10 Jahre Windows Store

Bei Microsoft herrscht gähnende Leere

Der Software-Laden hat es in seiner ersten Dekade nicht geschafft, eine ähnliche Bedeutung wie die Stores von Apple oder Google zu erlangen.

Matthias Schüssler

Den ersten grossen Auftritt hatte der Store mit der Lancierung von Windows 8, hier auf einem neuen Surface-Tablet, das vor neun Jahren lanciert worden ist.

Der App-Store in Windows wird am kommenden Montag zehn Jahre alt. Microsoft hatte ihn am 13. September 2011 an einer Entwicklerkonferenz vorgestellt. Bis dieser Softwareladen effektiv öffnete, dauerte es jedoch noch ein paar Wochen. Im Februar 2012 konnte man ihn zum ersten Mal begutachten, nachdem der Consumer Preview von Windows 8, einer Vorabversion des neuen Betriebssystems, freigegeben worden war.

In der Besprechung von Windows 8 war uns der Store damals nur eine Randnotiz wert: Wir haben festgestellt, dass er genauso funktioniert wie die Stores beim iPhone und Android – darüber hinaus aber keine eigenen Akzente setzt.

Eine Bestandsaufnahme heute macht deutlich, dass das auch zehn Jahre später noch genauso ist: Der Store erweckt nach wie vor den Eindruck eines lieblosen Nachbaus. Microsoft hat es in fast einer Dekade nicht geschafft, aus Googles und Apples Schatten zu treten.

Der Store heute in Windows 10: Das Basisangebot passt, doch Überraschungen sind hier selten zu entdecken.

Der Microsoft Store, wie der Software-Laden seit 2017 heisst, hat eine im Vergleich bescheidene Auswahl. Statistikanbieter Statista vermeldet 669’000 Apps, was ein Bruchteil des Angebots bei Google (3,48 Millionen Titel) und Apple (2,23 Millionen Titel) darstellt. Weil keine neueren Angaben verfügbar sind, stammen die Microsoft-Zahlen von 2016 und sind nicht direkt mit den aktuellen Informationen zur Konkurrenz vergleichbar. Ein Indiz gibt immerhin die Anzahl der Bewertungen, die Microsoft ausweist. Diese Angaben zeigen noch deutlichere Unterschiede: Slack, eine App für die Team-Kommunikation, wurde bei Microsoft von elf Leuten mit Sternchen versehen, beim Videotelefonie-Programm Skype sind es um die tausend. Slack im Play Store von Google hat mehr als 105’000 Bewertungen, Skype fast 11,4 Millionen.

Zugeben: Der Vergleich mit den Smartphone-Stores ist unfair. Es ist für Android schwierig und beim iPhone unmöglich, Software aus anderen Quellen als dem Store zu beziehen. Für Windows und Mac ist das hingegen kein Problem. Auch Apple hat es nicht geschafft, mit dem Store für Mac-Programme die Erfolgsgeschichte des iPhones zu wiederholen.

Der Store hätte so viele Vorteile

Trotzdem ist es bemerkenswert, dass die offensichtlichen Vorteile bei den Nutzern nicht zünden. Denn die Store-Apps sind viel leichter zu installieren als herkömmliche Programme. Sie sind sicherer, weil sie sich in den Berechtigungen einschränken und leicht entfernen lassen. Und es ist einfacher, angestammte Apps auf einem neuen Computer weiterzuverwenden.

Was hat Microsoft falsch gemacht? Ein erstes grobes Versäumnis ist die lieblose Präsentation. Wie hier ausführlich beschrieben, sind die auf der Startseite beworbenen Themenschwerpunkte wilde Sammelsurien von Softwaretiteln, die wenig Gemeinsamkeiten haben. Es ist unnötig aufwendig, neue Apps zu entdecken, weil in den Listen nur Icons und App-Namen, aber keine Beschreibungen ersichtlich sind. Und es gibt schlicht keine Anreize für den Nutzer, den Store regelmässig zu besuchen. Dafür ist die Wahrscheinlichkeit, auf eine Software-Perle oder App-Trouvaille zu stossen, einfach zu gering.

Entwickler sind nicht happy

Das grösste Problem besteht darin, dass es Microsoft nicht geschafft hat, die Entwickler von ihrem Store zu überzeugen. Im Gegenteil: Das Branchenportal «Windows Central» berichtete im Juni von diversen Problemen und Verunsicherung bei den Software-Anbietern: Entwickler beklagen falsche beziehungsweise fragwürdige statistische Daten zu Downloads und Verkäufen, fehlende Unterstützung durch Microsoft und Probleme beim Veröffentlichen von Updates für ihre Produkte.

Im Store von Windows 11 gibt es auch Android-Apps aus dem Angebot von Amazon – ein neues, attraktiveres Einkaufserlebnis steht aber nicht in Sicht.

Nachdem der Store nach zehn Jahren als grandioser Flop bezeichnet werden muss, will Microsoft mit Windows 11 das Steuer herumreissen: Mit dem Update werden im Store auch klassische Windows-Programme zu finden sein – bis anhin sind es nur solche, die für Windows 8 oder neuer entwickelt worden sind. Ausserdem öffnet sich das Betriebssystem für Android-Apps. Diese können mit der nächsten Windows-Version ebenfalls ausgeführt werden. Für die Ausweitung des Angebots ist Microsoft eine Kooperation mit dem Online-Händler Amazon eingegangen, aus dessen Store diese Apps stammen.

Es bleibt fraglich, ob diese Neuerungen den gewünschten Erfolg haben. Das Problem ist letztlich, dass der Store bei Windows ein schlichtes Nachahmerprodukt ist, das keinerlei Esprit versprüht. Und wie jeder Shopping-Experte weiss, ist das Einkaufen auch eine emotionale Angelegenheit. Das gilt auch für Software – und dem wird Microsoft längstens nicht gerecht.

Quelle: Newsnetz, Donnerstag, 9. September 2021

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