Wie einige Schriften verführen – und andere abstossen
Typografie Schriften sind die Kleider unserer Gedanken. Sie lassen Texte mal schlicht, mal schrill auftreten. Redaktorinnen und Redaktoren nennen ihre persönlichen Favoriten.
«Greta Grotesk» ist eine neue digitale Schrift, die anhand der Schulstreik-Plakate von Greta Thunberg entstanden ist. Foto: Getty Images
Greta: Die Sprengkraft von Lettern
Wenn alles politisch ist, wie gelegentlich behauptet wird, dann gilt das auch für Geschriebenes – und zwar nicht nur inhaltlich, sondern auch formal. Oder mit anderen Worten: Selbst die banalste Botschaft besitzt Sprengkraft, wenn man sie nur in den richtigen (bzw. falschen) Lettern setzt. Wers nicht glaubt, kann seine Einkaufsliste einmal mit dem Jackboot Font formatieren: Selbst die appetitlichen Lebensmittel werden sogleich ziemlich streng nach dem Dritten Reich riechen. Es gibt aber auch positive Schriften: Die Greta Grotesk ist die digitale Variante der Schreibschrift von Greta Thunberg, die anhand ihrer Schulstreik-Plakate entstanden ist und ihrer Botschaft Eindringlichkeit verleiht. Die Gilbert ist eine der ersten bunten Schriften überhaupt – dass die Farbe in der Typografie Einzug gehalten hat, ist übrigens den Emojis zu verdanken – und diese dem amerikanischen Künstler Gilbert Baker, der 1978 die Regenbogenfahne für die Lesben- und Schwulenbewegung entworfen hat und die ebenfalls für Frieden, Aufbruch und Toleranz steht. Und ja, es gibt auch die satirische Typografie: Wenn Sie sich im nächsten Memo ein bisschen über Ihren Chef lustig machen möchten, formatieren Sie es einfach in «Tiny Hand» – ein Font, der Donald Trumps Handschrift nachempfunden ist.
Matthias Schüssler