System Fuchsia lanciert: Googles neuestes Betriebssystem ist erstmals im Einsatz

Seit fünf Jahren arbeitet Google an der Software, nun wird sie erstmals auf Kundengeräten installiert. Seine Premiere erlebt Fuchsia aber nicht als Ersatz des Handysystems Android.

Matthias Schüssler

Der Nest Hub der ersten Generation wird erstmals mit dem Fuchsia-Betriebssystem ausgestattet, das Google seit fünf Jahren entwickelt.

Es ist nicht Googles Art, Dinge auf die lange Bank zu schieben. Der Konzern operiert oft nach der «Try fast, fail fast»-Strategie – das bedeutet, dass ein Produkt schnell entwickelt und auf den Markt gebracht wird. Und wenn es die Erwartungen nicht erfüllt, verschwindet es blitzschnell in der Versenkung.

Allein deswegen ist Fuchsia bemerkenswert: Die Software ist vor genau fünf Jahren, im August 2016, auf einer Website für Entwickler aufgetaucht. Damals hatte es keine Benutzeroberfläche und auch keine Bestimmung, zumal Google sich nicht bemüssigt sah, zu erklären, warum der Konzern neben Android und Chrome OS ein drittes Betriebssystem entwickelt.

Armadillo ist der Name der grafischen Benutzeroberfläche von Fuchsia, wie man sie 2017 zum ersten Mal zu sehen bekam.

Ein Jahr später wurde Fuchsia mit einer Benutzeroberfläche ausgestattet, doch viel klarer wurde der Sinn und Zweck nicht, und Google äusserte sich weiterhin nicht offiziell zu dem Projekt. Doch ein Journalist des Tech-Mediums «Ars Technica» konnte Fuchsia auf einem Gerät installieren und ansehen, allerdings ohne allzu grosse Erkenntnisse: Das System war noch in einem so rudimentären Zustand, dass man damit noch gar nichts wirklich tun konnte.

«Kein Spielzeug, kein bedeutungsloses Experiment»

Doch der Journalist ist auf zwei Indizien gestossen, die gewisse Rückschlüsse auf Googles Pläne gestatteten. Erstens fand er eine Stelle in der Dokumentation, die erklärt, das System ziele «auf moderne Smartphones und Computer mit schnellen Prozessoren und viel Arbeitsspeicher» ab. Und zweitens hatte ein Entwickler über einen öffentlichen Chat-Kanal verlauten lassen, das neue Betriebssystem sei «kein Spielzeug und kein bedeutungsloses Experiment».

Ab da stand die Vermutung im Raum, Google arbeite an einem Nachfolger für sein Smartphone-Betriebssystem Android. Eine naheliegende Spekulation, die auch wir im August 2017 für plausibel hielten. Denn Android weist so viele Altlasten auf, dass einiges für eine Ablösung spricht.

Googles Betriebssystem-Chef Hiroshi Lockheimer sieht es als seine Aufgabe an, Betriebssysteme bunt und vielfältig zu gestalten.

Im Mai 2019 zerstreute der Chefentwickler für Android und Chrome OS, Hiroshi Lockheimer, derlei Hoffnungen, indem er gegenüber «The Verge» sagte, Fuchsia sei nicht als Nachfolger der bestehenden Betriebssysteme gedacht: «Es geht uns darum, den Stand der Technik voranzutreiben. Was wir von Fuchsia lernen, werden wir in andere Produkte einfliessen lassen» – was wiederum eher nach Tummelwiese denn nach einem marktreifen Produkt klang. Nichtsdestotrotz lancierte Google im Juni 2019 unter Fuchsia.dev die offizielle Entwickler-Website und demonstrierte damit ernsthafte Absichten.

Ein neues System für alte Smart-Home-Geräte

Dieser Tage wird Fuchsia nun zum ersten Mal unter realen Bedingungen eingesetzt. Via Update gelangt das Betriebssystem auf die Smart Display Nest Hubs der ersten Generation, die seit 2018 verkauft werden. Das sind Geräte zur Steuerung von vernetzten Wohnungen und Häusern, die über ein Display auch fürs Monitoring von Überwachungskameras geeignet sind.

Im Video führen zwei Journalisten vor, dass zwischen dem smarten Hub mit Fuchsia und ohne kaum ein Unterschied zu erkennen ist.
Video: 9to5Google/Youtube

Auf diesen Geräten ersetzt das Update das bisherige Betriebssystem (Cast OS, eine Android-Variante). Fuchsia wird gemäss 9to5google.com schrittweise verteilt und, falls keine Probleme auftauchen, im Verlauf der nächsten Tage auf allen Nest Hubs ankommen. Die meisten Nutzer dürften das nicht bemerken, da sich das Update optisch nicht allzu sehr unterscheidet – ausser, dass es offenbar etwas flüssiger läuft.

Die Android-Nachfolge bleibt offen

Mit diesem ersten realen Einsatz schlägt Google gleich zwei Nägel ein: Erstens demonstriert der Konzern, dass Fuchsia mehr ist als eine Spielwiese, sondern realen Anforderungen gewachsen ist. Zweitens unterstreicht er die Bedeutung des Internets der Dinge, dem er ein eigenes Betriebssystem spendiert. Und in der Tat ist Fuchsia genau für diesen Zweck ideal: Das System setzt nicht wie Android auf den Kern des freien Betriebssystems Linux, sondern auf Zircon. Diese neuere Entwicklung eignet sich besonders für kleine Geräte, die energiesparend betrieben werden sollen, also vernetzte Heimtechnik oder auch Wearables.

Ob das bedeutet, dass Fuchsia als Android-Thronfolger ausser Betracht fällt, ist damit nicht abschliessend geklärt. Falls sich das System bewährt, bliebe das weiterhin eine Möglichkeit. Allerdings ist Google dafür bekannt, gerne mehrgleisig zu fahren – und darum dürfte Fuchsias Schicksal eher davon abhängen, wie sich Googles Ambitionen beim vernetzten Heim und dem Internet der Dinge entwickelt.

Quelle: Newsnetz, Mittwoch, 18. August 2021

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