Youtube Shorts kommt in die Schweiz

Das taugt Googles Antwort auf Tiktok

Google sieht im chinesischen Konkurrenten eine ernsthafte Gefahr für Youtube. Darum lanciert der Konzern einen eigenen Dienst für Kürzestvideos. Die wichtigsten Fragen zu Youtube Shorts – und unsere Antworten.

Matthias Schüssler

Zum Verwechseln ähnlich: Links Tiktok, rechts Youtube Shorts.

Was ist Youtube Shorts?

Wie Tiktok setzt der neue Videodienst auf Kurzvideos, die zu einem grossen Teil singende und tanzende Leute zeigen – natürlich Smartphone-gerecht im Hochformat. Analog zum Vorbild aus China sucht ein Algorithmus automatisch die Videos aus und spült sie in die Apps. Wenn ein Video missfällt, wischt man es nach oben, worauf sogleich der nächste Clip erscheint. Wenn man eine Darbietung gut findet, vergibt man ein Like und beeinflusst so die Auswahl, die einem der Algorithmus vorsetzen wird.

Die Shorts erscheinen als eigene Rubrik in der Youtube-App. Über den Browser am Desktop sind sie nicht zugänglich. Es gibt den neuen Dienst seit heute Mittwoch in über hundert Ländern, nebst der Schweiz auch in Deutschland und Österreich. Die US-Amerikaner haben seit dem März 2021 die Betaversion zur Verfügung.

Warum hat Google Angst vor Tiktok?

Diese chinesische Videoplattform hat in den letzten fünf Jahren eine erstaunliche Erfolgsgeschichte hingelegt. Sie hat ungefähr eine Milliarde regelmässige Nutzer. Diese sind im Schnitt jung und engagiert und damit eine attraktive Zielgruppe. Bis vor kurzem war die Länge eines Videos auf eine Minute beschränkt, doch in diesen Tagen wird die maximale Länge auf drei Minuten erhöht.

Besucher nicht willkommen: Ein Wachmann stoppt den Fotografen, der vor dem Hauptquartier der Tiktok-Mutterfirma Bytedance seine Arbeit verrichten will.

Mit dieser Änderung könnte Tiktok zu einem direkten Konkurrenten werden. Bislang hat sich das Angebot stark unterschieden, indem beim Newcomer vor allem skurrile Aufführungen zu sehen sind, die auf Musik, Slapstick und Unterhaltung setzen. Doch je länger die Clips sein dürfen, desto interessanter wird die Plattform für Youtuber, zum Beispiel aus dem Influencer-Bereich.

Im Übrigen fürchtet sich nicht nur Youtube vor Tiktok. Auch Instagram will sich zur Videoplattform wandeln. Dessen Chef Adam Mosseri hat Ende Juni in einem Video auf Twitter gesagt, Instagram wolle nicht mehr als die Foto-Community mit den quadratischen Bildern wahrgenommen werden.

Ist die Angst gerechtfertigt?

Nein. Um es überspitzt zu formulieren: Das Internet ist gross genug, dass es Platz für mehrere Videoplattformen und soziale Communitys gibt. Es gibt unterschiedliche Vorlieben und Communitys, die am besten durch klar positionierte Angebote bedient werden. Wenn in der Techbranche nun jeder jeden kopiert, dann werden sich die Produkte immer ähnlicher und letztlich beliebig austauschbar.

Es wirft kein gutes Licht auf die grossen Techkonzerne, dass sie auf die Erfolge der Konkurrenz nicht mit eigenen Innovationen, sondern durch Abkupfern reagieren. König der Kopie ist Mark Zuckerberg, der seit Jahren Rivalen entweder aufkauft oder aber imitiert.

Wie lade ich meine eigenen Shorts hoch?

Auch Youtube Shorts ist keine Einbahnstrasse: Wer möchte, kann eigene Videos hochladen, indem er in der Youtube-App auf das in der Symbolleiste vorzufindende Plus-Symbol tippt im «Erstellen»-Menü, dann auf «Kurzvideo erstellen».

Für das eigene Video darf man nicht nur selbstgefilmte Inhalte, sondern auch kommerzielle Musik und Ausschnitte aus vorhandenen Youtube-Videos verwenden: Das Remixen ist ein integraler Bestandteil.

In diesem Video erklärt Youtube, wie die Shorts funktionieren und wie man sie produziert.
Video: Youtube

Genau an dieser Stelle bringt Youtube seine riesige Marktmacht ein: Angehende Shorts-Stars haben Zugriff auf eine Bibliothek von Millionen von Songs. In der Ankündigung schreibt Youtube, man habe Verträge mit über 250 Musiklabels abgeschlossen. Auch die ganz Grossen, Universal, Sony und Warner Music, sind dabei. Das ist Youtubes eigentlicher Trumpf gegenüber dem Konkurrenten Tiktok, wo es weniger Auswahl gibt.

Plötzlich erlaubt es Youtube, fremde Inhalte zu verwenden?

In der Tat ist das eine interessante Entwicklung. Bei der Verwendung von fremdem Material musste man bislang vorsichtig sein: Youtube unterzieht Videos mit dem Content-ID-Verfahren einer rigorosen Prüfung. Videos, die bei diesem automatisierten Verfahren (berechtigterweise oder auch irrtümlich) durchfallen, können gesperrt werden.

Bei Youtube Shorts darf man für seine eigenen Videos auf einen riesigen Musikkatalog zurückgreifen und wie hier zu Madonna singen oder tanzen.

Es ist auch möglich, dem Urheber die Werbeeinnahmen zu entziehen oder sein Video zu «beobachten» – das heisst wohl, dass bei einem viralen Hit der betroffene Rechteinhaber Ansprüche geltend machen würde. Eine Kehrtwende macht Google aber nicht: Shorts mit fremden Inhalten dürfen maximal 15 Sekunden lang sein, solche ohne 60 Sekunden. So sind die remixten Clips vor allem Werbung für die originalen Inhalte.

Quelle: Newsnetz, Mittwoch, 14. Juli 2021

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