt keine Werbung und auch keine In-App-Käufe. Auf Geräten, bei denen die Netflix-App installiert ist, sollten die Spiele direkt starten – wenn sie fehlt, ist es nötig, sich mit seinem Benutzeraccount anzumelden, bevor man loslegen kann.

2018 hat es Netflix mit einem interaktiven Film probiert – eine im Vergleich zu den heute lancierten Videospielen innovative Idee.

Beim Start sind fünf Titel verfügbar. Zwei orientieren sich an der gleichnamigen Netflix-Hit-Serie, nämlich «Stranger Things: 1984» und «Stranger Things 3». «Shooting Hoops» ist ein schräges Sportspiel, das Basketball und Dart kombiniert. Bei «Card Blast» spielt man Poker, und «Teeter Up» fordert die Geschicklichkeit, indem man eine Ebene balancieren muss, um einen Ball in ein Loch zu befördern.

Das sind nicht gerade Spiele, die einen unmittelbar dazu bringen würden, ein Abo abzuschliessen – weder von den Spielideen noch bezüglich technischer Umsetzung und Grafik. Was treibt Netflix zu diesem neuen Angebot? Ist es ein Signal, dass der Konzern gewillt ist, in neue Bereiche vorzustossen? Oder ist es eine Verzweiflungstat, weil die zunehmende Konkurrenz durch Apple, Amazon und Disney spürbar wird? Die Pressemeldung macht klar, dass es sich erst um einen Anfang handelt: «Genau wie bei unseren Serien, Filmen und Specials möchten wir auch Games für alle Spielertypen entwickeln – egal, ob ihr Anfänger oder leidenschaftliche Gamer seid.»

Das Krankenhaus-Monster aus «Stranger Things 3» hat auch im neuen Netflix-Game seinen Auftritt.

Die Bewertung der neuen Strategie fällt unterschiedlich aus: Der Vorstoss könnte die Geheimzutat für eine anhaltende Vorherrschaft sein, mutmasst «The Verge» und nimmt Bezug auf ein Bonmot von Netflix-Chef Reed Hastings, der schon 2017 gesagt hat, sein Unternehmen würde nicht nur mit anderen Streamingplattformen konkurrenzieren, sondern mit allen Beschäftigungen, die die Nutzer vom Fernsehen abhalten – also nicht zuletzt mit dem Schlaf. Da Netflix dafür zurzeit keine Möglichkeit der Kommerzialisierung sieht, kommt das Gaming an die Reihe.

Andere sind skeptischer. Das Techmagazin «Heise» weist darauf hin, dass Amazon schon 2015 mit dem Gratis-Gamedienst Amazon Underground die Nutzer in seinen Onlineshop locken wollte. Ein Versuch, der bereits nach zwei Jahren gescheitert ist. Auch Apple hat mit der Game-Initiative von 2015 für den Apple TV bislang keinen nachhaltigen Erfolg, und auch Google Stadia, 2019 gestartet, gilt als Flop. Gaming scheint kein Geschäft zu sein, das sich nebenher lukrativ betreiben lässt.

Quelle: Newsnetz, Dienstag, 16. November 2021

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